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Medien: Nur noch Buddhisten-Witze

Wie die deutschen Satire-Magazine in ihren neuen Heften mit dem Karikaturenstreit umgehen

„Wir wollen das Gleichgewicht wieder herstellen“, sagt der Chefredakteur. Thomas Gsella, verantwortlich für den Inhalt von Deutschlands bekanntestem Satiremagazin „Titanic“, klingt gehetzt. Das neue Heft muss fertig werden, am Freitag kommender Woche soll es am Kiosk liegen, und alle Welt will mit ihm reden. Der Karikaturenstreit, natürlich. Und die bang-hoffnungsvolle Frage: Setzt „Titanic“, wie so oft, noch einen drauf? „Wir werden sie alle verletzen“, kündigt Gsella an. „Juden, Christen, Hindus und Buddhisten.“ Und die Moslems? Die fehlen. „Das ist ein Versöhnungsangebot“, sagt Gsella.

In der neuen Ausgabe des Frankfurter Satiremagazins wird es keine Karikatur über den muslimischen Glauben geben. Geplant sei stattdessen eine Art Gegenprogramm zu den Mohammed-Cartoons der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“, „um zu zeigen, dass hierzulande keine Religion vor Satire sicher ist“, sagt Gsella. Auf über zehn Seiten will sich „Titanic“ dem Thema widmen, unter anderem mit einem ernsthaften Essay zum Thema Islamismus und einem Artikel über die Geschichte der Mohammed-Witze in der abendländischen Kultur.

Dass ausgerechnet die „Titanic“ den aufgebrachten Mullahs die Hand ausstreckt, ist überraschend. Harald Schmidt, ja, der ist inzwischen öffentlich- rechtlich weich gespült. Aber „Titanic“? Das am häufigsten verklagte Satireblatt der Republik hat in der Vergangenheit vor nichts und niemandem gebuckelt, schon gar nicht vor religiösen Eiferern. Muss Satire nicht gerade den am dollsten schlagen, der Zeter und Mordio schreit?

Anruf bei Martin Sonneborn. Der ehemalige „Titanic“-Chefredakteur, der heute das Hauptstadtbüro leitet, hat eine Partei gegründet, die sich für die erneute Teilung Deutschlands einsetzt. In Sachen Satire gilt er als kompromisslos. Wenn man ihn reden hört, bekommt man den Eindruck, da hätte jemand gerne fester draufgehauen: „In so einem Fall müsste man sich eigentlich an die Spitze des Protests stellen“, sagt er. Dann kündigt er an, dass das Hauptstadtbüro, also er, an einem eigenen „Heiligen Krieg gegen Island“ arbeite. Island? „Die wissen doch eh nicht, wo Dänemark liegt.“ Von Sonneborn stammt auch die Idee mit dem Auto-Aufkleber im neuen Heft. „Bin Nazi – kein Däne!“ steht darauf, darunter ein Smiley mit Hitlerbart. Sonneborn ist sich sicher: „Damit können wir die Sympathie der Araber zurückgewinnen.“

Versöhnungsangebote hin, Aufkleber her: Wie ernst die Satiriker aus Frankfurt die aktuelle Bedrohung für ihre Zunft nehmen, verrät ein einziger Satz Thomas Gsellas am Ende des Gesprächs mit dieser Zeitung. Auf die Frage, welche Karikaturisten für das nächste Heft gezeichnet haben, nennt er zuerst die Namen, rudert dann aber wieder zurück: „Ich möchte die Namen unserer Zeichner lieber doch nicht in der Zeitung lesen.“

Das Magazin „Pardon“ wollte in seiner neuen Ausgabe erst ganz auf Karikaturen verzichten – nicht aus Vorsicht, sondern als satirische Maßnahme. Aber wegen der hitzigen Diskussion entschied sich Chefredakteur Bernd Zeller für das Gegenteil. Zwar prangt auf dem Cover der am Montag erscheinenden Ausgabe ein Button mit der Aufschrift „Aus Rücksicht auf unsere Familien: keine Mohammed-Karikaturen“. Doch über das ganze Heft verteilt gibt es Cartoons mit Selbstmordattentätern drauf. Der Selbstmordattentäter ist seit Jahren ein beliebtes Motiv in „Pardon“. „Das ist bei uns schon ein Running Gag. Aber wir machen nur die Gewalttäter runter“, sagt Zeller, nicht den Propheten. Auch Zeller hat wenig Zeit für das Gespräch. Er muss gleich im MDR-Fernsehen auftreten. Satiriker sind zurzeit gefragte Interviewpartner. Es sei ein Fehler, sagt er hastig, dass die Diskussion auf die Religion verlagert werde. „Sie hat damit nichts zu tun.“ In der neuen „Pardon“-Ausgabe kommt der Prophet Mohammed in Kurzmeldungen vor – es wird zum Beispiel erklärt, warum der Name Mohammed so beliebt ist: weil man Mohammed nicht abbilden darf.

Sein Magazin, sagt Zeller, der selbst Karikaturist ist, sei „viel schärfer“ als die umstrittenen dänischen Zeichnungen: „Es ist eine Beleidigung, dass uns noch niemand bedroht hat.“ Auch in Zukunft will er sich nicht einschränken. Es sei sowieso unkalkulierbar, was welche Reaktionen hervorrufe. Provokant Gemeintes gehe oft unter. Harmloses werde hingegen falsch verstanden – je nach Interessenlage, sagt Zeller. „Wenn man anfängt zu überlegen, ob man sich etwas trauen darf oder nicht, kann man es gleich bleiben lassen. Dafür habe ich nicht gegen die DDR protestiert.“

Am zurückhaltendsten ist der „Eulenspiegel“, der ebenfalls diese Woche Redaktionsschluss hatte und am kommenden Donnerstag erscheint. Zwar thematisiert das Cover mit einem ganzseitigen „Dannebrog“ und der Olsen-Bande die Debatte. Und Klaus Stuttmann, der die unter Iranern umstrittene Karikatur für den Tagesspiegel zeichnete, kommentiert mit drei Zeichnungen den Streit und seine eigene Situation. Das war es dann. Der „Eulenspiegel“ habe sich aber nichts „verkniffen“, sagt Verlagsleiter Jürgen Nowak, man fühle sich auch nicht unter Druck. Der Redaktionsschluss habe vor dem Höhepunkt der Affäre gelegen. Deren Ausmaß sei nicht absehbar gewesen. Außerdem sei der Konflikt zu verworren und polemisch, um ihn satirisch aufzuarbeiten: „Das alles ist von Interessierten so irrational aufgeheizt – worüber wollen wir uns da lustig machen?“

Und Satiriker sind auch nicht immer mit Karikaturisten solidarisch. Nowak jedenfalls distanziert sich von den „Jyllands-Posten“-Zeichnern: „Nicht jede Bosheit fällt unter Meinungsfreiheit“, sagt er, „die haben simpel Vorurteile bedient.“

Fabian Grabowsky, Marc Felix Serrao

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