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Porträt: Erneuerbare Energien

Nach dem Dreh steht er noch auf der Bühne: Der Berliner Schauspieler Samuel Finzi hat einen besonderen Rhythmus. Das ist nicht nur bei seiner Rolle als Ermittler Flemming im ZDF zu spüren.

Ein strahlend-sonniger Vormittag im Prenzlauer Berg. Samuel Finzi kommt in eines der wenigen Cafés, die noch nicht dem Total-Schick der Kastanienallee anheim gefallen sind. Und passt da auch ziemlich gut rein. Der Schauspieler steckt die Sonnenbrille ins Revers vom sportlichen Jacket, er wirkt etwas müde, verlegen. Ein bisschen wie auf Durchreise. Blick auf die Uhr. „Bin ich pünktlich?“ Ja, sicher. Finzi hatte am Abend davor Theatervorstellung. Und einen dreieinhalb-jährigen Sohn Zuhause, der aber, gottseidank, prächtig durchschläft.

Seit fast 20 Jahren hat der im bulgarischen Plowdiw geborene Schauspieler an fast allen großen deutschsprachigen Häusern gearbeitet, zurzeit vor allem am Deutschen Theater und der Volksbühne in Berlin. Auf die Medienseiten hat es Finzi mit der ZDF-Krimiserie „Flemming“ geschafft, die in der zweiten Staffel läuft. Wer sie noch nie gesehen hat: Der ermittelnde Polizeipsychologe Vince Flemming kann in jeder Mimik und Geste lesen, verunsichert gerne, weiß vieles besser, eine Art „Dr. House“ des deutschen Krimis. Genial-klug, hinreißend, finden das die einen. Andere sagen: nervig, der Flemming läuft jedem Rock hinterher, nicht nur dem seiner Ex-Frau und Kollegin Ann Gittel, gespielt von Claudia Michelsen.

Samuel Finzi fährt sich mit der Hand durch die Haare. Flemming, ein arroganter Typ? „Das haben wir geändert. Das war auch mein Anliegen. Ich habe da viel für mich als Schauspieler gelernt.“ Die Figur liefe Gefahr, unsympathisch zu werden. Jetzt sei Flemming poröser, selbstironischer, viel mehr im Dialog mit den Anderen. Klar, die Frage muss jetzt kommen: Wie viel Finzi steckte oder steckt in diesem Besserwisser Flemming? „In jeder Figur steckt etwas von dem Schauspieler drin“, sagt Finzi. Aber dieser Vergleich interessiere ihn nicht wirklich. Immerhin, sagt er, „ich bin einer, der schnell aufsaugt“. Nach acht Wochen „Flemming“-Dreh kann es passieren, dass Finzis Freundin abends Zuhause sagt: „Hör auf, dir meine Gedanken zu machen.“

Er kichert, seine grünen Augen werden zu Schlitzen. Finzi will wissen, wie man die neue Staffel findet. Tja, wie? „Flemming“ gehört auf den ersten Blick zu der Art Krimi, wo man zusammen auf dem Sofa sitzt, das Gespräch wird vom laufenden Fernseher untermalt, mittlerweile laufen ja oft mehrere Krimis hintereinander. Man unterhält sich, verfolgt das Treiben auf dem Bildschirm, dann hört man plötzlich den Stimmen zu, die da sprechen.

Man merkt: Das hier, „Flemming“, ist was Besonderes. Besonders nicht nur wegen der Bücher von Gregor Edelmann, besonders auch wegen Samuel Finzi, der den vorlauten Psychologen so zwingend spielt, als ob ihm die Rolle auf den Leib geschrieben wäre. Auch wenn von dieser Flemmingschen’ Chuzpe im Gespräch mit dem Journalisten wenig zu spüren ist. Klar, eine Rolle ist eine Rolle. Finzi erzählt, dass er beim Casting für den Part des Polizeipräsidenten vorgesehen war. Die Produktion entschied sich dann später für Finzi als Hauptfigur. Es scheint ihm nichts auszumachen.

