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Medien: Nico Hofmann im Gespräch: "Spekulativ ist da gar nichts"

Nico Hofmann, 41, kam über Drehbuch und Regie zur Produktion von Fernseh- und Kinofilmen. Mit dem Regisseur Hofmann verbinden sich die hochgelobte Produktion "Land der Väter, Land der Söhne" oder der preisgekrönte Film "Der Sandmann".

Nico Hofmann, 41, kam über Drehbuch und Regie zur Produktion von Fernseh- und Kinofilmen. Mit dem Regisseur Hofmann verbinden sich die hochgelobte Produktion "Land der Väter, Land der Söhne" oder der preisgekrönte Film "Der Sandmann". Im Juli 1998 gründete Hofmann mit weiteren Produzenten und der UFA Film- und Fernsehproduktion die Firma "teamWorx". Die Produktionsgesellschaft realisierte für Sat 1 den Zweiteiler "Der Tunnel", der am nächsten Wochenende ausgestrahlt wird.

Herr Hofmann, was erwartet uns im Fernseh-Jahr 2001?

Wir werden im kommenden Halbjahr auf allen Kanälen einen Boom an Reality-TV erleben. Fiktionale Produktionen werden Quiz-Shows und Reality-TV-Formaten weichen müssen. RTL zum Beispiel hat das Budget für die TV-Movies erheblich reduziert und die Sendeplätze für solche Produktionen nahezu halbiert.

Das wird die Produzenten-Szene ziemlich durchschütteln.

"teamworx" hat seine feste Bastion im fiktionalen Bereich, mit Produktionen wie "Der Tunnel" oder unserem Film über die Oetker-Entführung "Der Tanz mit dem Teufel". Wir haben zu Jahresbeginn aber auch gemeinsam mit der Grundy UFA eine neue Firma gegründet, "Bigger than life - Produktionsgesellschaft für Reality-TV", und wir entwickeln zur Zeit für RTL 2 im Bereich des Reality-TV. Wir sind innerhalb sehr kurzer Zeit gezwungen gewesen, uns ein zweites Standbein aufzubauen. Auch wir können es uns nicht erlauben, die neue Entwicklung zu ignorieren. Immerhin beschäftigt teamWorx hier und in München über 40 Mitarbeiter. Viele von ihnen begeistern sich außerdem für Reality-TV.

Wenn der Teufel zum Tanz bittet, gibt man ihm keinen Korb?

Wir haben eine kämpferische Spielfreude entwickelt. Die Frage ist: Was können wir mit unseren Mittel beisteuern? Das fördert einen gewissen Ehrgeiz.

Kann man einem Produzenten von Fernseh-Events mit der Frage nach Inhalten kommen? Oder, ganz verwegen, nach Moral?

Es geht leider immer weniger um Inhalte oder Moral. Es geht in erster Linie um Marketing. Endemol hat bei "Big Brother" unheimlich raffiniert mit der Presse gespielt. Das war kein Zufall. Marketing und Pressearbeit sind perfekt ineinander geflossen.

Ist die normierende Normalität von Reality-TV-Formaten nicht furchtbar für einen Produzenten, der mehr will als nur Mittelmaß?

"Big Brother" spiegelt den größten gemeinsamen Nenner der Zuschauer wider. Aber fiktionales Fernsehen trägt im Moment ohne Zweifel das unkalkulierbarere Risiko. Ich weiß nicht, wie der "Tunnel" ankommen wird. Aber wie und ob er angenommen wird, das hat für mich und meine Arbeit größte Auswirkungen. Wenn ich das Gefühl haben müsste, selbst mit einem Programm mit so überzeugender Qualität wie "Der Tunnel" die Zuschauer nicht mehr zu erreichen, dann muss ich mir überlegen, ob ich so weiter machen kann wie bisher.

Gibt es keine Nischen mehr für anspruchsvolle Produktionen?

Sat 1 fährt in diesem Jahr mit einer Reihe höchst ambitionierter Eventprogramme eine besondere Schiene: der "Tunnel", die Oetker-Entführung, Vera Brühne, der Mord an Walter Sedlmayr. Die ARD kommt mit der Lebensgeschichte Axel Springers und mit Heinrich Breloers Thomas-Mann-Film. RTL setzt dagegen etwas spekulativer auf opulentes Gefühl, Katastrophen und große Emotionen. Daran können Sie die Unterschiede in der Programmpolitik ablesen. Aber wenn Sat 1 Erfolg hat, wird sich das ganz sicher auf die Programmpolitik der nächsten zwei Jahre auswirken.

Wissen die jüngeren Zuschauer noch, wer und was Walter Sedlmayr war?

