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Nicht nur Löw-Szene in der Kritik: Manipulierte Bilder von der Fußball-EM

Wo live draufsteht, ist nicht immer live drin: Die Uefa inszeniert die Bilder von der Fußball-EM - und schafft sich so eine Welt, wie sie ihr gefällt. Der Zuschauer hat das Nachsehen.

Was für einen entspannten Bundestrainer Deutschland doch hat, dürften sich die meisten der 27 Millionen Fernsehzuschauer am Mittwochabend gedacht haben, als sich Joachim Löw während der Partie gegen die Niederlande am Mittwochabend den Scherz erlaubte, einem Jungen am Spielfeldrand den Ball unterm Arm wegzuschlagen. Doch fand diese Szene gar nicht während des Spiels statt. Sie wurde vorher aufgezeichnet und in die Live-Berichterstattung eingespielt – ohne dies für die Zuschauer deutlich zu kennzeichnen.

Verantwortlich dafür ist die Europäischen Fußball-Union (Uefa). Eine von ihr beauftragte Firma produziert von der Fußball-Europameisterschaft das sogenannte Weltbild, das die einzelnen Sender für ihre Live-Berichterstattung verwenden. Auch ARD und ZDF. Dass die Zuschauer nun mit den vermeintlichen Live-Bildern getäuscht wurden, empört die beiden öffentlich-rechtlichen Sender.

„Das entspricht nicht unseren journalistischen Standards“, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey am Freitag. „Wir erwarten von der Uefa, dass sie uns künftig darauf hinweist, ob sie während der Live-Berichterstattung aufgezeichnetes Material verwendet.“ Jörg Schönenborn, Chefredakteur des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und ARD-Teamchef bei der EM, sagte zwar, dass die Zusammenarbeit mit der Uefa gut laufe, aber dennoch habe die ARD „der Uefa sehr deutlich gemacht, dass das deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live draufsteht“.

Beide Sender haben allerdings keinen Einfluss darauf, welche Szenen die Produktionsfirma der Uefa ausgewählt . Und die bastelt sich die Fußballwelt offenbar so zurecht, wie sie ihr gefällt. Denn die Szene mit Löw nicht der einzige Vorfall, dessentwegen sich die Uefa jetzt vorwerfen lassen muss, die Bilder zu manipulieren, gar zu zensieren.

So stürmte bei der Begegnung Irland gegen Kroatien am vergangenen Sonntag beispielsweise ein sogenannter „Flitzer“ aufs Feld. Doch davon bekamen die TV-Zuschauer nichts mit. Auch gab es keine Bilder von der Protestaktion beim Spiel Niederlande gegen Deutschland zu sehen. Die Politiker Rebecca Harms und Werner Schulz hatten im Vip-Bereich des Stadions im ukrainischen Charkiw Plakate mit „Fairplay im Fußball und in der Politik“ und „Lasst alle politischen Gefangenen frei“ ausgerollt. Erst ZDF-Kommentator Béla Réthy machte auf die Proteste aufmerksam.

„Prinzipiell steht bei der TV-Produktion für die Regisseure der Fußball an erster Stelle“, rechtfertigte sich die Uefa am Freitagabend. Um andere nicht zur Nachahmung zu animieren, werde zum Beispiel vermieden, Zuschauer wie den „Flitzer“ zu zeigen, die unerlaubt das Spielfeld betreten. Dass unliebsame Motive wie Plakate oder Fahnen bewusst ausgeblendet würden, bestritt ein Sprecher der Uefa. Auch dass die Szene von Löw als Wiederholung in die Live-Berichterstattung einspielte, findet die Uefa legitim. Das sei eine „international übliche Praxis“, die Wiederholung sei als solche gekennzeichnet gewesen. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz widersprach. Der Vorfall mit Löw sei „unüblich“ gewesen.

Konsequenzen will die Uefa nach den Protesten von ARD und ZDF nicht ziehen, heißt es von dem Fußballverband. Der Zuschauer können sich damit wohl weiterhin nicht darauf verlassen, dass tatsächlich alles live ist, was live aussieht.

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