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Offenbarung: „Was, wenn wir die Kontrolle verlieren?“

„Im Bett mit Paula“: Frau Lambert redet in ihrer Sendung auf ZDFkultur mit Männern über Sex. Nicht mit Frauen, die gackern zu viel.

Frau Lambert, „Im Bett mit Paula“ heißt Ihre erste Fernsehsendung. Schrecklich verruchter Titel, oder?

Wahnsinnig verrucht. Die vollkommene Provokation, wenn Sie so wollen. Oder eben nicht: Was könnte harmloser sein, als mit einem anderen Menschen im Bett zu liegen?

Welche Referenzen können Sie zu Ihrer Qualifikation vorweisen?

Nur das Leben selbst. Ist das zu viel oder zu wenig? Ich bin keine Wissenschaftlerin, aber ich darf ehrlich behaupten, dass ich nahezu alles schon einmal erlebt habe, zumindest alles, was mich als Gesprächspartner in zwischenmenschlichen Bereichen qualifiziert. Sex ist ja nicht nur Wer-macht-was-bei-wem. Sexualität kann alles sein, was zwischen zwei Menschen geschieht – auch ein verbaler Austausch. Erotik, also dieses Plastikgedöns mit Vibratoren und Bondage und Swingerclubs, das interessiert mich im Grunde nicht. Sexualität aber schon. Was macht das mit uns, was geschieht mit uns, wenn wir Kontrolle verlieren? Dafür kann ich mich nachhaltig begeistern.

„Im Bett mit Paula“ läuft bei ZDFkultur. Der Sender ist mit Sexfragen bislang so auffällig geworden wie das Mutterprogramm ZDF mit Handreichungen zum Dildogebrauch. Wie also kam's dazu?

Die Redakteurin kam zu einer meiner Lesungen und sagte: Die will ich. Warum das so ist? Sexualität ist ja auch Kultur. Wo sexuelle Unfreiheit herrscht, findet die Barbarei fruchtbaren Boden. Aufgeklärtheit bedeutet, Dinge in allen Bereichen zu hinterfragen und Veränderungen zuzulassen. Sich selbst und den eigenen Wünschen eine Chance zu geben. Darum sind die Preußen auch so verklemmt. Zu sich selbst zu stehen, liegt einfach nicht in unserer Kultur.

Die Ausgangssituation ist immer die gleiche: Sie empfangen in einem Bett der Hauptstadt hintereinander zwei Männer zum Gespräch über 30 Minuten. Was wollen Sie wissen?

Alles. Ich mag es, wenn Menschen mir Geheimnisse preisgeben. Das füttert mein Ego, nehme ich an. Das Geheimnis an sich juckt mich gar nicht so sehr, als vielmehr der Umstand, den anderen dahin gebracht zu haben. Das ist mal gut, mal miserabel gelungen. Es geht aber gar nicht darum, die Gesprächspartner verbal zu entkleiden. Tatsächlich ist das Ganze eher ein Versuch, Intimität herzustellen, die in gängigen Talkshows nicht erreicht wird. Dann wiederum ist es keine Talkshow, sondern eher ein Zwiegespräch. Für jede Information bekommt der Partner eine von mir zurück. Gerechtigkeit muss sein.

Ihre Gäste haben entweder eine gewisse Prominenz wie Schauspieler Constantin von Jascheroff oder Moderator Nilz Bokelberg, oder sie gehen Professionen nach, die für interessante Offenbarungen stehen, also Türsteher, Dragqueens, Pornoregisseure. Was spricht gegen die Sexbeichten von Hans und Franz?

Gar nichts. Hans und Franz sind ebenso interessant, aber schwerer einzuschätzen. Sie dürfen zudem nicht vergessen, dass ich noch nie eine Sendung geleitet habe und es mit Medienprofis leichter ist. Dachte ich zumindest. Mit Schauspielern war es dann doch schwer, die sind so gehemmt, und man hört die Schere im Kopf klappern: Darf ich das sagen? Wird mein PR-Berater jetzt wütend?

Sie reden mit Männern über Männer, aber für Männer und Frauen, richtig?

