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Zum Kinofilm „Das Tagebuch der Anne Frank“ hat Fred Breinersdorfer das Drehbuch geschrieben, genauso wie für rund 20 „Tatort“-Produktionen. In unserem Gastbeitrag setzt er sich für die Novelle des Urhebervertragsrechts ein, das den Kreativen eine bessere Verhandlungsposition gewähren soll.

© dpa

Neues Urhebervertragsrecht: Artenschutz für Kreative

Urheber und Verwerter könnten sich bald auf Augenhöhe begegnen. Der Gesetzentwurf für ein neues Urhebervertragsrecht kommt in der kommenden Woche ins Kabinett. Ein Plädoyer.

Reden wir von einer bedrohten Spezies, den Kreatieren. Kreatiere? Nun ja, wenn sich morgens die Sonne über der Stadt erhebt, rasseln im Zoo die Gitter, die Wärter bringen Futter für die Zootiere, für Groß und Klein, dann strecken sich die Zootiere und schlummern dem Tag entgegen. Wenn dagegen im Dschungel noch lange Dunkelheit herrscht, erwachen die Wildtiere, dehnen sich, schärfen Krallen und Zähne und gehen auf die Jagd nach Futter – und sie wissen nicht, ob sie abends den Magen einigermaßen voll haben.

Freiberufliche Kreative sind Wildtiere, Kreatiere eben. Schauspieler, Autoren, Architekten, Maler, Journalisten, Regisseure, Fotografen – die Artenvielfalt ist groß im Dschungel. Futter gibt es nur gegen konkrete Leistung. Wenn sie nicht genügend Nahrung finden, dann wird es eng. Eng wird es, um im Beispiel zu bleiben, nicht nur für sie, die Kreatiere, sondern auch für deren Nachwuchs und spätestens damit für eine Gesellschaft, die sich mit Recht beispielsweise auch für gefährdete kleinwüchsige Fledermäuse einsetzt. Nicht nur Natur, auch Kultur braucht Schutz!

Diesen Schutz könnte nun das neue Urhebervertragsrecht bringen, das dieser Tage heftig diskutiert und voraussichtlich am kommenden Mittwoch im Kabinett beraten wird. Zentrales Anliegen des Vorhabens ist, dass Urheber, die notorisch bei Vertragsverhandlungen in einer schlechten Position sind, mit den Verwertern auf gleiche Augenhöhe kommen. Im Kern geht es um ein System einer Art Tarifverträge, in dem die Beteiligten über ihre Verbände und eben nicht als Einzelkämpfer die Honorare festschreiben. Das gab es bisher schon, hat aber aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert. Da soll jetzt nachgebessert werden, flankiert von Auskunftspflichten und Verbandsklagen. Das räumt die Konflikte nicht grundsätzlich aus, zumal es keine verbindliche Schlichtung bei den im Gesetz so genannten Gemeinsamen Vergütungsregeln gibt. Wenn eine Verhandlungspartei unbedingt den Abschluss boykottieren will, wie in der Vergangenheit vorgekommen, dann wird sie auch unter dem künftigen Recht damit am Ende durchkommen, auch wenn das künftig erheblich schwerer sein wird. Nicht verwunderlich, dass einige Verwerter dagegen Sturm laufen, waren sie doch bisher in der komfortablen Situation dessen, der die Ansagen gemacht hat.

In den USA gibt es seit langem Urheber-Gilden

Da wird momentan aus allen Rohren geballert. Hauptargument ist immer wieder, alles werde zu kompliziert und teuer, wenn die Kreativen konsequent an den Erlösen aller Verwertungen beteiligt würden. Kontrastbeispiel: Die US-Filmindustrie lebt seit fast hundert Jahren mit ausgefuchsten Minimumstandards von „Guildes“, einer Art Gewerkschaften für über 80 Gewerke, die pingelig eingehalten werden. Und man kann nicht sagen, dass die Studios trotz finanzieller Beteiligung der Kreativen nicht profitabel arbeiten. Es gibt Computerprogramme für Abrechnungen, auch wenn der Chefjustiziar des Bayerischen Rundfunk kürzlich auf einem Podium erklärte, gerade die Software fehle dem Sender.

