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Medien: Nichts geht mehr

„Die Spielerin“, frei nach Dostojewski, mit einer brillanten Hannelore Elsner

Schon die Art, wie sie raucht, muss sie verraten. Diese hastigen Züge, die Zigarette, die zwischen den Lippen zittert, der schnelle Griff zur Schachtel, die routinierte Geste mit dem Feuerzeug. „Ich habe das im Griff“, behauptet die notorische Kettenraucherin. „Ich habe schon einmal aufgehört.“

Nichts hat sie im Griff, und aufhören kann sie schon gar nicht. Rauchen? Das ist noch das kleinere Problem. Spielen ist viel schlimmer. Es ist das Psychogramm einer Süchtigen, das die Schauspielerin Hannelore Elsner im dem Fernsehfilm „Die Spielerin“ zeichnet. Einer Süchtigen mit ihren Täuschungstricks. Das Lächeln, wann immer besorgte Nachfragen kommen: „Alles in Ordnung, ich komme klar“. Der stolze Gang, die aufrechte Haltung, selbst wenn am Spieltisch gerade alles verloren ging. Und das makellose Äußere. Diese Frau will ihr Leben meistern? Sie hat es längst verspielt.

„Die Spielerin“ hat Regisseur Erhard Riedlsperger seinen Fernsehfilm mit Starbesetzung genannt, sehr frei nach Fjodor Dostojewskis Erzählung „Der Spieler“. Die Koproduktion zwischen NDR, ORF und Arte ist ein Prestigeprodukt, nicht nur durch die hochkarätige Besetzung bis in die Nebenrollen hinein. Fred Breinersdorfer schrieb das Drehbuch, gedreht wurde 24 Tage lang in Hamburg, Lübeck und Travemünde. Das Thema: Spiel als Sucht. Und im Zentrum ein Schauspielerpaar, das zwischen Vertrauen und Verrat, Verführung und Verfolgung alle Nuancen beherrscht, die zum Spiel gehören, das Liebe heißt.

Zunächst jedoch scheint es, dass da einer recht übel mitgespielt wird. Polina Sieveking, frisch geschieden, begegnet in einem Hamburger Nobelhotel einem charmanten, etwas in die Jahre gekommenen Anwalt. Begegnet? Verfällt wohl eher. Denn Friedrich Mühlbichler (Erwin Steinhauer) erweist sich als windiger Geselle. Verschafft sich mit seiner Chipkarte Zugang zu fremden Hotelzimmern. Fährt noble Wagen und haust in einer Absteige in Altona. Tätigt Geschäfte mit einem schmierigen Kollegen (Frank Giering). Irgendwann wird er verhaftet, kommt in Untersuchungshaft, ein Prozess wegen Untreue und Unterschlagung. Doch da hat er Polina längst mit dem Spieltrieb infiziert.

30 Minuten, und alles auf Null: Das war die Abmachung beim ersten Spiel. Sie sei ein Glückskind, hat Mühlbichler Polina aus dem Horoskop gelesen. Doch lange lässt der sehr subtil angelegte Film im Dunklen, wer hier falsch spielt. Polina, die einsame Frau, ist ein typisches Opfer, und Mühlbichler keineswegs vertrauenswürdig. Wenn sie beteuert: „Nach der Scheidung habe ich mich entschlossen, das Leben zu genießen“, gibt man sie schon verloren. Und Hannelore Elsner versteht es meisterlich, die feinen Falten ihres Gesichts zittern zu lassen, Unsicherheit, Trauer aufbrechen zu lassen hinter der immer noch sehr schönen Fassade. Jedes Lächeln eine Lüge, eine große Lebenslüge: für solche Psychogramme ist sie bekannt, seitdem Oskar Roehler mit „Die Unberührbare“, Oliver Hirschbiegel mit „Mein letzter Film“ und zuletzt Dani Levy mit „Alles auf Zucker“ sie triumphal auf die Leinwand zurückholten. Auch „Die Spielerin“ lebt ganz von ihr.

Doch der Film ist raffiniert, lockt gern auf falsche Fährten. Dass da tatsächlich Liebe walten soll, zwischen der einsamen Frau und dem Anwalt: man glaubt es kaum. Glaubt eher an Abhängigkeit, wenn sie ihm folgt, ihm hinterherspioniert, und schließlich behauptet: „Ich spiele nur für dich.“ Doch die Abhängigkeit ist eine andere.

Regisseur Riedlsperger gibt sich große Mühe, die Verlockung des Spieltischs Bild werden zu lassen. Die tristen Casinos werden zu Zauberpalästen, in denen unzählige Spiegel das Lampenlicht vervielfältigen, in denen sich die Roulette-Räder drehen im ständigen, magischen Takt. Überblendungen, Lichteffekte, das Rollen der Kugel, das Rascheln des Geldes: Der Rausch des Spiels wird hier Gestalt. Und Nina Petri ist in einer Nebenrolle der rote Engel der Verführung.

Allein, das Ende ist vorgegeben. Spielergeschichten sind immer Verlierergeschichten. Vom ersten Gewinn zum letzten Bankrott ist der Weg vorgezeichnet, das schmucke Reihenhaus in Lübeck und die Absteige an der Hamburger Hafenstraße, und wenn am Ende noch der Retter auftaucht, ist es beinahe zu spät. Nicht mehr „Ich habe mein Leben im Griff“ lautet Polinas letzter Satz, sondern: „Ich bin verloren.“ Man hatte sie, mag sie auch noch so tapfer kämpfen, längst aufgegeben. Das Happy-End ist nur eine zarte Andeutung.

„Die Spielerin“, Arte, 20 Uhr 40

Christina Tilmann

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