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Am Arbeitsplatz. Thomas Gottschalk im Berliner Studio von „Gottschalk live“. Foto: dpa

© dpa

Medien: Panne

„Gottschalk live“ startet als Werbeblock mit angehängter Sendung.

Sensation! „Gottschalk live“ ist am Montag gar nicht gestartet. Der Zuschauer erlebte eine Probe des neuen Formats, die der ARD durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle auf den Bildschirm geraten ist. Passiert schon mal, auch dem besten deutschen Fernsehen.

Die 30 Minuten boten Hackepeter-TV. Erst einmal gab Gottschalk eine ausufernde Gebrauchsanweisung, was „Gottschalk live“ sein soll: Eine „Happy Hour“ ohne Euro-Rettungschirm, eine Wulff-freie Programmzone. Das hatte anders keiner erwartet, noch weniger, dass Gottschalk dann mit einer frei erfundenen Illustrierten-Geschichte auf Zuschauerfang ging. Danach soll er einen verarmten Verwandten in Polen mit Namen Jan Gottschalk haben. Thomas Gottschalk dementierte überzeugend. Aber wen interessiert das, wer muss das wissen? Steckte da eine geheime Warnung drin? Motto: Glaubt bloß nicht alle Geschichten, die über G. gedruckt werden. Redaktion und Moderator sollen jetzt bloß mal nicht glauben, dass das Publikum solche Nullnummern goutiert, nur weil Gottschalk sie präsentiert.

Beim nächsten Thema, der Trennung von Heidi Klum und Seal, durfte Hoffnung keimen. Thommy hatte Heidi 1992 in seinem damaligen RTL-Talk als Model entdeckt. Danach wurde Klum Deutschlands berühmteste Heidi und eine Freundin von Thommy. Aber ach, Gottschalk – überraschend nervös – wusste außer Fotos, die ihn mit Heidi zeigen, nur die schmale Erkenntnis zu transportieren: Die Ehe hätte nicht halten können. Wenn zwei Showkarrieren machen wollen, könne das nicht gutgehen. Echt?

In dem Stil ging es weiter, auch das Gespräch mit „Bully“ Herbig brachte keinen Aufschwung. Herbig spielt die Hauptrolle in Helmut Dietls neuem Film „Zettl“. Gottschalk findet daran alles und jeden „großartig“. Selbst das wenige erfuhr der Zuschauer auf Raten. Drei Spot-Unterbrechungen plus Wetterbericht häckselten selbst die brauchbaren Ansätze kurz und klein. „Gottschalk live“, das war ein Werbeblock mit angehängter Sendung.

Er werde das Fernsehen nicht neu erfinden, hatte der Meister angekündigt. Aber vielleicht sich selbst, vielleicht will er neues Gottschalk-TV machen? Nein, will er nicht. Die knappe halbe Stunde arbeitet mit dem Gottschalk-Repertoire. Der Showmoderator ist ins semi-journalistische Fach gewechselt. Der Zuschauer soll glauben, dass G. von den Sachen und Personen so viel versteht, wie er zu verstehen vorgibt. Das müsste zu schaffen sein, für die Sendung arbeiten insgesamt 60 Leute, davon allein 20 Redakteure. Die sollen den Frontmann hinreichend unterstützen, dass er journalistisch ondulierte Leichtigkeit glaubwürdig ins Publikum verkauft. Dazu braucht es aber einen Moderator, der sich wenigstens drei Zahlen, ein paar Fakten und Fragen merken kann und vom Ablauf der Sendung nicht dauernd überrascht wird. Gottschalk wirkte wie ein Gast, wo er doch Gastgeber sein soll. Live ist grausam, weil jeder Fehler, jede Schwäche sichtbar wird, doch eine Sendung nur mit Schwächen ist halt eine schwache Sendung.

„Gottschalk live“ präsentiert Hektik, was aufgerufen und verhandelt wird, kommt im aufgesetzten Parlando-Stil daher. Noch vor der „Tagesschau“ ist vergessen, was bei der Tagesshow Thema war. Und es wird schwer, dem Nicht-Gottschalk-Gucker zu erzählen, was er verpasst hat. Es bleibt nichts haften außer dem Eindruck eines wohnlichen Studios, das im Harald-Glööckler-Stil möbliert ist. Gottschalk selbst soll Hand angelegt haben. Keiner kann alles.

Bleiben zwei gewichtige Punkte: Unterhält „Gottschalk live“ und entwickelt die halbe Stunde darüber ihr eigenes Gewicht? Thomas Gottschalk will gute Laune verbreiten, für schlechte erklärt er sich nicht zuständig. Der Karo-Anzugträger ist die Pippi Langstrumpf im ARD-Programm. „Ich mach' mir die Welt, Widdewidde, wie sie mir gefällt.“

Aber so wie Pippi kein bisschen peinlich ist, muss auch der 61-Jährige nicht peinlich sein. Was er sein will: Tagesverarbeiter, Zuschauerbegleiter, TV-EscortService. Das war unser Tag, liebe Leute, und nun schauen wir mal drauf. Wenn „Gottschalk live“ allerdings eine Show zum Tage sein soll, dann fand dieser Tag am Montag nicht statt – außer bei „Gottschalk live“.

Wünschenswert wären echte Themen, Gespräche, die ansatzweise Gespräche sind, eine Dramaturgie, die der Produktion eine echte Chance gibt. Muss „Gottschalk live“ rein den ARD-Werbeeinnahmen dienen? Dann ist die Sendung schon am Ende, noch ehe sie begonnen hat. Außerdem ist sie dermaßen auf Gottschalk zentriert, dass sofort auffällt, wie sehr der Master unter „Sprechdurchfall“ leidet. Wahrscheinlich wird er nach Worten pro Sekunde bezahlt.

Die Premiere war Panne. Das wird sich ändern. Sie zeigt zugleich die Größe der Aufgabe, die vor Gottschalk liegt. Warum soll das Fernsehvolk, das beim ARD-Vorabend nicht zu Hause war, bei „Gottschalk live“ heimisch werden?

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