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Pferderennensaga: Vergeben heißt Vergessen

ProSieben wagt sich an eine Neuinterpretation von „Ben Hur“. An den Klassiker von William Wyler kommt sie nicht heran.

„Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Zwei Mal trifft Judah Ben Hur auf Jesus von Nazareth. Das eine Mal ist Ben Hur angekettet, als der Erlöser auf ihn zutritt, um ihm mit diesen Worten Trost zu spenden. Das andere Mal nimmt Ben Hur Jesus auf dem Kreuzweg nach Golgatha für eine kurze Zeit seine schwere Last ab. Berühmt geworden ist „Ben Hur“ jedoch für eine andere Szene: das spektakulärste Wagenrennen der Filmgeschichte.

Unter Beteiligung von ProSieben und vor allem auf Initiative von Dirk Beinhold, dem Chef der Berliner Akkord Film, entstand 2009 die internationale Koproduktion mit deutscher, amerikanischer, spanischer, kanadischer und marokkanischer Beteiligung. Gedreht wurde in Marokko. David Wyler, der Sohn von William Wyler (der bei der „Ben Hur“-Verfilmung von 1959 mit Charlton Heston Regie führte), war der ausführende Produzent des TV-Remakes. Das Budget fiel mit über 15 Millionen Euro ebenfalls recht üppig aus. Am Freitag strahlt der Münchener Privatsender den Dreistunden-Film aus.

Um Vergebung müssen die Produzenten der „Neuinterpretation des Welt-Erfolges“ ganz sicher nicht bitten, denn sie wussten genau, was sie tun. Das gilt auch für die Besetzung von Joseph Morgan als Judah Ben Hur. „Er ist kein Superman wie Charlton Heston. Niemand kann ein anderer Charlton Heston sein“, sagt Regisseur Steve Shill, der in Morgan eine Art Jedermann sieht. Allerdings spielt Morgan („Alexander“, „Master and Commander“, „Vampire Diaries“) streckenweise etwas blutleer. Wo Heston als Galeerensträfling sichtlich litt, wirkt Morgans Fron wie ein Besuch im Fitness-Studio.

Dem Wyler-Film von 1959 wurde unter anderem nachgesagt, das Motiv des Verrats sei eine Anspielung auf die Kommunistenhatz im Amerika der McCarthy-Ära gewesen, von der auch Hollywood nicht verschont geblieben war. Für Regisseur Steve Hill ist der Stoff aus einem anderen Grund nach wie vor aktuell: „Ben Hur ist heute noch relevant, denn es ist so einfach, in die alten Pfade der Rache, des Auge um Auge, zurückzufallen.“ Heute sei die Demokratie sehr zerbrechlich, das Gleiche gelte für ethische Grundsätze. „Unsere Geschichte handelt davon, dass man man immer versuchen muss, den schwierigen Weg von Vergebung und Gnade zu gehen.“

„Ben Hur“, das bleibt die Geschichte einer zerbrochenen Freundschaft, die zu Christi Lebzeiten in Jerusalem spielt. Der junge jüdische Aristokrat Judah Ben Hur wird von seinem Jugendfreund Messala verraten. Messala hatte einst mit ihm unter einem Dach gelebt, wurde dann aber im Geiste Roms erzogen und kehrt als Militär-Tribun nach Jerusalem zurück. Beim Einmarsch von Pontius Pilatus fällt ein Dachziegel von Ben Hurs Haus und verletzt den Statthalter. Obwohl unschuldig, schickt Messala den Freund auf die Galeeren. Jahre später kehrt Ben Hur als reicher Römer nach Jerusalem zurück. Er will sich an Messala für das rächen, was ihm und seiner Familie angetan wurde.

Bereits der Wyler-Film aus den 50er Jahren war ein Remake des Stummfilms von Fred Niblo aus dem Jahr 1925. Wyler setzte 50 000 Komparsen und eine Million Requisiten ein, um das Römische Reich lebendig werden zu lassen. Insgesamt 15 Millionen Dollar flossen in seinen „Ben Hur“. Der Film mit Charlton Heston und Stephen Boyd war nicht nur an der Kinokasse erfolgreich, erst über drei Jahrzehnte später gelang es mit „Titanic“ einem weiteren Film, ebenfalls elf Oscars einzuheimsen.

Bei allen Gemeinsamkeiten in der Figur von Ben Hur – der Roman des Generals und Politikers Lewis Wallace wurde bereits 1880 veröffentlicht – betont David Wyler die Unterschiede: Während die Handlung bei seinem Vater in Rom und Antiochia angesiedelt war, ist nun Jerusalem als multi-ethnischer Schmelztiegel der Ort des Geschehens. Und anders als in der früheren Verfilmung spielen die christlich-religiösen Aspekte eine geringere Rolle. Dafür bekommen die Wendungen der Charaktere ein größeres Gewicht.

Ben Hur, das ist ein Übermaß an großen Gefühlen, von Liebe und Hass, Freundschaft und Verrat, Habgier und Machthunger, aber auch Gnade und Vergebung. Das ist großes Kino, eine History-Soap kann dies nicht fassen. Die TV-Esther (Emily Vancamp) ist dafür zu brav. Pontius Pilatus (Hugh Bonneville) wird als dicklicher überforderter Mann dargestellt, der an seinem Posten klebt. Immerhin gelingt es Stephen Campbell Moore als Messala, seine Pein als ungeliebter unehelicher Sohn des römischen Senators Marcellus Agrippa (James Faulkner) glaubhaft darzustellen. Auch Esthers Vater Simonides (Simón Andreu) und Sheich Ilderim (Art Malik) lassen über andere Schwächen hinwegsehen.

Dazu gehört zum Beispiel der computergenerierte Kampf der Galeere mit drei Piratenschiffen, der unter den Möglichkeiten bleibt. So läuft alles auf das alles entscheidende Wagenrennen hinaus. Anders als in den 50er Jahren wurde das Rennen dieses Mal in einer natürlichen Kulisse einer Oase in der Wüste mit beweglichen Kameras aufgenommen. Das Rennen mit den von jeweils vier Heißblütern gezogenen Streitwagen ist damals wie heute der absolute Höhepunkt des Films. 700 Komparsen und 1000 Kostüme sowie acht Wochen Vorbereitungszeit sind auch fürs Fernsehen beachtlich.

Dennoch ist die Neuauflage von Ben Hur kein Meilenstein der Filmgeschichte. Außer dem Wagenrennen ist wenig monumental oder spektakulär. Angesichts der Vorlage war die Neuinterpretation doch zu gewagt. Ein Hauptthema von „Ben Hur“ ist Vergebung, hier kommt Vergessen dazu, denn von diesem Film dürfte wenig in Erinnerung bleiben. Für die Geldgeber bleibt der Trost, dass der Film in über 30 Länder verkauft werden konnte.

„Ben Hur“, ProSieben, 20 Uhr 15

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