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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

© dpa

Novelle des Wettbewerbsrechts: Gabriel nimmt die Presse ran

Der Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums erleichtert Kooperationen zwischen Verlagen, schleift aber den journalistischen Quellenschutz.

Für Zeitungsverleger sieht die im Haus von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) derzeit geplante neunte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) günstig aus. Künftig soll es ihnen gestattet sein, trotz Kartellverbot wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten, etwa im Anzeigen- und Vertriebsgeschäft. Nur redaktionelle Kooperationen bleiben tabu. Weniger bekannt ist, dass an anderer Stelle massiv in den journalistischen Quellenschutz eingegriffen wird – aus Sicht von Experten ohne jede Notwendigkeit.

Es geht dabei um Schadensersatzprozesse wegen Kartellverstößen. Unternehmen, die durch verbotene Abreden ihrer Konkurrenten Nachteile erlitten haben, sollen ihre Ersatzansprüche vor Gericht künftig erleichtert durchsetzen können. Damit wird eine EU-Richtlinie umgesetzt. Firmen sind dann verpflichtet, bei solchen Prozessen „Beweismaterial“ offenzulegen oder Auskünfte zu geben. Verweigert werden darf dies nur, wenn sich Betroffene auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, wie etwa Geistliche oder eben Journalisten.

Dabei belässt es die geplante Umsetzung der Richtlinie allerdings nicht. Danach können Journalisten gezwungen werden, ihre Recherchen dem Gericht vorzulegen, damit dieses beurteilt, ob es als „Beweismittel“ verwendet werden kann. Rechtsanwälte sollen davon ausgenommen sein – nicht aber Journalisten. Dabei könnte auch ihr Material in solchen Verfahren eine Rolle spielen, wenn sie über exklusives Firmenwissen verfügen. Sie wären dann „im Besitz von Beweismitteln“, wie es das Gesetz verlangt, die sie zwar nicht dem Anspruchsteller, aber dem Gericht darzulegen hätten. Eine vergleichbare Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts findet sich bisher nur bei strafrechtlichen Ermittlungen wegen Taten von erheblicher Bedeutung. Um welche Dimensionen es bei Kartellsachen gehen kann, zeigt das Bußgeld der EU-Kommission für Lastwagenhersteller. Rund drei Milliarden Euro sollen sie wegen unzulässiger Absprachen zahlen.

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) protestiert: Die „verborgene, aber gleichwohl vorgesehene Relativierung des Zeugnisverweigerungsrechts wird abgelehnt“, heißt es in einer Stellungnahme zu dem Gesetz, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Potenzielle Informanten würden ihre Kenntnisse nicht weitergeben, wenn sie sich nicht darauf verlassen könnten, dass die Journalistinnen und Journalisten ihre Quellen nicht preisgeben“. Die wichtige Aufgabe der Journalisten, Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen, sei massiv gefährdet, wenn Informanten befürchten müssen, dass ihre Informationen durch Offenlegungspflichten oder gerichtliche Anordnungen personalisiert werden könnten. „Der vorgesehene Schutz der journalistischen Berufsgeheimnisse genügt nicht“, lautet das Fazit des DJV. Dass laut Richtlinie Rechtsanwälte besonders zu schützen seien, bedeute nicht, Journalisten diesen Schutz versagen zu müssen.

Das Ministerium hält die Sorgen für unbegründet

Gabriels Ministerium hält die Befürchtungen für übertrieben. „Eine Konstellation, in der ein Journalist zur Herausgabe von Informationen verpflichtet wäre, ist praktisch kaum vorstellbar“, teilen die Beamten mit. Darüber hinaus sei der journalistische Quellenschutz durch die vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen im Einzelfall hinreichend gewährleistet. „Insofern ist der journalistische Quellenschutz nicht gefährdet.“ In der Abwägung werde zudem zu berücksichtigen sein, dass Beweismittel in der Regel einfacher und zielgerichteter bei den Parteien selbst oder anderen Unternehmen beschafft werden könnten. Die Herausgabe von Beweismitteln durch Journalisten werde schon deshalb nicht erforderlich sein, meint das Ministerium. Ein weiteres Verweigerungsrecht über das der Anwälte hinaus würde zudem gegen die Richtlinie verstoßen.

Ob das zutrifft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Prinzipiell ist es nationalen Gesetzgebern unbenommen, in begründeten Fällen über die EU-Anordnungen hinauszugehen. Die Chance zum Nachbessern hätte Gabriel noch, der durch die vorerst gescheiterte Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka angeschlagen ist. Derzeit laufen die Stellungnahmen der Verbände zum Gesetzentwurf im Ministerium ein. Der Entwurf soll zügig ins Kabinett. Auch wenn er in dieser Form nachteilig für Journalisten sein mag, die Verlage haben großes Interesse daran. Jost Müller-Neuhof

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