zum Hauptinhalt

Neues aus der Anstalt: Zweite Chance

Trotz mauer Bilanz will sich WDR-Intendantin Piel am Mittwoch vom Rundfunkrat wiederwählen lassen. Dabei ist schwer zu sagen, wofür die 61-Jährige steht, wenn es um programmliche Akzente geht.

Die Pleite mit Thomas Gottschalk im Vorabendprogramm, der Kulturkampf um die Hörfunkwelle WDR3, die gescheiterte Einigung mit den Verlegern über die „Tagesschau“-App – der Intendantin des Westdeutschen Rundfunks und ARD-Vorsitzenden Monika Piel ist einiges krachend um die Ohren geflogen in letzter Zeit. Doch in der öffentlich-rechtlichen Familie, in der politisch in Ungnade Gefallene schon mal abserviert werden, ist Misserfolg nicht ganz so schlimm. Einstimmig einigte sich der WDR-Rundfunkrat darauf, Monika Piel ohne Ausschreibung und Gegenkandidaten wiederzuwählen. Am Mittwochnachmittag ist es so weit. Die 61-Jährige wird ihre zweite Chance bekommen.

Als Piel am 20. November 2006 zur WDR-Intendantin gewählt wurde, freute sie sich über den „beneidenswert guten Zustand“, in dem Vorgänger Fritz Pleitgen den Sender hinterlasse. Bei der ARD insgesamt gebe es jedoch „Optimierungsbedarf“, sagte sie forsch. Der Amtsantritt der ersten Frau an der Spitze eines großen ARD-Senders am 1. Juli 2007 wurde mit freudiger Erwartung begleitet. Nach fünf Jahren spürt Monika Piel kräftigen Gegenwind. Das liegt nicht allein an ihr. Die ARD ist ein Tanker, der sich nur langsam bewegt. Zum Beispiel bei der Suche nach einer Strategie, wie sich vermehrt junges Publikum erreichen lässt. Während bei den neun Landesrundfunkanstalten mühsam jeder Stein nach verwertbaren Erkenntnissen umgedreht wurde, hatte das ZDF mit einer experimentellen Offensive vor allem bei ZDFneo begonnen. Die unter der ARD-Vorsitzenden Piel erreichte Bündelung junger ARD-Formate bei EinsPlus und EinsFestival ist ein müder Kompromiss.

Und wenn's mal schnell gehen soll, geht’s prompt schief: Wie bei dem Quoten-Debakel mit der Vorabend-Show „Gottschalk Live“. Da eignet sich die Radiojournalistin Piel, die es bis zur WDR-Hörfunk-Direktorin gebracht hatte, zwar als prima Sündenbock – die flotte Verpflichtung von Thomas Gottschalk nach dessen „Wetten, dass“-Abschied haben ein paar mehr Intendanten beklatscht. Darüberhinaus ist schwer zu sagen, wofür Piel steht, wenn es um programmliche Akzente geht. Aus dem Hause WDR stammt die erfolgreiche „Markencheck“-Reihe. WDR-Rundfunkrats-Vorsitzende Hieronymi lobt Piel für die Schärfung des Profils „etwa durch mehr Sondersendungen bei aktuellen Themen“. Dafür schwindet der Rückhalt im eigenen Lager. So konnte der „Spiegel“ aus einem Beschwerdebrief an Piel von Helmut Reitze, dem Intendanten des Hessischen Rundfunks, zitieren. Reitze warf Piel vor, die anderen Intendanten nicht schnell genug über den Stand des App-Streits mit den Verlegern informiert zu haben. Irritationen auch im eigenen Haus in Köln: Aus den Redaktionen ist die Klage zu hören, die Intendantin sei unsichtbar und abwesend. Das Prinzip Abschottung gilt bei Piel insbesondere im Konfliktfall, etwa mit den „Radiorettern“ und ihren 18 670 Unterstützern, bei deren Protest gegen die WDR3-Reform sich aufgestauter Unmut über den Abbau anspruchsvoller Sendungen Luft verschafft. Piel überließ die Auseinandersetzung ihrem Hörfunkdirektor Schmitz, der sich nach Wochen zu einer öffentlichen Debatte herabließ.

Trotz des großen Interesses stand die Senderspitze zum Thema WDR3 nur dem Kontrollgremium Rundfunkrat ausführlich Rede und Antwort, der dies durch Zustimmung belohnen wird. Da am vergangenen Freitag bereits der Programmausschuss des Gremiums die geplanten, leicht revidierten Änderungen abgenickt hat, ist nicht zu erwarten, dass sich der Rat in der heutigen Sitzung querstellt. Der angerichtete Flurschaden ist beachtlich. Selten wurde so engagiert in Deutschland über Sinn und Nutzen des gebührenfinanzierten Rundfunks diskutiert. Statt diese Chance zu ergreifen und die nur geringfügigen Änderungen zugunsten des von Kritikern geforderten Moratoriums zurückzustellen, verharrte der WDR unter Monika Piel stur auf dem Zuständigkeitsprinzip.

Für die Intendantin zahlt sich das aus: Der Rundfunkrat honoriert mit ihrer Wiederwahl vor allem Piels Bereitschaft, auch einmal in strittigen Fragen einzulenken. So wurde der Vertrag der ARD mit Box-Promoter Wilfried Sauerland im vergangenen Jahr nach Bedenken der Gremien kräftig reduziert, von 54 auf 26 Millionen Euro. Und beim Thema WDR3 hatte die Intendantin dem Rundfunkrat zugesichert, dessen Beratungen abzuwarten, obwohl die Zustimmung des Gremiums eigentlich nicht notwendig ist. Eine erfolgreiche Strategie des Umarmens.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false