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Karriere in Berlin. Marlen (links) und David Malaev sind zwei preisgekrönte junge Musiker. Foto: RBB/Jüdische Gemeinde zu Berlin

© rbb/Jüdische Gemeinde zu Berlin

Positive Geschichte: Deutschland tut gut

Ein Film bilanziert 20 Jahre Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion.

Von Susanna Nieder

Boris Rosenthal trägt Schnauzer und Krawatte, seinen Körper hält er kerzengerade. Als er vor 20 Jahren einwanderte, sei es nicht leicht gewesen, in Deutschland Fuß zu fassen: „Enttäuschungen jeden Tag und jede Stunde.“ Er habe erst mühsam lernen müssen, wie das System hier funktioniert.

Was Rosenthal, jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, nicht sagt: dass es schwierig sei, als Jude in Deutschland zu leben. Das sagt niemand in dem 45-minütigen Dokumentarfilm „Doswidanja – Schalom – Guten Tag“. Im Gegenteil; Freiheit, Sicherheit und Bildung sind die Werte, die immer wieder anerkennend genannt werden. Für Deutsche, die sofort schuldbewusst sind, wenn es um Juden geht, ist das ein ganz ungewohnter Ton.

Levi Salomon, selbst 1991 aus Aserbaidschan eingewandert, Filmemacher und ehrenamtlicher Antisemitismus-Beauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, hat „Doswidanja – Schalom – Guten Tag“ gedreht, um 20 Jahre jüdische Zuwanderung aus der früheren Sowjetunion zu feiern. Sein Film ist keine Dokumentation, in der man eine umfassende Darstellung mit positiven und negativen Aspekten erwarten darf. Themen wie Schwierigkeiten bei Arbeitssuche und Integration, Antisemitismus oder die Probleme der Jüdischen Gemeinde sind ausgespart.

Der noch kontroverseste Beitrag kommt von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Jüdisches Leben in Deutschland ist wieder vielfältig – und damit auch vielstimmig“, sagt sie in einer Rede vor der Jüdischen Gemeinde.

Stattdessen dürfen Gemeindemitglieder von ihrem Leben in Deutschland erzählen, allesamt Beispiele für mehr als gelungene Integration, für einen echten Zuwachs. Boris Rosenthal zum Beispiel arbeitet als Musiklehrer an der Jüdischen Oberschule Berlin. Er schätzt, dass die meisten seiner ehemaligen Schüler heute an den besten Universitäten der Welt studieren. Sein eigener Sohn Leonid, für dessen Zukunft die Familie die Auswanderung auf sich genommen hat, ist Rechtsanwalt geworden. Bei ihm und dem jungen, überaus ernsthaften Rabbiner Boris Ronis spürt man noch das Ringen um die Identität, wenn sie sich festlegen sollen, wo sie tatsächlich hingehören. Dennoch: Beide haben sich für Berlin, für Deutschland entschieden. „In Russland musstest du dich verstecken“, sagt Ronis. Hier nicht.

Viele Einwanderer hatten keine Beziehung mehr zu jüdischen Traditionen; einige haben in Deutschland die Chance ergriffen, nach ihren Wurzeln zu suchen. Rabbiner Yitzhak Ehrenberg erklärt, wie Kinder, die heute in Deutschland aufwachsen, ihre Eltern und Großeltern jüdische Traditionen lehren.

Überhaupt die Kinder. Leonid Sawlin war noch nicht einmal zehn, als er 2009 deutscher Meister im Schach wurde. Vor der Kamera windet er sich ein bisschen, im Schachclub dagegen weiß er genau, was er tut. Oder die Brüder David und Marlen Malaev, die mit Geige und Klavier bei „Jugend musiziert“ auf Bundesebene den zweiten Platz belegten, „weil David nicht richtig geübt hatte“. Das ist die erste Generation von Juden seit dem Holocaust, die in Deutschland geboren wurde, hier aufwächst und sich als Deutsche fühlt.

Da darf man schon ein bisschen Pathos auffahren – am Anfang des Films Bilder der Feier zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit, dazu das deutsche Volkslied „Die Gedanken sind frei“. Am Ende ein Feuerwerk am Berliner Himmel, die „Ode an die Freude“. Probleme werden noch genug gewälzt. Manchmal will man einfach feiern. Susanna Nieder

„Doswidanja – Schalom – Guten Tag“, RBB-Fernsehen, 11 Uhr 45

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