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PRINT: Klein und dick

Das „Handelsblatt“ im Business-Format – was Tabloid den Zeitungen bringt

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Eigentlich raten Experten von Crash-Diäten ab, zu groß ist die Gefahr, dass der Jojo-Effekt eintritt und die Waage mehr Pfunde anzeigt als vorher. Für figurbewusste Menschen eine Katastrophe, für immer mehr Zeitungen ist klein und dick dagegen Trend. Auch das „Handelsblatt“ hat sich jetzt eine Radikalkur verordnet. Ab dem heutigen Montag erscheint die Wirtschaftszeitung, die wie der Tagesspiegel zur Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH gehört, im sogenannten Tabloid-Format.

Das Tabloid-Format ist etwa um die Hälfte kleiner als das große Nordische Format, in dem beispielsweise der Tagesspiegel oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erscheinen. Die neue Optik seiner Zeitung bezeichnet „Handelsblatt“-Chefredakteur Bernd Ziesemer jedoch lieber als „Business-Format“ – vielleicht auch, weil andere Zeitungen in Deutschland wie die „Frankfurter Rundschau“, die „Welt Kompakt“ oder das Testprojekt „Bild City“ mit Tabloid bisher nicht nur Erfolge feierten.

Für die Zielgruppe des „Handelsblatts“ soll die kleinere Form jedoch gerade richtig sein. „Die meisten Manager sind heute extrem mobil, statt am Schreibtisch zu sitzen, ziehen sie ständig einen Rollkoffer hinter sich her und lesen ihre Zeitung in Flugzeug und Bahn. Deshalb ist das Business-Format für sie bequemer“, sagte Ziesemer.

Schon 2005 hatte die Wirtschaftszeitung ihren Finanzteil auf Tabloid umgestellt und der Zeitung beigelegt. Wenn nun das gesamte Blatt schrumpft, wächst automatisch die Seitenzahl. Mindestens 64 Seiten sollen die Ausgaben von montags bis donnerstags dick sein, freitags dann 72 Seiten, weil die Teile Immobilien, Kunstmarkt und Karriere dazukommen. Gestrichen ist der Sportteil, dafür bekommt die Berichterstattung über Unternehmen, die Kernkompetenz des Blattes, mehr Platz.

„Vorteil des Business-Formats ist auch, dass es keine festen Bücher gibt, sondern der Inhalt flexibler gestaltet werden kann“, sagte Ziesemer. Gebe es beispielsweise wichtige politische Anlässe wie gerade der Antritt der neuen Bundesregierung, dann könne der Politikteil künftig mehr Seiten bekommen. Das Titelblatt wird komplett überarbeitet und soll ein wenig an den Maler Piet Mondrian erinnern. Ein großes Bild, eine Grafik, dazu eine Zahl und möglichst eine exklusive Geschichte, das soll laut Chefredakteur das neue Markenzeichen werden. Auf der letzten Seite werden alle Überschriften wie in einem Inhaltsverzeichnis aufgelistet, das Scan-Format für hektische Manager.

Die Gefahr, dass eine kleinere Zeitung automatisch gerade von einer eher konservativen Zielgruppe als unseriöser empfunden wird, sieht Ziesemer nicht: „Diese Gefahr würde nur bei Häppchenjournalismus drohen, wir werden aber künftig nicht kleinteiliger, sondern nur kleiner.“

Der Zeitungswissenschaftler Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut sieht den Relaunch skeptisch: „Tabloid ist alles andere als eine Garantie für eine Auflagensteigerung.“ 2007 hatte die „Frankfurter Rundschau“ als erste überregionale Tageszeitung in Deutschland komplett auf Tabloid umgestellt – ein Rettungsversuch, zuvor hatte die „Rundschau“ kontinuierlich an Auflage verloren. Fast zweieinhalb Jahre nach dem Relaunch verkauft sie mit rund 150 000 Exemplaren Gesamtauflage fast genauso viel wie mit dem alten Großformat. Immerhin gibt es im Einzelverkauf ein kleines Plus von drei Prozent auf etwa 20 700 Exemplare.

Auch der Axel-Springer-Verlag will mit handlicheren Formaten gegen Auflagenverluste ankämpfen. Seit Juni testet er im Münchner Markt eine Tabloid-Version zusätzlich zur „Bild“ in Normalgröße. „Bild City“ heißt die Ausgabe, die nichts anderes ist als die „Bild“ im heruntergedimmten Format. Genutzt hat das Experiment bisher wenig. Im dritten Quartal dieses Jahres ist die Auflage der Münchner „Bild“ um fast vier Prozent auf knapp über 118 000 Exemplare im Vergleich zum Vorquartal gefallen. Die Springer-Tageszeitung „Welt Kompakt“ wird zwar vom Verlag als Erfolgsprojekt gerühmt. Detaillierte Zahlen gibt es nicht, da die Auflagen von „Welt Kompakt“ und großer „Welt“ nicht einzeln ausgewiesen werden. Die gemeinsame Auflage sinkt.

Für das „Handelsblatt“ erwartet Bernd Ziesemer zwar keine Auflagensprünge, jedoch stetiges Wachstum. Von derzeit knapp über 135 000 verkauften Exemplaren auf deutlich über 140000 Stück – eine Zunahme, die nach einer Crash-Diät erwünscht wäre.

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