Hängt es am Ende nicht an fehlender technischer Ausstattung, sondern eher am Willen, etwas zu verändern? Weil ich selbst Jurist bin, keimt in mir schon lange der düstere Verdacht, dass meine Anwaltskollegen, die für ihre Gutachten und Lobbyarbeit in Berlin gut und fair vergütet werden, kein allzu lebhaftes Interesse an der Befriedung in der Kreativwirtschaft haben könnten. Bei Stundensätzen von 200 Euro und mehr ist es lukrativer, Sand ins Getriebe zu streuen, als es zu ölen. Nur nebenbei: den Kreativen möchte ich sehen, der auch nur entfernt eine in Stunden umgerechnete Vergütung dieser Höhe bekommt. Im Gegenteil, wenn ich mein Stundenhonorar für meinen vorletzten Kinofilm nach sieben Jahren Entwicklung berechne, geteilt durch zwei, weil meine Tochter mitgeschrieben hat und mit Recht dasselbe Honorar bekommt, dann liegen wir beim gesetzlichen Mindestlohn. Nur damit nicht das Wort Neiddebatte fällt: Meine Tochter und ich sind Anwälte, wir haben die Wahl. Wir arbeiten mit großer Leidenschaft für Filme und nicht für Klienten, auch wenn es Wochen und Monate dauert. Es geht nicht darum, anderen ihr Einkommen zu neiden, es geht darum, dass wir Selbstausbeuter anständig leben können.

Heiko Maas ist Justizminister, ein Mann, der Statur gewonnen hat, dem man glaubt, dass er sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Er hat kürzlich auf verschiedenen Veranstaltungen klar gesagt, dass er über Details mit allen Beteiligten spricht, aber an seinem Konzept trotz Sperrfeuer nicht rütteln lassen wird – offenbar mit dem Koalitionspartner abgestimmt. Das ist ein Marsch in die richtige Richtung, auch wenn der Weg durchs Kabinett, den Bundestag und Bundesrat noch weit ist. Von den Kreativen wird er dabei energisch unterstützt, denn wir müssen zu einem tragfähigen Ergebnis kommen.

Nur gemeinsam sind die Herausforderungen zu bewältigen

Und erstens müssen wir endlich begreifen, dass wir gemeinsam, Verwerter und Kreative, viel gravierendere Herausforderungen bewältigen müssen als die Debatte um faire Gagen und Arbeitsbedingungen. Stichworte sind Digitalisierung, Piraterie und Dominanz von Kartellen im Internet, die unsere ohnehin asymmetrische Kulturwirtschaft fundamental verändern, einen Prozess, dessen Kontrolle wir gemeinsam nicht aus der Hand geben dürfen.

Und zweitens: Sind wir nicht auf eine fast kuriose Art schizoid? Wir schaffen Werke, Bücher, Filme, Gebäude, Fotos, Computerprogramme, Gemälde, Installationen, Artikel. Das geschieht in allen Fällen in lebhafter, oft streitbarer Zusammenarbeit mit den Verwertern. Wir zoffen uns bis aufs Blut, wenn es um Inhalte geht – und trinken trotzdem abends ein Bier zusammen. Da ist es dagegen schon krass, wenn der Chefjustiziar eines Verwertergiganten, ein Jurist, der nichts mit den Inhalten zu tun hat, einem Drehbuchautor droht, es gäbe Krieg (wörtlich!), wenn das neue Gesetz käme. Aber das ist zum Glück ein Einzelfall, andere erkennen durchaus „Unwuchten“, die es im Interesse aller zu beseitigen gilt. Wir haben doch die Erfahrung, dass man gemeinsam mehr erreicht als gegeneinander. Mir will nicht in den Kopf, dass gerade angesichts der Herausforderung der digitalen Medien nicht dieselbe Debatten- und Entscheidungskultur etabliert werden kann, wenn es ums Geld und Fairness geht?

Fred Breinersdorfer ist Drehbuchautor, momentan läuft sein Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ in den Kinos.

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