Die erste Staffel mit sechs Folgen lief im letzten Jahr. Nun sind acht Folgen am Start. Finzi weiß von der Gefahr, auf Ermittler-Figuren festgelegt zu werden. Nebenbei ist er noch Pathologe bei „Bella Block“ und im Kieler „Tatort“. Er habe aber keine Sorge, wie „Derrick“ zu enden. „Da mache ich zu viele andere Sachen.“ Manchmal werde er einer Sache eben überdrüssig. Nachdem er viel Theater gespielt hatte, wollte er einfach mal aussteigen aus dem Rhythmus.

Manchmal will er auch beides. „Es ist oft so, dass ich nach einem anstrengenden Drehtag abends gerne eine Vorstellung spiele. Ich gehe auf die Bühne, weil es eine andere Art von Energie ist. Danach bin ich regelrecht high. Das säubert.“

Finzi wollte ursprünglich Dirigent werden, oder Diplomat, „Hauptsache was mit Reisen“. Wer Finzi im Theater gesehen hat, ahnt, was da auch für Unruhe, für Energien unterwegs sind. In „Am Beispiel des Hummers“ von David Foster Wallace springt er wie ein Derwisch über die Bühne. Frei nach dem Credo von „Volksbühnen“-Vater Castorf: Theater muss schmerzhaft sein. Regelmäßig Sport, wie es sich spätestens für Männer seines Alters empfiehlt, braucht Finzi bei derart intensiver Ausübung seines Berufs nicht. Im Februar ist er 45 geworden. Er reibt sich den Bauch, sinniert. „Die Hälfte des Lebens?“ Wie sich das anhört.

Man muss genau zuhören, wenn man mit Samuel Finzi spricht. Seine Stimme klingt fremd, wenn man sie vom Bildschirm gewohnt ist. Was wohl mehr am gestrigen späten Theater-Abend liegt als am bulgarischen Akzent, den er fast gar nicht mehr hat. Sein Vater ist ein berühmter bulgarischer Schauspieler, seine Mutter Pianistin. Finzi lebt seit über 20 Jahren in Deutschland, kam über Frankreich hierher. Er redet leise, legt im Gespräch öfters die Finger vor den Mund, als ob er sein Gegenüber zu erhöhter Konzentration zwingen wolle.

Oder zum Nachdenken über Klischees. Zuletzt war Finzi in Schlagzeilen geraten, weil er eine Kampagne mit dem Titel „Undurchsichtig“ für eine Versicherungsgruppe gemacht hatte. Zeitschriften, TV-Werbeblöcke, Plakate. Das fanden nicht alle Feuilletons gut. „O Gottogott.“ Finzi rutscht auf seiner Bank hin und her. „Okay, es war mir vielleicht nicht bewusst, wie massiv diese Werbung sein wird.Keiner regt sich über Jürgen Vogels Sparkassen-Werbung auf. George Clooney macht Filmchen für Nescafé.“ Außerdem stehe er ja nicht mit seinem Namen hinter der Versicherung, er spiele eine Figur. „Es wundert mich einfach, die Aufregung über diese Werbung, diese ständige Unterscheidung hierzulande zwischen E- und U-Kultur.“

Nur nicht in Schubladen, nicht in Klischees, weder mit Finzis’ Rolle in Til Schweigers Kinofilm „Kokowääh“, als „Ubukönig“ im Theater oder in „Flemming“. Wo es mit dem Polizeipsychologen hingehen könnte? Die Antwort kommt schnell. Ruhig „ein bisschen mehr in den Wahnsinn, in den Weltschmerz“. Erst mal dreht Samuel Finzi Kino, „Ludwig II“. Regie: Peter Sehr. Danach geht es raus aus dem Prenzlauer Berg, in den Sudan, zum Tauchen.

„Flemming“, immer freitags,

ZDF, 21 Uhr 15. Im Deutschen Theater ist Finzi wieder am 2. April zu sehen, in „Der Mann ohne Vergangenheit“.

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