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Radiohören: Erich Kästner und andere Außenseiter

Tom Peuckert verrät, was Sie im Hörfunk nicht verpassen sollten.

Seit Jahren registrieren Ornithologen dramatische Verluste in der Vogelwelt. Nicht nur Exoten verschwinden aus der freien Wildbahn, sondern auch Allerweltstypen wie Star, Sperling oder Amsel werden seltener. „Klingt der Frühling anders?“ fragt Anselm Weidner in einem Wissenschaftsfeature, das dem Artensterben gewidmet ist. Noch hört man auch im städtischen Hinterhof die unterschiedlichsten Vogellaute, aber jüngere Messungen bestätigen, dass im Frühling tatsächlich weniger gezwitschert wird. Menschengemachter Lärmdruck und fehlende Schutzräume lassen die Vögel verstummen. Bald sind wir allein mit unseren Motoren und Musikanlagen (Deutschlandradio Kultur, 8. Mai, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Bob Dillon arbeitet als Schädlingsbekämpfer in New York. Sein Lebenstraum ist eine ökologisch unbedenkliche Kammerjägerei. Aber dann wird Bob entlassen und der Zufall spielt verrückt. Er bewirbt sich als „professioneller Schädlingsbekämpfer“ und landet bei einer Killervermittlungsagentur. Man hält ihn für einen furchtbar gefährlichen Mann, die einen wollen ihn als Mörder engagieren, von den anderen wird er aus allen Rohren beschossen. Bob würde den Tag nicht überleben, stünden Zufall und Missverständnis nicht ganz auf seiner Seite. In Bill Fitzhughs turbulenter Krimikomödie „Der Kammerjäger“ triumphiert ein Weichei über die härtesten Männer, weil alle Verwechslungen am Ende zu seinen Gunsten ausgehen (Deutschlandfunk, 10. Mai, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Rein politisch betrachtet waren seine Bücher antinazistische Propaganda. Kein Wunder, dass sie auf dem Scheiterhaufen landeten. Trotzdem ist Erich Kästner während der Nazizeit in Deutschland geblieben. Warum das so war, beschäftigt Kästners Biografen. Im Feature „Ich sehe zu. Ist das nichts?“ widmet sich Autorin Renate Beckmann auch diesem Thema. Nicht nur hier ging Kästner radikal eigensinnige Wege. Er war zeitlebens ein Außenseiter, verweigerte sich auf diskrete Weise jeder bürgerlichen Normalität. Kästner selbst mochte die Frage nach seinem Leben in der Nazizeit irgendwann nicht mehr hören. „Dem, der es nicht versteht, kann man’s nicht erklären.“ (Kulturradio vom RBB, 11. Mai, 14 Uhr 04, UKW 89,6 MHz).

Wie ein Ufo steht das Einkaufszentrum „Eastgate“ am Westrand von Marzahn, gleich hinter Europas größter Plattenbausiedlung. Man kann hier zu fast jeder Tages- und Nachtzeit Gruppen von Jugendlichen treffen, die in der Regel nicht aus soliden bürgerlichen Verhältnissen stammen. Wer am Eastgate abhängt, hat oft Probleme in Schule oder Familie und manchmal auch schon eine dicke Polizeiakte. „Wir Kinder vom Eastgate“ heißt ein Feature von Heide und Rainer Schwochow, das diese prekäre Klientel zum Erzählen bringt. Da sind etwa Martin und Scholle, die nach eigener Aussage früher gern Randale gemacht haben. Wenn nirgendwo sonst Party ist, ziehen sie los ins Eastgate. Denn hier schlägt das heiße Herz des Konsums. Eine faszinierende Welt, von der sie weitgehend ausgeschlossen sind (Deutschlandfunk, 13. Mai, 19 Uhr 15).

Gute Lyrik ist so etwas wie mitreißende Gedankenmusik. Wer es nicht glaubt, sollte sich eine Lesung des Dichters Lutz Seiler anhören. Es gibt Hörbücher von Seiler, auf denen man großartige Synthesen von Geist und Klang erlebt. Für ihre Sendung „Vor der Zeitrechnung“ hat Autorin Danuta Görnandt ein langes Gespräch mit dem 1963 im thüringischen Gera geborenen Dichter geführt. Seiler beschreibt seine poetische Arbeit und sein Leben im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus. Und immer wieder liest er vor. So schön, dass man sofort zum Groupie werden könnte (Kulturradio vom RBB, 13. Mai, 22 Uhr 04).

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