Richtig. Wir haben uns aber für männliche Gesprächspartner entschieden, weil dann eine natürliche sexuelle Spannung gegeben ist, übrigens auch mit homosexuellen Gästen. Mit Frauen läuft man doch Gefahr, dass das Gespräch schnell zu einem Freundinnenplausch über ulkige Liebhaber wird. Zu viel Gegacker ist schon in einem natürlichen Umfeld kaum zu ertragen.

Frauen bleiben aus welchem Grund unterm Bett?

Ich könnte mir schon spannende Bettpartnerinnen vorstellen: Angela Merkel, die wäre sicher interessant. Oder Jil Sander. Die kämen aber nicht. Für die meisten ist über Sex sprechen, als würde man über Stuhlgänge parlieren.

Die Trilogie „Shades of Grey“ der US-Autorin E. L. James triumphiert in den Bestsellerlisten. Es geht um weibliche Sex-, speziell um Unterwerfungsfantasien. Ist das nicht ein deutlicher Hinweis, worüber Sie dringend mit wem reden sollten?

Absolut. Hausfrauenporno ist nach Vampirerotik the next big thing. Darum hat auch „9 ½ Wochen“ damals so gut funktioniert. Frauen fantasieren gerne über den starken Mann, der sie auf die Knie zwingt. Im echten Leben fühlt sich das allerdings unangenehm an, so zu leben, wäre ziemlich dämlich, denn sich selbst zu lieben und zu achten, dazu sollte man schon in der Lage sein auf dieser Welt.

Nach einer ersten Inansichtnahme von „Im Bett mit Paula“ darf festgestellt werden: Die Einsichten über Sex könnten auch bei „Markus Lanz“ gebeichtet werden. Nix dagegen, aber wo bleibt das Einmalige?

Möchten Sie nicht mit mir im Bett liegen? Im Ernst: Es geht gar nicht darum, das große Geständnis zu verbreiten. Es geht darum, Intimität zu schaffen und aus dem Gesprächspartner Dinge zu locken, die ihn zu dem Menschen machen, der er ist. „Markus Lanz“ und Co. sind Promotionveranstaltungen, mehr nicht.

Schon Ihr Name, Frau Lambert, ist ein Pseudonym. Wie viel Fake steckt noch in Ihrer Rolle? Sie müssen ja die unsagbar erfahrene Bescheidwisserin geben.

Ich habe mich irgendwann entschieden, die Wahrheit zu sagen. Witzigerweise ging das am besten, in dem ich einen Cut machte und mich neu gebäre. Das ist ein zutiefst narzisstischer Akt, der mir sehr gutgetan hat. Paula Lambert ist immer ehrlich. Und diese Ehrlichkeit leben zu können, ist ein großes Glück für mich.

Die ersten sechs Ausgaben sind produziert. Was funktioniert, was nicht?

Teilweise konnte ich vor Aufregung meine Schlagfertigkeit nicht so ausspielen, wie ich es gerne getan hätte. Mit schnellen Antworten die Leute auf eine andere Ebene führen, so dass sie die Kontrolle aufgeben müssen, das fördert sehr viel Aufregendes zutage. Bei einigen Gästen bin ich gnadenlos gescheitert, weil ich während des Gespräches gemerkt habe, dass wir im Grunde nichts miteinander anfangen können. Jemand wie Thomas Gottschalk, der das seit 40 Jahren macht, kann die Spannung dann halten. Ich bin Neuling und kann das dann nicht immer. Ich bin auch gespannt, ob das Format zu nüchtern ist für den Zuschauer. Man sieht ja nur das Bett, mich und den Gast. Ich kann mir vorstellen, dass das einigen zu heruntergestrippt ist. Und bis auf einen Gast zieht sich niemand aus. Worüber ich allerdings froh bin. Mit den meisten Menschen auf dieser Welt will ich lieber nicht nackt im Bett liegen.

Das Interview führte Joachim Huber.

Paula Lambert, 38, ist Autorin und Kolumnistin. Sie schreibt über Sexualität, ab kommenden Sonntag spricht sie auch darüber. In sechs Folgen „Im Bett mit Paula“, bei ZDFkultur, 22 Uhr.

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