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Erwarte nichts, und du wirst nicht enttäuscht werden. Mit dieser sächsischen Mentalität ist Götz Schubert groß geworden. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Porträt: Der Lachermacher

Theater ist Unterhaltung, sagt der Schauspieler Götz Schubert. Und ärgert sich über die Absetzung der ZDF-Serie „KDD“.

Götz Schubert hat seine Kinoleinwand selbst gebaut. Vier Hartfaserplatten, ein Überzug und ein Anstrich – nun hängt sie im Hobbyraum seines Hauses in Stahnsdorf. Fast jedes Wochenende laufen über einen großen Beamer Filme, mitunter bis in die Morgenstunden. Die Familie sitzt auf dem Sofa und das nächste Kino ist weit. Götz Schubert ist ein praktischer Typ. Warum in die Ferne schweifen, sieh', das Gute liegt so nah.

Zum Interview kommt der Schauspieler mit der S-Bahn. Sein Führerschein wurde gerade für vier Wochen eingezogen. Er ist zu schnell gefahren und hatte schon ein paar Punkte in Flensburg. Nun schlendert er den Schiffbauerdamm entlang, mit schwarzem Hut, leichtem Schal und Sonnenbrille. Es scheint, als hätte er sich seiner Umgebung angepasst. Ein bisschen Dichter, ein bisschen Bohemien, ein bisschen klassischer Held.

Ein wenig ist es so, als kehre mit ihm ein Stück alte Zeit zurück. Götz Schubert ist mit dem Berliner Theaterviertel verwachsen, er hat am Maxim-Gorki-Theater gespielt, am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble. Auf der Bühne hat Schubert seine größten Erfolge gefeiert. Die Gegend um den Schiffbauerdamm ist ihm vertraut. Hier sind wir verabredet. Mit seinem Charakterkopf fällt er auf. Kahler Schädel, große Nase, markantes Gesicht. So kennt man ihn auch als Kriminalkommissar Helmut Enders aus der ZDF-Serie „KDD – Kriminaldauerdienst“.

Viel ist über die Serie geschrieben worden, sie wurde mit Preisen überhäuft, aber trotzdem haben sie wohl nicht genug Menschen gesehen. Am 21. Mai läuft die letzte Folge. Ein wenig traurig ist Götz Schubert schon darüber, vor allem ist er verärgert. „Ich verlange ja nicht, dass sich alle Leute am Freitagabend Elend, Tod und Verbrechen angucken müssen. Aber es sollte doch mal eine Alternative geben, etwas anderes zu sehen als den gewöhnlichen Einheitsbrei der Kriminalermittlung nach dem Motto ,Wo waren Sie denn gestern Abend zwischen 20 und 22 Uhr?’“

Erst vor Kurzem war Götz Schubert in Hamburg in einer Apotheke gewesen. Dort erkannte ihn die Verkäuferin und erzählte ihm, dass sie und ihr Mann immer „KDD“ gucken. Für Leute wie sie würde er gern weitermachen. „Aber egal“, hakt er die Sache ab, „jetzt gibt es 30 schöne Teile in einer DVD-Box und ich kann sagen, ich bin dabei gewesen. Ich hoffe aber und wünsche, dass der ,KDD’ Folgen für die Serienkultur in Deutschland hat.“

Gerade das Schauspielerteam hat die Serie so besonders gemacht. Schubert spielt den Chef einer chaotischen Berliner Polizeidirektion als gutmütigen Vorgesetzten. Helmut Enders ist ein Mann, der versucht, die Welt ein Stück besser zu machen. Manchmal wirkt er wie ein alt gewordenes Kind in komischen Anzügen und mit einem hilflosen Blick. Er fühlt sich für sein Team verantwortlich, in seiner Harmoniebedürftigkeit fällt es ihm oft schwer, Entscheidungen zu treffen oder mit der Hand auf den Tisch zu hauen. Darin ist er Götz Schubert nicht unähnlich. Er sagt: „Ich bin auch niemand, der gleich mit den Dingen rausrückt, sondern ich quäle mich schon immer ein bisschen länger.“

Wenn Götz Schubert redet, fällt vor allem seine tiefe Stimme auf und der leichte sächsische Dialekt beim A und O. Er steht dazu. „Dialekte können viel erzählen“, sagt er. 1963 wurde der Schauspieler in Pirna, Sachsen, geboren. Sein drei Jahre älterer Bruder ist der Schauspieler Veit Schubert, Mitglied des Berliner Ensembles. Immer wieder musste er sich die Frage anhören, ob er mit seiner Berufswahl nicht nur seinem Bruder nachgeeifert hätte. Seine Familie sagte zu ihm: „Na, du bist ja ganz anders als der Veit, aus dir wird auch mal was ganz anderes.“

