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Wer mehrere Clips hintereinander anklickt, kann sich auf Youtube ein durchgängiges Spartenprogramm zusammenstellen. Foto: dpa

© dpa

Neues Fernsehen: „Trigger“ statt „Tatort“

„Wir kommen in Frieden!“: Youtube startet zwölf Spartenkanäle in Deutschland und macht etablierten Sendern Konkurrenz. Die Programme sind für die Nutzer kostenfrei, mit Werbung finanziert - und dürften die Privatsender an einem empfindlichen Punkt treffen.

Robert Kyncl macht das ganz geschickt. „Wir kommen in Frieden!“, ruft der Manager der Videoplattform Youtube den deutschen Fernsehsendern zu und hält gleichzeitig eine Waffe bereit, die die Öffentlich-Rechtlichen und Privaten nicht umbringen, aber doch mehr als anpieksen dürfte: Zwölf Kanäle wird Youtube in Deutschland starten, zu Themen wie Sport, Unterhaltung, Comedy, Crime und Gesundheit. Damit betreibt die Google-Tochter künftig quasi Spartensender. Als Starttermin ist der 22. November anvisiert. Der Kampf um Zuschauer – vor allem um Werbeeinnahmen – dürfte sich durch die neue Konkurrenz weiter verschärfen.

„Unsere Strategie ist zu schauen, welche Interessen es in der Welt gibt, die im Fernsehen unterrepräsentiert sind, und sie zu bedienen. Wir suchen gezielt nach diesen ,weißen Flecken‘, in denen es heute kein Angebot gibt“, sagte Kyncl am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Youtube selbst wird allerdings keine Inhalte produzieren, sondern lediglich die Plattform für die Programme zur Verfügung stellen. Gemacht werden sie von verschiedenen Partnern, mit dabei ist beispielsweise die Ufa mit zwei Kanälen: „Heartbeat Berlin“ soll über Trends aus der Hauptstadt informieren, „Trigger“ Krimisendungen zeigen. Konkurrenz für „Tatort“ & Co? Nein, heißt es von der Ufa. Geplant seien eher Programme im Doku- und Reality-Stil. Die Videos würden auch eher Clipcharakter haben, also keine Spielfilmlänge von 90 Minuten. Theoretisch wäre das aber möglich, sagt Youtube-Sprecherin Mounira Latrache: „Es bleibt dem Anbieter selbst überlassen, welche Länge Sinn macht.“

Das Angebot ist vielfältig: Endemol beyond startet einen Kanal zum „Abenteuer Familie“, „Ponk” von Mediakraft präsentiert Comedy-Talente, die Berliner Band „Onkel Berni“ produziert mit First Entertainment eine Late-Night-Show aus dem eigenen Wohnzimmer.

Kostenfrei können die Nutzer diese Programme abrufen, die durch Werbung finanziert sind. „Mehr als 50 Prozent“ der Einnahmen gehen nach Angaben von Youtube an die Partner. Für werbende Unternehmen dürften die Spartensender attraktiv sein. Erstens können sie hier genau abrechnen, welche Werbung tatsächlich gesehen wird. Zweitens Zielgruppen besser ansprechen, als wenn sie die breite Masse wie bisher eher nach dem Gießkannenprinzip berieseln. Genau hier dürfte Youtube einen empfindlichen Punkt der Privatsender treffen.

Die Zuschauer selbst werden die Kanäle wohl eher als ergänzendes Angebot zum bestehenden TV-Programm nutzen. Aber gerade für jüngere Nutzer dürften die Youtube-Sender attraktiv sein, denn hier müssen sie sich nicht nach einem feststehenden Programm richten, sondern können die Clips jederzeit abrufen.

Dennoch bleiben die etablierten TV-Sender gelassen. RTL will die Sender zunächst beobachten. Da Youtube offensichtlich kein durchgehendes Live-Rundfunkprogramm biete und auch keine Rundfunklizenzen erwerbe, fühlt sich die ARD nicht herausgefordert. So ist ARD-Programmdirektor Volker Herres überzeugt: „Für uns sind neue Themenkanäle keine Konkurrenz.“ Das Erste werde seine Schwerpunkte anlässlich des Starts des Youtube-Programms „nicht verändern“. Auch ZDF-Sprecher Alexander Stock ist sicher, dass die Youtube-Kanäle keine Wirkung auf den Fernsehmarkt haben werden: „Dafür ist die Internetnutzung am TV-Gerät zu gering.“

Allerdings: Immer mehr Fernseher haben inzwischen einen Internetanschluss, so dass die Youtube-Clips auch bequem auf dem großen Bildschirm angesehen werden können. Klickt der Nutzer mehrere Clips nacheinander an, kann er sich sein Spartenprogramm nach dem Baukastenprinzip selbst zusammenstellen. Gleichzeitig sind die Youtube-Kanäle unkompliziert auf mobilen Geräten wie Handys und Tablet-PCs abrufbar. Am Ende kann ein angeklickter Clip bei Youtube einen Zuschauer weniger für Bohlen, Lanz & Co bedeuten.

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