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RBB-Moderator Ulli Zelle.

© dapd

RBB-Programmchefin antwortet: Wir mögen Ulli Zelle!

Vor einer Woche hat an diesem Platz Stephan Wiehler gesagt, warum er seine Rundfunkgebühren beim RBB für verschwendet hält. Heute erklärt die Programmchefin, warum ihr Sender trotzdem klasse ist.

Lieber Herr Wiehler,

„Hellsehen statt fernsehen“ – das scheint der Rechercheansatz für Ihre Betrachtungen zum RBB gewesen zu sein. Wie sonst könnten Sie als bekennender Nicht-Seher zum Urteil kommen, wir würden eines der „schlechtesten Regionalprogramme“ in der ARD produzieren, gar einen „Serienbetrug“ veranstalten? Als Programmdirektorin verantworte ich das Fernsehprogramm des RBB und bin mehr als irritiert, mit welcher Leichtfertigkeit Sie über Sendungen und Menschen urteilen, von denen Sie nach eigener Aussage nur eine rudimentäre Vorstellung haben.

Sie schreiben, 94 Prozent der Menschen in Berlin und Brandenburg sähen den RBB nicht – das ist Polemik, nichts weiter. Tatsache ist: Mehr als 40 Prozent allein der Berliner schalten an mindestens vier Tagen in der Woche zum RBB. Die finden sich dann beispielsweise um 19.30 Uhr vor dem Fernseher ein, wenn an einem normalen Wochentag regelmäßig auf bis zu jedem dritten eingeschalteten Schirm in Berlin und Brandenburg rechts oben im Bild das RBB-Logo zu sehen ist. Oder sie gehören zu den mehr als 200 000 Menschen, die Michael Kessler bei seinen Expeditionen begleiten.

Wir sind mit unseren Einschaltquoten nicht zufrieden, aber sie sind nicht das Maß aller Dinge. Jahrelang was das RBB-Fernsehen erfolgreicher als andere „Dritte“ – wir haben uns dessen ebenso wenig gebrüstet, wie wir jetzt in Sack und Asche gehen, wenn andere einmal vor uns liegen. In unserem Staatsvertrag steht keine Quote, sondern ein Programmauftrag. Dem haben wir gerecht zu werden, und das tun wir.

Reden wir also vom Programm, wo es für Sie viel zu entdecken gäbe. Zum Beispiel Moderatorinnen wie Hadnet Tesfai. Sie ist als „Radio-Fritzin“ Fachfrau für Urban Tunes, und bringt entsprechende Rhythmen auch immer wieder ins RBB-Fernsehen. Etwa, wenn sie mit Karsten Schwanke das Duell „Der Sonne entgegen“ moderiert. Sascha Hingst, Anni Dunkelmann und Arndt Breitfeld sind junge Gesichter der Abendschau. Warum Sie es nötig haben, en passant unseren Kollegen Ulli Zelle zu verunglimpfen, wird Ihr Geheimnis bleiben. Nicht nur wir mögen ihn, sondern auch viele Berlinerinnen und Brandenburger.

Warum der RBB vielfältiger ist, als viele glauben.

Es ist wahr: Wir gehen gern zu den Menschen auf der Wilmersdorfer Straße (deren Kleidung Sie augenscheinlich nicht mögen), zu den Kahnpostleuten im Spreewald oder den Laubenpiepern an der Avus. Aber selbstverständlich sehen Sie im RBB auch Poetry Slam, Off-Bühnen, Freaks und Fantasten. Und daneben noch jede Menge politisch Relevantes. Da können wir uns mit jedem anderen Medium in der Region messen.

Junge Filmemacher empfehlen Sie uns an. Schade, dass wir vorher nicht darüber gesprochen haben. Wir hätten gerne Kontakt vermittelt zu jungen Regisseuren, deren Werke ohne Beteiligung des RBB oft gar nicht erst entstanden wären oder auch zu den Studierenden der Filmhochschulen in Berlin und Potsdam, die mit RBB-Unterstützung ihre Abschlussfilme realisieren (und bei uns im Programm auch einen Sendeplatz dafür bekommen). Fragen Sie Christian Schwochow, an dessen Kinofilm „Die Unsichtbare“ sich der RBB beteiligt. Oder Agostino Imondi und Dietmar Ratsch, die mit Unterstützung des RBB „Neukölln Unlimited“ gedreht haben. Und ohne den RBB gäbe es den Berlinale-Publikumsliebling „This Ain’t California“ vielleicht gar nicht. Wahr ist: Der RBB ist ein Teamspieler, weil die eigenen Kräfte begrenzt sind – deshalb hat manchmal bei diesen Premieren Arte den Vortritt, manchmal ein anderes drittes Programm. Aber Namen wie Andreas Dresen und ausgezeichnete Filme wie „Kinshasa Symphony“ stehen für das stetige Engagement des RBB für hochwertige Filmproduktionen. Denken Sie an „24 Stunden Berlin“ – und nennen Sie ein Fernsehprogramm, das rund um die Uhr Programmplätze räumt für ein filmisches Porträt seiner Stadt?

Falls Sie Filme nicht so sehr schätzen: Schauen Sie Jörg Thadeusz zu, wenn er mit Henry Hübchen spricht oder verfolgen Sie den Dialog von Bettina Rust und Renate Künast in der „Hörbar Rust“. Lassen Sie sich von Dieter Nuhr zum „Satiregipfel“ einladen oder von Astrid Frohloff in „Klartext“ erläutern, was sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung abspielt. Unsere Reporter führen Sie an die Ränder der Großstadtgesellschaft und öffnen Ihnen neue Blicke auf die Entwicklung in Brandenburg. All das ist RBB-Fernsehen – und manches mehr. Kurt Krömer ist da kein Zufall – sondern Ergebnis harter Arbeit aller Beteiligten.

Worin wir einig sind: Es ist derzeit manchmal schwer, alle Perlen im Programm des RBB zu finden – nicht zuletzt deshalb ordnen wir unser Programmschema und geben ihm eine klarere Struktur. Und Sie bestätigen es ja: Wer sich nicht ändert, wird uninteressant, fällt zurück. Für eine „Radikalkur“, wie Sie sie dem RBB empfehlen, eignet sich ein Fernsehprogramm so wenig wie eine Tageszeitung – es geht nur langsam, nur Stück für Stück.

„Schaltet Euch ein“, so schreiben Sie also, und wir können nur sagen: Ja, bitte! Dann können wir beim nächsten Mal über unser Programm diskutieren und nicht über das, was Sie bei uns vermuten. Ich freue mich darauf.

Beste Grüße

Dr. Claudia Nothelle

Claudia Nothelle

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