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Medien: Neutral ist, wo wir sind

Republikaner wollen US-Sender PBS auf Linie bringen

Der angebliche Witz liegt schon ein paar Monate zurück. Auf einer Versammlung öffentlich-rechtlicher Fernsehmacher in Baltimore im November hielt Kenneth Tomlinson seine Kollegen an, doch zukünftig bei der Programmgestaltung die Seite der Republikaner stärker zu berücksichtigen. Das sei nur ein Scherz in lockerer Runde gewesen, behauptete er zwar später in einem Interview mit der „New York Times“. Doch zwei demokratische Kongress-Mitglieder nahmen ihn so ernst, dass sie Ermittlungen fordern. Tomlinsons Aktivitäten an der Spitze der Corporation for Public Broadcasting (CPB) seien „extrem besorgniserregend“. Der Verdacht von David Obey und John Dingell: Die Republikaner nutzen ihre Macht in Washington, um das öffentlich-rechtliche Fernsehen nach rechts zu rücken.

Tomlinson spielt dabei die zentrale Rolle. Seit 2003 steht er der CPB vor, einer unabhängigen Kommission, die über die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und TV-Sender in den USA wacht. Ihre stärkste Waffe: Geld. Sie verhandelt mit der Regierung das jährliche Budget, für dieses Jahr rund 400 Millionen Dollar, und übernimmt die Verteilung. 1967 per Gesetz ins Leben gerufen, startete sie zwei Jahre später den Public Broadcasting Service (PBS). Die Mitglieder der neunköpfigen CPB-Leitung werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. George W. Bush nutzte sein Amt, um sich in dem Gremium eine komfortable Mehrheit zu verschaffen.

Die Klagen der Konservativen über die angeblich zu liberale Berichterstattung des laut Statut zur Neutralität verpflichteten PBS sind so alt wie der Sender selbst. Ein heftiger Streit zwischen CPB und PSB brach in den 70er Jahren aus, als der Nixon-Regierung die kritischen Beiträge über den Vietnamkrieg und den Watergate-Skandal nicht passten. Die Zähmungsversuche des damaligen Präsidenten scheiterten. Was ihm nicht gelang, will Bush nun offenbar nachholen. Dazu verlängerte Tomlinson zunächst den Vertrag der PBS-Geschäftsführerin nicht und will sie nun durch eine stramme Parteigängerin der Republikaner ersetzen. Als Nächstes heuerte er ohne Wissen seiner Kollegen eine Firma an, die die notorisch regierungskritische Politsendung „Now with Bill Moyer“ überwachte. Kurz danach wurde die Sendezeit des Magazins um die Hälfte gekürzt. Dafür drückte Tomlinson zwei neue Formate durch, beide besetzt mit konservativen Gastgebern. Außerdem setzte er zwei Ombudsmänner ein (beide aus dem Lager der Republikaner), die die Neutralität des PBS überwachen sollen. Schließlich verweigerte Tomlinson mehrere Monate lang die Auszahlung des staatlichen Zuschusses von 26,5 Millionen Dollar, weil PBS ein neues Neutralitätsstatut nicht unterschreiben mochte.

Gleichzeitig betonen Tomlinsons Kritiker, dass PBS von seinen Zuschauern wegen seiner Neutralität gelobt werde. Weil eine entsprechende Untersuchung dem CPB-Chef nicht in den Kram passte, startete er eine neue Zuschauerbefragung – mit fast identischem Ergebnis. Offiziell wurden die 2003 erhobenen Zahlen nie bekannt gegeben. Nach Informationen des Online-Magazins „Salon“ sprechen sie jedoch eine eindeutige Sprache: Eine deutliche Mehrheit halte die öffentlich-rechtlichen Nachrichten für vertrauenswürdiger und ausführlicher als die von ABC, CBS, NBC, Fox und CNN.

Ohnehin hätte Tomlinson eigentlich Wichtigeres zu tun, als PBS nach politischen Kriterien neu auszurichten. Einst als Alternative zu den großen TV-Stationen gegründet, droht der Sender mittlerweile im Meer der Vielfalt unterzugehen. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Struktur seiner Zuschauer: Sie sind zwischen einem und sieben Jahre alt oder zwischen 47 und 80. Dazwischen klafft das große Nichts.

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