zum Hauptinhalt

Neues Format: Näher ran

Talk ist Silber, Doku ist Gold. „ZDFzoom“ soll die Information im Zweiten stärken. Ein Beitrag von Günter Wallraff muss jedoch erstmal warten.

Das ZDF geht vom kommenden Mittwoch an ganz nah ran, wenn der Sender das neue Doku-Format „ZDFzoom“ startet. Aktuelle Themen sollen mal in 30, mal in 45 Minuten tiefenscharf behandelt werden, Themen, die „aus der Lebenswelt der Zuschauer kommen“, wie Redaktionsleiter Christian Dezer bei der Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin sagt. Gesundheitsreform wird bei „ZDFzoom“ übersetzt in: Bin ich als Kassenpatient Patient zweiter Klasse? Energie kann bedeuten: Wer bestimmt eigentlich den Spritpreis? Kein Themenbereich ist per se ausgeschlossen, weder Ausland noch Wirtschaft noch Sport.

Die „handelnden Autoren“, so nennt sie Hauptredaktionsleiter Theo Koll, sollen quasi als Stellvertreter des Zuschauers agieren. Sie sind als Bindeglied zwischen Publikum und Thema gedacht, sie sollen ihre Vorgehensweise, ihre Recherche und die Ergebnisse transparent machen, eben Nähe herstellen. Unterstützt wird jeder Beitrag, und darauf sind die ZDF-Macher nicht wenig stolz, von Grafiken, die den Erzählfluss nicht unterbrechen, sondern integriert werden. Der „Look“ dieser wöchentlichen Reihe soll bloß nicht betulich, statisch, abgehoben sein. Autoren und Kameraleute müssen gute Gründe finden, das Thema aus der Vogelperspektive in den Blick zu nehmen.

„ZDFzoom“ gehört zur neuen Informationsstrecke des Senders am Mittwoch. Nach dem „heute-journal“ wird das „auslandsjournal“ von bislang 22 Uhr 45 auf 22 Uhr 15 vorgezogen, dann wird gezoomt. Keine Rose ohne Dornen: Am Donnerstag wurden die „ZDF.Reporter“ aufgegeben, nicht wenige Mitarbeiter dieses Magazins arbeiten jetzt für die neue Sendung. Chefredakteur Peter Frey beschrieb am Beispiel des Unglücks bei der Love Parade 2010 in Duisburg, wie er sich den Idealfall eines journalistischen Dreiklangs im zweiten Programm vorstellt: Die „Reportage“ am Sonntag erweitert die aktuelle Berichterstattung, „ZDFzoom“ fragt drei Wochen später nach den Ursachen, das Format „ZDFzeit“ am Dienstag (startet Anfang 2012) kümmert sich später um alle Facetten des Stoffs. Ehrgeiz steckt im Projekt, Ehrgeiz, eine eigene, unverkennbare Handschrift zu entwickeln. So werden unter der Dachmarke nicht Stücke aus verschiedenen ZDF-Redaktionen platziert, sondern die „zoom“-Redaktion projektiert, produziert oder vergibt Aufträge nach draußen.

Das Genre der klassischen Dokumentation im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird derzeit mit ungewohnter Intensität diskutiert. Seitdem feststeht, dass die ARD von September an von Sonntag bis Donnerstag mit Talkshows das Publikum bearbeiten wird, was zulasten der Dokus gehen wird, soll beim ZDF das investigative Fernsehen zu neuer Kraft und Herrlichkeit finden. Chefredakteur Frey versichert zwar stets, dass das ZDF sein Programm aus eigenem Vermögen gestaltet und nicht in Reaktion auf die Schwerpunkte der ARD, trotzdem gehen das Erste und das Zweite bei der Information erkennbar getrennte Wege.

Wie sehr „ZDFzoom“ am Puls der Zeit agieren will, zeigt auch die flexible Themenplanung. Eigentlich sollte Günter Wallraff mit seinem Film „Das Recht des Stärkeren“ über die heutige Arbeitswelt starten. Jetzt hat Redaktionschef Christian Dezer ein neues Ziel ausgegeben: eine Doku zur Tötung Osama bin Ladens, zu den Umständen, zu den Konsequenzen. Mit frisch herangezoomtem Material.

Zur Startseite