Darauf kommt es nicht unbedingt an. Das Entscheidende bei einem Event ist, welcher emotionale Kern in der Geschichte steckt, und wie dieser Kern später in der Öffentlichkeit promotbar ist. Das große Thema bei "Vera Brühne", produziert von Bernd Eichinger, ist - so vermute ich - die Verknüpfung von Verführung, Sexualität, Attraktivität und Kriminalfall. Und das lässt sich genauso gut promoten wie "Das Mädchen Rosemarie". Sie werden sehen, alle Gazetten werden sich auf Corinna Harfouch stürzen, die die Vera Brühne spielt - zumal Corinna eine herausragende und differenzierte Schauspielerin ist. Das Marketingversprechen hat tatsächlich eine inhaltliche Entsprechung.

Außer dem deutsch-deutschen "Tunnel" beschäftigen Sie sich nur mit westdeutschen Themen. Ist der Osten unverkäuflich?

Sie können auch West-Themen wie die APO oder eine Geschichte über RAF-Symphatisanten im Augenblick nicht machen. Das sind Tabu-Themen. Wenn jemand wie Leander Haußmann, der gerade an einem Film über die NVA arbeitet, ein DDR-Musical auf die Beine stellen würde, dann könnte das vielleicht am Markt funktionieren. Auch "Sonnenallee" war so ein raffinierter Wurf. Aber ein Bio-Pic, also einen biograpischen Film über Margot und Erich Honecker sehe ich zurzeit nicht.

Fehlt den West-Produzenten der Blick für den Osten?

Wir haben überlegt, ob nicht beim "Tunnel" alle Schauspieler aus dem Osten kommen müssten. Wir haben uns dann anders entschieden. Es sind Schauspieler aus dem Osten dabei, aber im Grunde gibt es den Unterschied Ost-West bei den Schauspielern nicht mehr - Gott sei Dank. Bei den Produzenten ist es anders. Viele Produktionsfirmen im Osten haben zu kämpfen.

Betreiben Sie nicht mit Ihren Bio-pics nicht Leichenfledderei? Die Personen aus Fleisch und Blut hinter den Geschichten interessieren Sie doch gar nicht.

Da muss ich heftig widersprechen. Beim "Tunnel" haben wir uns sehr sorgfältig vorbereitet. Hasso Herschel, der das Tunnel-Unternehmen damals geleitet hat, hat uns bei den Dreharbeiten beraten. Und wenn Sie unseren Film über die Oetker-Entführung nehmen, da hat uns Richard Oetker selbst die Persönlichkeitsrechte überlassen. Allerdings unter der Bedingung, dass der Fall aus seiner Sicht geschildert wird und nicht etwa aus der Perspektive des Entführers. Dieses Vertrauen ist etwas Besonderes, ich gehe als Produzent sorgfältig damit um. Spekulativ im Sinne von reißerisch ist da gar nichts.

Was macht die Bio-Pics zum Renner?

Das hat mit einer ungeheuren Orientierungslosigkeit bei den TV-Movies zu tun. RTL-Chef Gerhard Zeiler ist zum Beispiel der Ansicht, es sei im TV-Movie-Bereich einfach schon alles einmal erzählt worden. Und er hat Recht. Wir haben doch in den letzten Jahren alle Spielarten von TV-Fiktion gesehen. Da kommen die Bio-Pics gerade recht. Weil sie die Rückkehr ins wirkliche Leben, zum wirklichen Menschen versprechen. Alles stimmt, alles ist authentisch.

Wollen Sie uns einen neuen Trend einreden?

Es gibt diese neuen Trends. Die Wiederbelebung der Quiz-Show zum Beispiel hat etwas mit der Sehnsucht nach der Familie, nach Geborgenheit zu tun. Bei Günther Jauch sitzt wie vor 30 Jahren wieder die ganze Familie vor dem Schirm.

Zurück in die Zukunft. Wann werden wir die ersten Bio-Pics über den Zweiten Weltkrieg sehen?

Mich stört ein bisschen, dass Sie offenbar den Eindruck erwecken wollen, der Oetker-Film oder der "Tunnel" wären spekulatives Programm. Ich engagiere mich tausend Mal lieber für Produktionen mit realem Hintergrund als für reißerische Fiktion.

Herz und Schmerz, Leiden und Wahrheit. Das neue deutsche Fernsehen?

Die Leute wollen tatsächlich wieder wärmere, persönlichere Geschichten. Fernsehen wird überspitzt gesagt zu einer Art von Heimat. Nicht nur bei der Quizshow, eben auch beim fiktionalen Erzählen.

Herr Hofmann[was erwartet uns im Fernseh-Jahr 200]

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