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Der harte Weg.  Professor Thalheim (Matthias Matschke) konfrontiert das Vergewaltigungsopfer Diana Herzog (Marleen Maxeiner) brutal mit dem Tatgeschehen, um verschüttete Erinnerungen wachzurufen.

© ZDF und Martin Valentin Menke

Neuer Krimi mit Matthias Matschke: Genial gestört

Matthias Matschke spielt „Professor T.“, einen eigenwilligen Kriminalpsychologen. Das erinnert auch an einen skurrilen Privatdetektiv aus den USA.

Zu behaupten, dass Professor Jasper Thalheim einen Fimmel hätte, wäre untertrieben. Der Mann hat panische Angst vor Bakterien. Er trägt meist Latex-Handschuhe und zückt bei jeder Gelegenheit ein Desinfektionsspray. Sein Büro an der Universität Köln ist ein blitzblanker, aseptischer Raum. Wenn jemand den Türgriff von außen berührt, muss die Sekretärin Thalheim den Zutritt ermöglichen. Seine Angst vor Krankheitsübertragung ist aber noch das geringere Problem.

Der Herr Professor, eine Koryphäe auf dem Gebiet der psychologischen Kriminologie, hält sich seine Mitmenschen gerne vom Leib. Und stößt sie deshalb ständig vor den Kopf. Ausnahmslos. Er ist arrogant, unsensibel, ein superschlauer Kotzbrocken wie weiland „Dr. House“, der alles besser weiß und angeblich immer recht hat. Kurz gesagt: ein ausgesprochen interessanter Anti-Held für eine Krimiserie.

„Professor T.“, die vorerst vierteilige Mini-Serie im ZDF, ist eine Adaption aus Belgien. 2015 setzte der flämische Sender VRT mit dem Antwerpener Kriminologen Jasper Teerlinck das Vorbild in die Welt und hat seitdem zwei Staffeln mit insgesamt 26 Folgen ausgestrahlt. In der deutschen Version spielt erfreulicher- weise Matthias Matschke den genial Gestörten, er nennt ihn einen „komplexen Charakter" und ein „hochbegabtes, erwachsenes Kind auf der Suche nach menschlicher Nähe“.

Dass Thalheim auf der Suche nach Nähe sein könnte, ist in der ersten Folge („Die Rückkehr“) am Sonnabend im Zweiten bestenfalls zu erahnen. Allerdings erfährt man, dass seine ehemals große Liebe bei der Kripo arbeitet. Beim Wiedersehen mit Christina Fehrmann (Julia Bremermann) packt er sie einfach und küsst sie schwungvoll auf den Mund. War aber nur ein Traum.

Wir Menschen seien Herdentiere

Der erste Fall handelt von einer Vergewaltigung an der Universität Köln. Weil die Polizei nicht weiterkommt, sucht die junge Kommissarin Anneliese Deckert (Lucie Heinze), eine ehemalige Studentin Thalheims, gemeinsam mit ihrem Kollegen Daniel Winter (Andreas Helgi Schmid) den Professor auf.

Dessen Figur wurde soeben mit einigen durchaus lehrreichen Szenen von seiner Vorlesung eingeführt: Thalheim betritt den Hörsaal und wird von einem plötzlich hereinstürzenden Unbekannten seiner Aktentasche beraubt. Der Mann verschwindet sofort wieder, und die Studenten sollen sich nun an Merkmale erinnern, um den Täter zu identifizieren.

Gar nicht so einfach, denn, doziert Thalheim, wir Menschen seien Herdentiere und beschäftigten uns vornehmlich mit uns selbst – „und all jenen, die so sind wie wir“. Das Außen, das Fremde, sei eine „diffuse Bedrohung“. Bei der regelmäßigen Studentenbefragung bekäme er sicher gute Noten, würde er seine Studierenden nicht gerne abkanzeln oder gar beschimpfen. Weil er eine Studentin „dämliches Kalb“ nannte, hat er gerade eine Beschwerde am Hals.

Professor T. und die Frauen, das scheint ein besonderes Kapitel in der Miniserie zu werden. Selbst mit Vergewaltigungsopfern verfährt er grob und ohne erkennbare Empathie. Oder er provoziert sie gar, „weil man sich nicht erinnert, wenn man sich selbst bemitleidet“. Immerhin führt Thalheims zynische Strategie zum Erfolg, der Täter wird gefasst.

Matthias Matschke sieht in seiner Figur einen „platonischen Casanova“. Da sei noch mehr zwischen Thalheim und den Frauen. Was, das erschließe sich „über unsere horizontale Erzählweise im Weiteren“. Darauf darf man sich angesichts gewitzter Dialoge und der zum Teil unkonventionellen Inszenierung von Thomas Jahn freuen. Jahn fasst hin und wieder auch die Gedanken und Phantasien des Professors in Bilder.

Und natürlich wegen Matschke selbst, der mit einem minimalen Einsatz von Mimik und Gestik größte Wirkung erzielt. Steif, kerzengerade, perfekt gekleidet, streng frisiert und total kontrolliert bewegt sich der 48-jährige Schauspieler, nur die Augen verraten den Schrecken der alltäglichen Katastrophen, zum Beispiel eines benutzten Taschentuchs auf dem Schreibtisch – was wieder an US-Privatdetektiv „Monk“ erinnert. Matschke macht Professor T. zu einer tragikomischen Figur, der man die Phobien ebenso glaubt wie den überragenden Intellekt.

„Professor T.: Die Rückkehr“; ZDF, Sonnabend , 21 Uhr 45

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