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Medien: Regionalisierung der Krimis: Heimat, deine Mörder

Früher war alles ganz einfach: Wer Krimis mochte, schaltete am Sonntag den Fernseher an und sah den "Tatort". Der Sonntag war der Krimitag, der Krimi war der "Tatort".

Früher war alles ganz einfach: Wer Krimis mochte, schaltete am Sonntag den Fernseher an und sah den "Tatort". Der Sonntag war der Krimitag, der Krimi war der "Tatort". Und heute? Der Sonntag ist zwar immer noch "Tatort"-Tag, aber das ist längst nicht alles: Montags schickt Sat 1 zwei Krimis auf Sendung, am Donnerstag gibt es bei RTL einen Krimi-Dreierpack, und auch sonst sind auf allen Kanälen Krimi-Time.

Wer soll da noch den Überblick behalten? Und was macht einen Krimi angesichts der Konkurrenz zu einem erfolgreichen Krimi?

Beim Privatfernsehen scheint das Zauberwort für den Erfolg einer Krimi-Serie "Regionalisierung" zu sein. Die Zuschauer mögen es, wenn der Fernsehpolizist in ihrer unmittelbaren Umgebung ermittelt, die Sehenswürdigkeiten ihrer Region nicht nur vor dem Fenster, sondern auch im Fernsehgerät auftauchen und die Schauspieler ihren Dialekt sprechen. So stellt etwa Sat 1 fest, dass die eben wieder angelaufene Serie "SK Kölsch" in Nordrhein-Westfalen besonders gut läuft. Dort wird auch gerne einmal im Umfeld des 1. FC Köln ermittelt. Ähnlich "Der Bulle von Tölz": Wenn Ottfried Fischer Gauner jagt, kommt Sat 1 in Bayern auf durchschnittlich 25,2 Prozent Marktanteil - schließlich isst Herr Fischer am liebsten bayrische Spezialitäten. Zum Vergleich: In Berlin erreicht der "Bulle" gerade einmal 8,2 Prozent Marktanteil.

Ähnlich verhält es sich bei RTL, wie man an den Serien "Balko" und "Doppelter Einsatz" sehen kann: Der Fahnder ermittelt in Dortmund und erreicht in NRW im Schnitt einen Marktanteil von 21,3 Prozent. In Bayern kommt der Ruhrpott-Ermittler auf 12,3 Prozent. "Doppelter Einsatz" spielt in Hamburg und erzielt dort in der Regel mehr als 19 Prozent. In Baden-Württemberg sind es 14,3, in Bayern gar nur 12,6 Prozent.

Soll heißen: Vor allem die Bayern sehen offensichtlich nur Krimis, bei denen ihnen die Schauplätze bestens vertraut sind. Und weil Bayern neben NRW das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands ist, sind diese beiden Regionen für den Erfolg oder Misserfolg einer Krimiserie besonders wichtig. Logische Folge: RTL lässt die neu angelaufene Serie "Sinan Toprak ist der Unbestechliche" in München spielen. Denn RTL hat zwar viele Krimi-Serien, in Bayern war bislang noch keine einzige angesiedelt.

Beim öffentlich-rechtlichen "Tatort" läuft es ähnlich: Generell hat der "Tatort" zwar bei jeder Ausstrahlung bundesweit eine höhere Akzeptanz als die privaten Konkurrenz-Produkte, aber auch hier entwickeln die Zuschauer Lokalpatriotismus: Kommen die Kommissare aus dem eigenen Bundesland, wird häufiger eingeschaltet (siehe Grafik). Einzige Ausnahme ist Baden-Württemberg, wo die Marktanteile vom Stuttgarter Kommissar Bienzle unter dem Durchschnitt seiner Kollegen liegen.

Vor allem bei den Reichweiten des "Tatort" wird klar, dass es in der Akzeptanz der Krimis ein starkes Nord-Süd-Gefälle gibt. In Schleswig-Holstein erreicht die ARD beim "Tatort" einen durchschnittlichen Marktanteil von fast 28 Prozent. In Bayern sind es acht Prozent weniger. Außerdem ist der "Tatort" nach wie vor ein westdeutsches Phänomen. In den Bundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt liegen die Marktanteile oft im einstelligen Bereich.

Tendenziell schätzen die Zuschauer in den neuen Bundesländern die Privat-Sender offensichlich mehr als die öffentlich-rechtlichen. Was die Quoten belegen: Wie auch immer die privaten Krimi-Serien heißen, ob "Balko", "Der Puma" oder "Der Clown", wo auch immer sie spielen, und wie erfolgreich sie auch immer sind - die Marktanteile sind im Osten fast immer deutlich höher als im Westen. Ein enorme Dichte an Krimi-Freunden dürfte es in Mecklenburg-Vorpommern geben: Beinahe jede Serie schafft im Nordosten der Republik Marktanteile von mehr als 25 Prozent. Nur der "Bulle von Tölz" und die Ermittler des "SK Kölsch" - jene Serien, bei denen der Wortwitz am ausgeprägtesten ist - liegen bei den Nordlichtern um knapp 20 Prozent. Die Zuschauer in Mecklenburg-Vorpommern haben es lieber, wenn wenig gesprochen wird, es statt dessen aber heftig kracht: Wohl deshalb hat "Der Clown" bei ihnen einen Marktanteil von 35 Prozent.

Markus Huber

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