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Medien: Ohne Einigkeit und Recht und Freiheit

Die Sender haben alles geregelt: Das Studio ist blau, die Signallampe orange, und Maybrit Illner darf kein Rot tragen

Von Joachim Huber

und Ulrike Simon

Üben durften die beiden schon einmal. Am 4. Juli, als Kanzler Gerhard Schröder und Herausforderer Edmund Stoiber den Chefredakteuren von „Bild“ und „Bild am Sonntag“ das erste gemeinsame Interview gaben. Im Originalton, ohne nachträgliches Hinzufügen oder Weglassen von Gedanken, wurde das „Print-Duell“ über mehrere Tage hinweg in den beiden Boulevardzeitungen abgedruckt.

Am kommenden Freitag wird die nächste Stufe gezündet. Wieder duellieren sich die beiden Kandidaten, die Gesprächspartner sind diesmal die Chefredakteure Wolfram Weimer von der „Welt“ und Hans Werner Kilz von der „Süddeutschen Zeitung“. Das Duell der beiden Qualitätszeitungen findet auf „SZ“-Gebiet statt, wenn auch in den Berliner Redaktionsräumen der Münchner Zeitung, direkt über dem von Schröder gern zum Schnitzel-Essen besuchten Promi-Lokal „Borchardt“ in der Französischen Straße. Was die zwei Journalisten gefragt und die beiden Kanzlerkandidaten geantwortet haben, ist in der Woche darauf, am Dienstag, den 13. und Mittwoch den 14. August, wortgleich in beiden Zeitungen nachzulesen.

Gesagt dürfte dann vieles sein, vielleicht aber noch nicht alles, garantiert aber noch nichts vor laufenden Kameras. Denn am 24. August startet Teil 1 des so genannten „Fernsehduells“ zwischen Stoiber und Schröder. RTL und Sat 1 machen den Anfang, am 8. September sind ARD und ZDF dran.

Drei Studios standen für den Termin am 24. August zur Auswahl: Adlershof, Babelsberg und die Berliner Union-Film in Tempelhof. Den Zuschlag erhielt Adlershof, das Studio Berlin. Das 2400 Quadratmeter umfassende Großraumatelier G hat Studio Berlin den Auftrag verschafft, da ist Platz für die erwarteten 300 Journalisten, für das Catering, dort ist die geforderte Sicherheit am ehesten zu gewährleisten. Auf eine Großleinwand im Studio G werden die 75 Minuten Kanzler gegen Kandidat übertragen. Momentan wird in Studio Adlershof der Schauplatz der Duelle eingerichtet. Nach Angaben von ZDF- Chefredakteur Nikolaus Brender ist der prägende Farbton „ein kühleres Blau“, an der Studio-Rückwand wird das Plakat „TV-Duell“ vor strukturiertem Hintergrund hängen. Der Bauplan sieht vor, dass die Duellanten frontal in die Führungskamera, ins Auge des Fernsehzuschauers, blicken. Kanzler und Kandidat stehen, die Moderatoren sitzen. Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (Sat 1), das Premieren-Paar, rahmt ebenso wie zwei Wochen später das Duo Sabine Christiansen (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) die beiden Politiker. Stoiber und Schröder stehen im Zentrum des Geschehens, eine konzentrierte Atmosphäre soll sich vermitteln. Die Moderatoren werden mit dem Rücken zum Publikum platziert.

Bei diesem Eröffnungsbild wird es nicht bleiben. Acht Kameras stehen im Studio, auf jeden Diskutanten, auf jeden Moderator wird permanent eine Kamera gerichtet sein. Die Starre der Anordnung wird auf diese Weise in ein bewegtes Fernsehbild aufgelöst. Regisseur ist Volker Weicker, der zuletzt für die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaften in ARD und ZDF verantwortlich zeichnete und für seine Leistung während der RTL-Sendung am 11. September einen Adolf Grimme Preis bekam. Ein Mann, der das Live-Fernsehen beherrscht und prägt. „Wir wollen keinen Box-Wahlkampf, kein gleißendes Licht, die Übertragung soll sein wie die Anlage der Sendung selbst: so seriös und so schlicht wie möglich“, sagt Brender.

