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Update

Notbremse: Im Visier

Der Politikchef des People-Magazins „Bunte“ musste wegen angeblich unlauterer Recherchemethoden gehen - welcher Politiker ausgespäht werden sollte, blieb im Dunkeln. Später ist der Journalist vom Verlag rehabilitiert worden.

Die Geschichte ist brisant: Es soll um Sex-Partys, Drogen und Aufputschmittel gehen, 2000 Euro hat der anonyme Informant angeblich bereits erhalten, unter anderem für den Kauf einer Kamera, um den Politiker in einer verfänglichen Situationen für das Heft abzulichten.

Hier geht es nicht etwa um einen neuen Skandal von Rupert Murdochs Zeitung „News of the World“ – sondern um das deutsche Magazin „Bunte“. Politikchef Tobias Lobe und eine Redakteurin sollen geplant haben, eine strafrechtlich relevante Information über einen Politiker mit Hilfe unlauterer Methoden zu recherchieren. Beide Redakteure sind deshalb jetzt entlassen worden. Sie sollen ohne Wissen der Chefredaktion gehandelt haben.

„Wir haben sofort und auch hart durchgegriffen, denn es bestand die Gefahr, dass journalistische Standards nicht eingehalten werden“, sagt „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel. Die Recherchen seien noch in der Vorbereitungsphase gestoppt worden, so dass „kein Schaden“ zum Nachteil des betroffenen Politikers entstanden sei. Bereits am 5. Juli sei ein umfangreiches internes Verfahren eingeleitet und die Rechts- und Personalabteilung eingeschaltet worden.

Rund 20 Mails soll die Redakteurin mit dem anonymen Informanten über das Ausspäh-Projekt getauscht haben. Lobe, der bei der „Bild“ arbeitete und seit 2009 als Politikchef auch Mitglied der „Bunte“-Chefredaktion war, sei in diesem Fall der verantwortliche Redakteur gewesen. Er soll nicht nur die Planung des Projekts toleriert, sondern auch Geldzahlungen an den Informanten bewilligt haben.

„Das Sozialverhalten von Leitfiguren ist Thema für die Gesellschaft“

Es ist nicht das erste Mal, dass die „Bunte“ in Zusammenhang mit unlauteren Recherchemethoden gebracht wird. Erst im Februar 2010 hatte der „Stern“ berichtet, dass die Berliner Agentur CMK das Privatleben von Spitzenpolitikern ausspioniert beziehungsweise dies geplant haben soll, den Rechercheauftrag habe die „Bunte“ gegeben. Unter anderem soll der Briefkasten von der inzwischen mit dem SPD-Politiker Franz Müntefering verheirateten Michelle Müntefering manipuliert worden sein. Sowohl die Agentur als auch die „Bunte“ wiesen die Schuld von sich. Die „Bunte“ gewann mit einer Klage vor dem Landgericht Hamburg gegen den „Stern, der nun nicht mehr den Eindruck erwecken darf, dass die „Bunte“ von den angeblich unlauteren Methoden der Agentur gewusst habe. Allerdings: Der Kern des „Stern“-Artikels blieb vor Gericht unbestritten. Riekel versichert jedoch: „Nicht im Ansatz dulden wir Recherchemethoden, die sich nicht im Rahmen des deutschen Pressekodex bewegen. Das gilt nicht nur für unsere angestellten Redakteure, sondern auch für freie Mitarbeiter.“ Bevor Lobes Fall bekannt wurde, hatte Riekel am Donnerstag allerdings im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Das Sozialverhalten von Leitfiguren ist Thema für die Gesellschaft.“

Viele Politiker gehen mit Boulevardblättern eine Art Tauschgeschäft ein. Sie sprechen über Privates, bekommen dafür Publizität. Nicht ohne Gefahr, wie Thomas Steg, früher Regierungssprecher und heute Politikberater, sagt: „Wenn ein bestimmter Bereich des Privatlebens in den Medien erst einmal preisgegeben wurde, ist es schwer, diesen wieder zurück zu erobern.“ Wer also in Wahlkampfzeiten mit Familienfotos punkten will, kann später kaum Veröffentlichungen von möglichen Eheproblemen verhindern. „Der Schutz des Privaten beginnt deshalb mit dem Schutz vor dem Privaten“, sagt Steg.

In der letzten von ihm mitverantworteten „Bunte“ ist ein Gespräch zwischen Lobe und Frank-Walter Steinmeier veröffentlicht. Der SPD-Fraktionschef spricht über seine Diät, seine Rolle als Familienvater und seine Nierenspende an seine Frau Elke Büdenbender. Gezeigt wird Steinmeier, wie er mit einem Rettungsring im Arm im Berliner Wannsee steht, daneben die Überschrift: „Sind Sie reif für die Insel?“ – eine Woche nach dem Massaker in Norwegen eher unpassend.

Einigung mit Burda

Lobe zog gegen seine Entlassung jedoch vor Gericht - und erzielte eine außergerichtliche Einigung. Burda verschickte im Oktober 2011 folgende Stellungnahme:

„Der Verlag Hubert Burda Media hat die Vorwürfe gegenüber dem ehemaligen Ressortleiter Politik, Tobias Lobe, wegen möglicher fragwürdiger Recherchemethoden bei Bunte eingehend geprüft. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Herr Lobe die von einem außenstehenden Informanten vorgeschlagenen unlauteren Recherchemethoden weder initiiert noch befürwortet hat. Gemeinsam mit der Chefredaktion hat Herr Lobe eine schwierige Recherche in einem frühen Stadium gestoppt, bevor jemand zu Schaden kommen konnte.

Der Verlag und die Chefredaktion bedanken sich ausdrücklich bei Herrn Lobe für seine Verdienste. Die Chefredakteurin von Bunte, Patricia Riekel, bedauert den Verlauf der Entwicklung ausdrücklich, vor allem vor dem Hintergrund von über fünf Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit. Der Verlag hat sich mit Herrn Lobe im besten Einvernehmen verständigt und wünscht ihm für seine berufliche Zukunft weiterhin viel Erfolg und privat alles Gute.“ Sonja Pohlmann

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