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Medien: Programmdirektor Putin

Der Kampf um die Frequenz des abgewickelten russischen Fernsehsenders TV-6 scheint entschieden, bevor er richtig beginnt: Offiziell ist bis zur Neuausschreibung am 27. März, zu der auch das Journalistenteam von TV-6 antreten will, alles offen.

Der Kampf um die Frequenz des abgewickelten russischen Fernsehsenders TV-6 scheint entschieden, bevor er richtig beginnt: Offiziell ist bis zur Neuausschreibung am 27. März, zu der auch das Journalistenteam von TV-6 antreten will, alles offen. Im

Vorgriff beschloss der Staatsrat unter Vorsitz von Präsident Vladimir Putin Maßnahmen zur allseitigen Förderung des Sports. Dazu soll auch ein überregionaler Sportkanal auf Sendung gehen. Tags zuvor hatte das Nationale Olympische Komitee Interesse an der TV-6-Frequenz angemeldet. Informationsminister Michail Lesin hatte bereits zwei Stunden nach dem Aus von TV-6 den Sportsender NTW plus zum zeitweiligen Nutzer des Kanals bestimmt. Obwohl er damit gleich zwei Mal gegen russisches Medienrecht verstößt: Spartenkanäle gelten nicht als gesamtnationale Programme, wie es für die TV-6-Frequenz verlangt wird. Vor allem aber ist NTW plus ein Bezahlfernsehen. Doch Forderungen der düpierten Abonnenten in Millionenhöhe sind "Peanuts" gegen die Chance, den Zuschauer allmählich an den Verzicht auf das letzte unabhängige überregionale Nachrichtenprogramm in russischer Sprache zu gewöhnen.

Das allerletzte bietet der US-Auslandssender Radio Liberty (RL). Auch ihm zeigten Kreml und Regierung bereits die gelbe Karte. Formaler Anlass: Radio Liberty will ab Ende Februar Programme für den Nordkaukasus in Tschetschenisch, Awarisch und Tscherkessisch ausstrahlen. Putins Berater für Informationspolitik, Sergej Jastrschembski, der die Berichterstattung zu Tschetschenien überwacht und koordiniert, kündigte in der Tageszeitung "Gaseta" an, er werde Inhalt, Ton und Auswahl der Berichterstatter aufmerksam beobachten und im Falle einer proseparatistischen Position "in Einklang mit den Gesetzen" handeln. Diese sehen nach Verwarnungen auch den Entzug der Sendelizenz vor. Die Journalisten des russischen Dienstes von Radio Liberty fühlen sich - zu Recht - als Ziel der Attacke. Das russische Programm gehört zu den ältesten von Radio Liberty, das vom Kongress in Washington finanziert wird. Seine Hauptaufgabe sah und sieht der Sender in der Verbreitung unabhängiger Informationen in labilen Demokratien und Diktaturen - den Staaten des einstigen Ostblocks und der ehemaligen Union.

Zu Sowjetzeiten unterdrückten Störsender den Empfang von "Feindpropaganda". Erst 1991 bekamen die Macher von Liberty eine starke Mittelwellenfrequenz. Außerdem eröffnete der Sender ein Büro in Moskau, dem ein dichtes Korrespondentennetz mit guten Kontakten zu Oppositionellen zuarbeitet. Schon im ersten Tschetschenienkrieg waren die Führer der Rebellen permanent bei Radio Liberty präsent. Das vor allem zwang den Kreml, der zunächst auf totale Informationssperre setzte, Journalisten auch Zugang zu den russischen Einheiten zu gewähren.

Im zweiten Krieg dagegen verwehrte Moskau einheimischen wie westlichen Journalisten von Anfang an Reisen auf eigene Faust ins Kriegsgebiet. Offiziell führt der Weg dorthin nur über Putin-Berater Jastrschembski. Dessen Beamte stellen periodisch Reisegruppen zusammen. Andrej Babitzki, einer der Stars von Radio Liberty, der den Alleingang dennoch wagte, wurde bei einem illegalen Tschetschenien-Besuch vom russischen Geheimdienst entführt und saß mehrere Wochen in einem Lager. Ausdrücklich auf Babitzkis Berichterstattung bezieht sich denn auch Jastrschembski bei den Drohungen gegen den Sender: Der habe die Vergeltungsschläge der Kämpfer gegen russische Soldaten gerechtfertigt. Schon damals forderte ein hoher Beamter des Außenministeriums in einem Brief in der "Nesawissimaja gaseta", Radio Liberty die Lizenz zu entziehen. Diese Lizenz, von Boris Jelzin ausgestellt, gilt zwar bis 2005, kann aber durch einen Erlass von Präsident Putin vorfristig kassiert werden.

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