Götz Schubert konnte als Kind von allem etwas. Malen, musizieren, Gedichte aufsagen. Er war im Kinder- und Jugendtheater der Wismut-AG. Als Jugendlicher fuhr er oft nach Dresden ins Theater, wo er die „Maria Stuart“ mit Dagmar Manzel sah. Heimlich wusste er, dass er lieber im Rampenlicht statt im Schatten stehen wollte. Aber er konnte sich nicht dazu bekennen. Nach dem Abitur bewarb er sich zunächst als Bühnenbildner an der Kunsthochschule Weißensee. „Erwarte nichts und du wirst nicht enttäuscht werden“ – mit dieser sächsischen Mentalität ist er groß geworden. Er erklärt es so: Wenn jemand eine Milch mitgebracht haben möchte, fragt man in Sachsen normalerweise: „Und in den Milchladen gehst du nicht?“ Antwortet man mit Nein, ist das in Ordnung. Antwortet man mit Ja, ist die Freude doppelt groß. Mit dieser Haltung versuchte es Götz Schubert dann doch noch an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin-Schöneweide. Gleich die erste Aufnahmeprüfung hat er bestanden.

Götz Schubert erzählt von seiner ersten Begegnung mit dem Kapitalismus. Er kaufte ein Haus, das es nur auf dem Papier gab. Bevor es gebaut werden konnte, ging die Firma pleite. 20 000 Mark hat er in den Sand gesetzt, die er selbst nur geborgt hatte. Götz Schubert erzählt viel und er weiß, wie man Leute amüsiert. Das hat er von Bertolt Brecht gelernt, den er gerne zitiert, wie den Satz: „Theater ist in erster Linie Unterhaltung.“ Er ist ein Entertainer, im Leben wie im Spiel. Als er Mitte der 80er Jahre studierte, fragte ihn seine Klavierlehrerin, ob er nicht in ihrem Altersheim eine Veranstaltung moderieren könnte. Er trat vor lauter Senioren auf, hinter ihm an der Wand hingen die Konterfeis des Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, und seines Stellvertreters Willi Stoph. Um die Situation ein bisschen aufzulockern, wollte er einen Witz machen. Er benutzte die Sendung „TeleLotto“ als Vorlage, in der am Ende immer ein Notar die Ziehung der Zahlen beglaubigte. Götz Schubert sagte also: „Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie und den Notar der heutigen Sendung, Willi Stoph, recht herzlich zu unserem Abend.“ Niemand lachte. Später erfuhr er, dass vor ihm fast nur Parteifunktionäre gesessen hatten. Was er an dem Abend aber begriff, war, dass es für den Schauspieler immer eine Gefahr gibt, die einen zum Scheitern führen kann – das Publikum. Gerade das wurde seine größte Herausforderung.

Am Deutschen Theater hat er ab Mitte der 90er Jahre die Figur des Klaus Uhltzsch aus dem Nachwenderoman „Helden wie wir“ gespielt, den Mann, der mit seinem Glied die Mauer zu Fall brachte. Wer Götz Schubert in dieser Rolle gesehen hat, weiß, wozu er fähig ist. In dem Einpersonenstück ackerte und schuftete er, dass der Saal dampfte. Er gab 200 Vorstellungen in zehn Jahren. Danach wollte er noch einen draufsetzen und spielte im Maxim-Gorki-Theater den Shakespeare-Darsteller „Edmund Kean“, ebenfalls in einem Einmannstück. „Das war unglaublich erfolglos, aber mir hat's Spaß gemacht“, sagt er. „Ich stand da vor 60 Leuten und spielte einen Schauspieler, der die ganze Zeit davon spricht, dass ihn keiner sehen will. Das war schon absurd.“

Manchmal kommt es vor, dass seine Mutter ihn aus Pirna anruft und ihm erzählt, sie hätte gestern einen Film geguckt, in dem der und der Schauspieler mitgewirkt hat. Sie sagt dann oft zu ihrem Sohn: „Das kannst du ooch. Das hättste ooch spielen können.“ Götz Schubert weiß, dass er es kann. Er versteht sein Handwerk. Aber er weiß auch, dass es ein Unterschied ist, ob man seine Arbeit oder sich selbst verkauft. Er versteht es nicht, sich zu präsentieren. Er will es nicht verstehen.

„Ich tue ja nichts, außer meinen Beruf so gut wie möglich zu machen“, sagt er. Schubert scheut das Blitzlichtgewitter der großen Galas. Die Gier nach dem Schnappschuss ist ihm zuwider, aber er hätte kein Problem damit, jetzt auf die Straße zu gehen und zwischen lauter Passanten ein Gedicht zu rezitieren oder einen Monolog zu schmettern. Und natürlich würde er Applaus bekommen. Das ist ja auch ein Trost: Eine Krimiserie kann man absetzen, aber die Lust am Theatermachen, am Spielen überhaupt, kann ihm keiner nehmen.

Am 21. Mai läuft im ZDF die letzte Folge „KDD – Kriminaldauerdienst“.

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