Die „Fernseh-Duelle“ gehören zu den TV-Highlights des Jahres. Da wird nicht, da darf nicht gespart werden. Auf 600 000 Euro belaufen sich die Produktionskosten beider Sendungen. Für klassische Studio-Produktionen ist das eine horrende Summe.

Beide Sendungen beginnen um 20 Uhr 15. Allerdings nicht mit der Nationalhymne, wie dies RTL-Chefredakteur Hans Mahr, seines Zeichens Österreicher, vorgeschlagen haben soll. Stoiber und Schröder wussten dies zu verhindern. Zu Beginn wird das Fernsehpublikum in zwei, drei Minuten über die Regeln informiert. Die wichtigste: Pro Frage hat ein Politiker maximal 90 Sekunden Zeit zur Antwort. Wird die Redezeit überschritten, leuchtet eine orangefarbene Lampe auf. Um ein dröges Frage-und-Antwort-Spiel zu verhindern, sind Nachfragen gestattet.

Laut ZDF-Chefredakteur war sogar daran gedacht, „mehrere Diskussionsinseln“ in die jeweils 75 Minuten zu implantieren. Die Idee wurde verworfen. Die Moderatoren sind angehalten, zum selben Thema nur zweimal nachzufragen. Schröder und Stoiber werden die Sachgebiete kennen, auf die sich die Fragen konzentrieren werden. Die Moderatoren eines TV-Duells stellen ihre Fragen abwechselnd und über Kreuz. Die Annahme dass Illner nur Schröder, Christiansen nur Stoiber befragen würde, ist falsch.

Die zuvor gelaufenen Printduelle, die Sommer-Interviews, der Wahlkampf, alles lässt erwarten, dass Schröder und Stoiber das tausendmal Gesagte zum 1001. Mal sagen werden. Im Fernsehen geht es aber vor allem darum, wie etwas gesagt wird und aufgenommen wird, und wie sich das in der Mimik und Gestik des Gegenübers spiegelt. Den Spannungsbogen sieht Brender in folgender Herausforderung: „Schröder muss die Zustimmung zu seiner Person in die Zustimmung zu seiner Partei ummünzen, Stoiber die Zustimmung zur Union in die Zustimmung zu seiner Person.“ Außerdem, sagt Brender, werde es sicherlich Überraschungen geben. Dabei verweist er auf das Printduell in „Bild“ und „Bild am Sonntag". Da habe der Herausforderer den Kanzler vor die Herausforderung Deutsche Telekom gestellt. Danach musste Schröder reagieren, das „Sommer-Theater“ nahm seinen Anfang. Verlauf und Ausgang wurden dem Regierungschef nicht gutgeschrieben.

Ob es Unterschiede zwischen dem „privaten“ und dem „öffentlich-rechtlichen“ Duell geben wird? Ja, sagt der Chefredakteur des ZDF, die Sendung bei RTL und Sat 1 ist die Premiere, da wird die öffentliche Aufmerksamkeit höher sein. Andererseits liegt der 8. September, Termin des Duells bei ARD und ZDF, näher am Wahltermin am 22. September. Und der Wahlausgang ist ungewiss.

Wenn es im Wahlkampf so sehr um die Personen geht, mangels Inhalte mehr denn je, dürfte ein weiteres Detail vielleicht wahlentscheidend sein: die Kleiderfrage. Brender sagt, die Duelle werden samt und sonders von „strenger Eleganz“ geprägt sein. Dunkles Tuch ist bei den männlichen Teilnehmern ansagt. Und Sabine Christiansen, Maybrit Illner? „Ich erwarte Uni“, sagt Brender, „und ich erwarte nicht, dass Frau Christiansen ganz in Schwarz und Frau Illner ganz in Rot erscheint.“

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