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Medien: Radio Kultur und Radio 3: Musik liegt in der Luft

Die Geschichte der gemeinsamen Kulturprogramme von SFB und ORB ist eine Geschichte von Missverständnissen, Obstruktionen und Schuldzuweisungen. Denn seit der Abschaltung der eigenständigen Kulturwellen von ORB und SFB und der Schaffung komplizierter und immer umstrittener Kooperationsmodelle erreichen die Nachfolgewellen Radio 3 und Radio Kultur nicht einmal zusammen die Quoten des früheren SFB 3.

Die Geschichte der gemeinsamen Kulturprogramme von SFB und ORB ist eine Geschichte von Missverständnissen, Obstruktionen und Schuldzuweisungen. Denn seit der Abschaltung der eigenständigen Kulturwellen von ORB und SFB und der Schaffung komplizierter und immer umstrittener Kooperationsmodelle erreichen die Nachfolgewellen Radio 3 und Radio Kultur nicht einmal zusammen die Quoten des früheren SFB 3. Das schlägt auf die Stimmung der engagierten Programm-Macher, die sich trotz knapper Mittel und mangelnder Anerkennung mit einigen interessanten Features, aufregenden Hörspielen junger Dramatiker und intelligenter Unterhaltung profilieren konnten.

Ab 1. Januar 2001 versucht man es mit neuen Programmschemata. Bei Radio 3 notgedrungen, da das Programm nur noch von NDR und ORB veranstaltet wird und die SFB-Beiträge zu Radio Kultur wandern. "Was das Interesse des Publikums verbindet - Klassik und Kultur - soll das Radio nicht in Kästchen trennen", verkündet der SFB mit religiösen Anklängen und stimmt beim kooperierten Radio Kultur eine Melodie an, die mit "Klassik zum Frühstück" (6 - 8 Uhr 30) beginnt, sich über "Klassik plus" (9 - 12 Uhr) und "Klassik nach Wunsch" (13 - 14 Uhr) hin zur "Klassik Galerie" (15 - 15 Uhr 30) entwickelt und um 20 Uhr in der "Klassik vom Feinsten" kulminiert.

Dazwischen liegen noch die mehr oder weniger moderierten Musiksendungen "Belcanto", "The Voice" und (Bernhard) "Morbach" live im täglichen Wechsel mit den (Clemens) "Goldberg-Variationen." Erst nach 22 Uhr folgen "Musik der Gegenwart" und anschließend Jazz- und Ethno-Musik; wobei letztere sich, wie der designierte Wellenchef Wilhelm Matejka bereits angekündigt ist, deutlich von der auf Radio Multi-Kulti gespielten "Worldmusic" unterscheiden soll.

Erstaunlich, dass zwischen so viel Musik immer noch ein Wortanteil von knapp 50 Prozent passt, dessen Musikumrahmung übrigens vorwiegend aus dem Bereich Jazz kommen soll. Die größte Änderung im Wortprogramm besteht in der Vorverlegung der Kulturleiste mit Dokumentationen, Features und Hörspielen von 22 auf 21 Uhr. Die dort bisher angesiedelten Formate "Liedersprüche" und "Jazz-Platz" werden ersatzlos gestrichen, wie übrigens auch die sonntägliche Diskussionsendung "Berlin Mitte".

Radio 3 braucht solche Sendungen nicht zu streichen, es hatte sie erst gar nicht in seinem Programm. ORB-Koordinator Jörg Hildebrandt, bisher stellvertretender Chefredakteur von Radio Kultur, setzt in Zukunft auf "die ganze Klassik" und sendet nur noch zehn Prozent Wort. Dort buchstabiert sich der Dreiklang "Ouvertüre" (6 - 9 Uhr), "Serenade" (18 - 19 Uhr) und "Notturno" (22 Uhr 30 - 0 Uhr). Im gemeinsamen Programm von Radio 3 produziert der Potsdamer Sender lediglich sechs Stunden täglich, im wesentlichen das Frühprogramm (die Overtüre), den "Zeitspiegel" um 12 Uhr 05 und um 17 Uhr 30, das Wunschkonzert "Sanssouci" um 12 Uhr 15 und Übertragungen aus den Konzertsälen Brandenburgs und Europas (mittwochs und donnerstags um 20 Uhr). Am Wochenende ist noch Heiko Schwichtenberg mit den "Märkischen Zwischentönen" dran (sonnabends von 9 Uhr 05 - 12 Uhr). Dieter David Scholz fragt sich, ob er in seinem Operettenmagazin "Immer nur lächeln?" muss (sonntags von 20 Uhr 15 - 22 Uhr).

Für die mit der Abschaltung von Radio Brandenburg immer noch heimatlose kulturinteressierte Klientel, die das Hören eher mit Diedrich Diederichsen als mit Dietrich Fischer-Dieskau gelernt hat, werden beide Programme wohl weniger attraktiv sein. In ihrer letzten Sendung vermuteten die Moderatoren des Sonntagsgesprächs "Berlin Mitte", dass das Radio im Vergleich zum Fernsehen einfach zu billig sei, um in den Hierarchien mit der angemessenen Aufmerksamkeit behandelt zu werden. So bleibt die unendliche Geschichte des Kulturradios SFB und ORB eher Gegenstand der Organisationssoziologie als der Rundfunkpolitik.

Jochen Meissner

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