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Max

© Tsp

Printprodukt: Held für eine Generation

Sie begleitete Jüngere und Ältere und war markteinführend, wenn es um erotische Titelbilder ging: Die "Max". Nun kommt das Aus. Über das Ableben einer Zeitschrift: nach 17 langen Printjahren, die es nur noch bis Ende Februar zu kaufen gibt.

Eine Zeitschrift wird „beerdigt“, „stirbt“ oder „erleidet Tod nach langem Siechtum“ – wenn Medienschaffende über das Ende eines Printmediums berichten, dann verklären sie einen gehefteten, geklebten, geschnittenen und gedruckten Papierhaufen zu einem Lebewesen. Aber da auch das irdische Leben vergänglich ist, darf es ein Periodikum erst recht sein.

Bei „Max“ – je nach Gusto „der“ oder „die“ genannt – ist nun das Todesurteil vollstreckt worden. Noch bis Ende Februar wird sich die aktuelle Doppelausgabe an den Verkaufsständen der Republik ein letztes Mal vergeblich nach Käufern recken, um dann im Reißwolf politisch korrekt final entsorgt zu werden. Und das ist auch gut so! Warum?

Am 17. Januar 1991, als der amerikanische „Desert Storm“ erstmals mit Cruise Missiles und Sturmgeschützen über den Irak fegte, wurde der Begriff erotischer Printkultur in Deutschland neu definiert. Denn am gleichen Tag räkelte sich Cindy Crawford unscharf scharf auf dem überdimensionierten, matt gewachsten Cover einer neuen Zeitschrift namens „Max“ an Kioskauslagen, Regalen und Ladentresen in über 300.000 Exemplaren Startauflage. Es war ein Fanal gegen den Zeitgeist der 80er, das egomanische Popschreibertum der „Wiener“- und „Tempo“-Generation. Hollywood-Helden, Hedonismus und High-Class-Werbung war die Verheißung. Verpackung als Inhalt. Reklame als Gegenwartskultur. Topmodels als erotisch-ästhetisierte Verlockung. Das war neu, stylish, sexy. MTV statt „Monitor“, Calvin Klein statt Helmut Kohl, ADC (Art Directors Club) statt Apo.

„Max“ war das Bekenntnis, mehr zu wollen als zu haben. Mehr Schein als Sein. Mehr lässige Fassade als verkopfte Inhalte. Der Slogan war Programm: „Max ist anders“. Nach einigen Jahren führte der Titel souverän die Verkaufshitparaden im Lifestyle-Segment an – über eine Viertelmillionen griffen für sechs Mark allmonatlich zu, um die bis zu 400 Seiten dicken, prall mit Werbung gefüllten strammen Maxe zu erwerben. Zweistellige Millionenerlöse erwirtschaftete der Titel unter dem instinktsicheren Regime des Verlegers und Zeitschriftenerfinders Dirk Manthey („TV Spielfilm“, „Fit for Fun“), der „Max“ mit dem italienischen Lizenzgeber Rizzoli in Deutschland publizierte. Jung, hungrig und willig die Redaktion, das urbane Lebensgefühl der Nachwendezeit auf bunte Seiten zu bannen. „Bravo für Erwachsene“ schimpften Neider leicht bewundernd, dass man mit dem simplen Konzept der gewollten Layout-Großzügigkeit bei kalifornischer Leichtigkeit am Markt reüssieren konnte.

Die Crème der weltbesten Fotografen von Anton Corbijn bis Michel Comte, von Herb Ritts bis Helmut Newton nutzten Format, Platz und Umfeld für gigantische Bildstrecken und erreichten so ein neues Publikum. Die Bildsprache und Heftoptik sorgten für Designpreise en masse, aber die Wortbeiträge – egal aus welcher Kisch-Preis-gestählten Feder sie auch stammten – gingen in der Bilderflut unter. Texte galten bei Heftkäufern, Anzeigenkunden und irgendwann auch bei der Redaktion als bleihaltiges Beiwerk. Ein Fehler, der sich rächen sollte.

