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Ein Tag ohne Wikipedia. Am Donnerstag ist nur eine schwarze Startseite mit einem Protestschreiben zu erreichen.

© Tsp

Update

Protest gegen Upload-Filter: Deutschsprachige Wikipedia ist für einen Tag offline

Die deutsche Wikipedia setzt ein Zeichen gegen die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie - und schaltet sich für 24 Stunden ab. Inzwischen steht der Abstimmungstermin in Brüssel fest.

Pro Stunde wird die deutschsprachige Seite des Online-Lexikons Wikipedia normalerweise 1,3 Millionen Mal abgerufen, doch an diesem Donnerstag gehen die Anfragen der Nutzerschaft ins Leere. "Aus Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform wird die deutschsprachige Wikipedia am 21. März für 24 Stunden abgeschaltet", teilt Wikimedia als Betreiber des Angebots ganz oben auf der Wikipedia-Webseite mit. Inzwischen steht der Termin fest, an dem die EU-Parlamentarier abschließend über die Reform beraten. Am Donnerstag wurde in Brüssel der Fahrplan für die Plenarsitzungen der kommenden Woche festgelegt. Demnach werden die Abgeordneten des EU-Parlaments am Dienstag über die umstrittene Copyright-Direktive abstimmen. Für Samstag sind zuvor europaweit Protest-Demonstrationen gegen die neue EU-Richtlinie geplant.

Für den gewünschten politischen Effekt reicht die Lösung. Ich würde die Wikipedia allerdings gleich für eine Woche vom Netz nehmen, damit jeder die Lücke deutlich spürt.

schreibt NutzerIn paul

Der Förderverein Wikimedia hat die Abschaltung von Wikipedia Deutschland am Donnerstag verteidigt. "Das ist das drastischste Mittel, das wir zur Verfügung haben um auf etwas hinzuweisen", sagte der Leiter für Politik und Recht bei Wikimedia, John Weitzmann, in mehreren Radio-Sendungen unter anderem auf Bayern 2 und im Deutschlandradio. Weitzmann hofft, dass die europäische Urheberrechtsreform in Brüssel noch geändert wird, da sie in der jetzt vorgeschlagenen Form durchaus auch nichtkommerzielle Plattformen wie Wikipedia empfindlich treffen könne. So sei immer noch nicht klar, ob für solche Plattformen Ausnahmeregeln gelten werden. "Es ist ein bisschen so, also ob man mit der Schrotflinte auf alle Plattformen schießt, und vorher ein paar schussichere Westen verteilt. Das ist weder zukunftssicher noch bietet der Entwurf Rechtssicherheit." Wikipedia Deutschland könne dann für Bilder und Videos haftbar gemacht werden, die User ohne urheberrechtliche Erlaubnis auf die Plattform stellen.

Beschluss der Wikipedia-Autoren

„Zum allerersten Mal wird die deutschsprachige Community von Autorinnen und Autoren eine Komplettabschaltung durchführen“, heißt es in einem Blogeintrag der Wikimedia. Mehrere andere Sprachversionen folgen diesem Beispiel folgen oder zeigen Banner auf der Hauptseite. Andere Internetseite wie Archive.org unterstützen den Protest gegen die befürchtete Zensur des Internets mit Bannern gegen die Reform.

Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform in Bremen
Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform in Bremen

© dpa/Carmen Jaspersen

Die deutschsprachige Wikipedia verweist als Entscheidungsgrundlage auf ein Stimmungsbild der Community. Zur Auswahl standen dabei zwei Optionen: Die Komplettabschaltung der Webseite und die Schaltung eines Protestbanners. In der inhaltlichen Abstimmung sprachen sich 139 Community-Mitglieder für die Abschaltung für 24 Stunden und 28 für den Protestbanner aus. "Wir möchten, dass Kreativschaffende für ihre Arbeit angemessen entlohnt werden. Wir möchten auch, dass qualitativ hochwertiger Journalismus weiterhin möglich ist. Was wir nicht möchten, ist ein Aufbruch in ein unfreies Internet", heißt es zur Begründung des Schrittes

Sorge um Freies Wissen in einem gefilterten Internet

Zur EU-Urheberrechtsrichtlinie, über die im März abschließend das EU-Parlament abzustimmen hat, bevor die Copyright-Directive dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht überführt werden muss, gehören zwei besonders umstrittene Artikel. Passus elf sieht die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechtes für Presseverlage vor, Artikel 13 technische Vorkehrungen zur Verhinderung von Urheberrechtsverstößen. „Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden, was in der Praxis nur mittels fehler- und missbrauchsanfälliger Upload-Filter umsetzbar wäre“, heißt es in einem Text, der am Donnerstag auf der Wikipedia-Seite veröffentlicht wird. „Zudem müssten alle Webseiten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um ein neu einzuführendes Verleger-Recht einzuhalten." Beides zusammen könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen. Für die Wikipedia gelten zwar Ausnahmeregeln von Artikel 13, doch die Community befürchtet, dass "das Freie Wissen selbst dann leiden wird, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt.“

Die Lage bleibt verworren

Wie verworren die Lage ist, zeigte sich in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich im Parlament gegen die Uplaod-Filter aus, obwohl der umstrittene Kompromiss mit christdemokratischer Unterstützung zustande kam. In Europa sei fast eine Dekade diskutiert worden, um zu einem Leistungsschutzrecht zu kommen. Nun solle versucht werden, ohne die in der Richtlinie ja gar nicht genannten Uploadfilter auszukommen, sagte Merkel. Der CDU-Europapolitiker Axel Voss sagte, „die Plattformen, die wir mit Artikel 13 erreichen wollen, sind eigentlich nur die aktiven Plattformen, die genau wissen, dass sie urheberrechtlich geschützte Materialien auf ihrer Plattform haben, damit Gewinn erzielen und das in der Öffentlichkeit auch entsprechend wiedergeben“. Die CDU hatte zuletzt angekündigt, bei der Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform in deutsches Recht auf Upload-Filter zugunsten von Pauschalabgaben verzichten zu wollen. Dem widerspricht Julia Reda von der Piratenpartei, eine der schärfsten Gegner der Direktive. „Es ist völlig klar, dass eine Umsetzung von Artikel 13 ohne Upload-Filter nicht möglich ist“, sagte sie.

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