Und wie immer, wenn der Erfolg am schönsten ist, wollte man bei Verlag und Redaktion mehr. Statt das intelligente Abbild und Sehnsuchtsprofil der Twen-Zielgruppen-Generation zu sein, fing man bei „Max“ nun an, zu entdecken, missionieren und erklären. Der Weg vom pointierten Erfolgs-Mainstream in die beliebige Style-Nische war kurz. Zunächst gab man den nach Stars und Lifestyle lechzenden Lesern mehr Hochkultur und Feuilleton-Futter, als es verkraften wollte – und dann sollte eine Ansammlung begabter Jungschreiber sich mit Granden von „Stern“, „Spiegel“ und „Zeit-Dossier“ messen. Dazu wurde noch die Erscheinungsweise auf 14-täglich erhöht, um fortan als inaktuell-aktuelles Kompetenzmedium den Illustriertenmarkt neu zu definieren.

Das fanden alle doof. Leser und Anzeigenkunden flüchteten, egal wie sehr Redaktion und Verlag ihnen hinterherrannten. Als man auch die letzte verborgene Kriegskasse aufgebraucht hatte, war das einst als „Telefonbuch“ titulierte Magazin zum dürren Heft verkommen: seitendünn, klein im Format, schmal an Bildqualität und arm an redaktioneller Relevanz. Ein Manifest der Mittelmäßigkeit. „Back To The Basics“ rief Verleger Manthey ein letztes Mal und versuchte mit den Mitteln von Vorgestern, die Erfolge von Gestern zu wiederholen. Einmal im Monat, groß, glänzend auf Glamour-Jagd. Vergebens.

Die Leserkarawane war längst weiter gezogen – und „Max“ war in einer verkümmerten Lifestyle-Oase zurückgeblieben.

Kurz darauf wurde die Verlagsgruppe Milchstrasse vom Münchner Großverleger Hubert Burda übernommen. Von dort sah man sich das „Max“-Drama mit wechselnden Konzeptkorrekturen noch drei Jahre an, bevor man jetzt – nach fast 17 Jahren – das Ende einer kleinen Print-Ära mit kryptischen Worten verkündete: „Hubert Burda Media richtet die Marke ‚Max‘ in Print und Online strategisch neu aus.“ Auch eine Art, im Merkel-Deutschland den Tod einer Zeitschrift zu verkünden. Denn im digitalen Orbit wartet schon so manche Marke vergeblich auf irdische Wiederkehr. Der Medien-Friedhof, wo neben vielen anderen auch Generations-Postillen wie „Twen“, „Jasmin“, „Wiener“ und „Tempo“ schon ihre ewige Printruhe fanden, beherbergt künftig also auch „Max“, unwiederbringlich. Und dass an einem Tag, an dem die USA mal wieder und immer noch im Irak bombend für Leid und Verderben sorgen.

„Max“ ist nicht mehr anders, „Max“ ist aus.

Post Scriptum: Zu welchem Titel soll der trendorientierte Leser nun noch greifen? Was soll ihn locken, leiten – was das Leben „da draußen“ voyeuristisch auf gedrucktem Papier abbilden? Das global agierende Luxus-Verlagshaus Condé Nast müht sich seit fast einem Jahr, aus ihrer mondänen US-Marke „Vanity Fair“ „ein neues Magazin für ein neues Deutschland“ zu gestalten. Aber weder das alte, noch das neue Germanien scheinen davon sehr viel zu halten. Der bisherige Chefredakteur demissionierte letzte Woche, jetzt soll eine Interimslösung an der Spitze ganz neue Käufer gewinnen.

Ach ja, und dann ist da noch „Neon“, das neue Authentizitätsmedium der Twen-Generation, das unter dem Wappen des immortalen „Stern“ mit ganzer Verlagskraft eingeführt wurde. „Neon“ ist nun wirklich erfolgreich und befindet sich in einem Stadium, das im anglophilen Neusprech als „Momentum“ bezeichnet wird: Auflage und Anzeigenvolumen steigen unerbittlich. Image, Hip-Faktor, Leseransprache – da ist es den Machern in Gänze gelungen, den Nerv einer Generation, eines real existierenden Lebensgefühls punktgenau zu treffen. „Neon“ flackert nicht, „Neon“ leuchtet. Bloß vermag keiner vorherzusehen, wie lange es die große Leserschar erhellt. Denn das Gesetz der Serie gilt: Eines (hoffentlich weit fernen) Tages wird auch dieses Printlicht erlöschen. Der Grabstein wartet schon.

Nikolas Marten, 44, ist Medienentwickler; er war von 1990 bis 1993 stellvertretender „Max“-Chefredakteur, dann Chefredakteur mehrer Lifestyle-Magazine.

Nikolas Marten

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