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Medien: Reichstag: Der Schnee von gestern

Sat 1-Moderator Ulrich Meyer und sein Reporterkollege Martin Lettmayer dürfen wieder im Deutschen Bundestag recherchieren. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Montag das Hausverbot im Reichstag aufgehoben, das Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 17.

Sat 1-Moderator Ulrich Meyer und sein Reporterkollege Martin Lettmayer dürfen wieder im Deutschen Bundestag recherchieren. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Montag das Hausverbot im Reichstag aufgehoben, das Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 17. November 2000 als Reaktion auf den Bericht "Koksen im Bundestag" verhängt hatte. Für das Sat 1-Reportagemagazin "Akte 2000" hatte Lettmayer im vergangenen Oktober heimlich 28 Toiletten im Reichtagsgebäude aufgesucht, sich dort eingeschlossen und mit einer Digitalkamera gefilmt, wie er die Kacheln und Klobrillen mit Sagrotantüchern abwischte. "Wir wollten nachweisen, dass nicht nur Christoph Daum mit Kokain zu tun hat, sondern dass man überall in Deutschland Kokainspuren finden kann, sogar im Reichstag," erläuterte Lettmayer nach der Verhandlung seine Motive. Meyer sagte zu der Entscheidung: "Es freut mich natürlich sehr, dass das Gericht Thierses Verbot gekippt hat. Mit diesem Urteil ist auch klargestellt, dass versucht wurde, an uns ein Exempel zu statuieren."

Im Bundestag habe die Toiletten-Recherche für "massive Beunruhigung" gesorgt, sagte Thierses Rechtsanwalt Gernot Lehr zur Begründung des Hausverbots. "Nicht wegen der Kokainfunde, sondern weil der Kameramann unbefugt in Bereiche vorgedrungen ist, in denen Abgeordnete bisher nicht mit Kameras rechnen mussten." Der Bundestagspräsident hatte das einjährige Hausverbot nicht nur über den "Toilettenschnüffler" Lettmayer verhängt, sondern auch über dessen Chef Ulrich Meyer. Meyer sei zwar selbst nicht im Reichstag gewesen, habe aber als Geschäftsführer der Produktionsfirma Meta Productions, die "Akte 2000" produziert, seinen Angestellten Lettmayer zu der verdeckten Recherche veranlasst - ohne Drehgenehmigung und zudem noch im Präsidialbereich, den er gar nicht hätte betreten dürfen. Was Meyer, der in Begleitung mehrerer Sat 1-Kamerateams zum juristischen Kampf für die Pressefreiheit antrat, gar nicht bestreitet. "Wenn man als Journalist aufdecken will, kann man sich nicht immer an die Grenzen von Hausordnungen halten," begründete sein Anwalt die Klage auf Aufhebung des Hausverbots.

Dieser Argumentation schlossen sich die Richter der 27. Kammer nicht explizit an, auch wenn sie das Hausverbot für formal und in der Sache rechtswidrig erklärten (VG 27 A 344.00). Ihr Urteil heißt nicht das Verhalten der Journalisten gut, sondern stellt lediglich klar, dass Thierse mit seinem Hausverbot übers Ziel hinausgeschossen ist. Weil er auf eine Anhörung der Journalisten verzichtete und weil er das Hausverbot als Strafe einsetzte. Hausverbote dürfen aber nur ausgesprochen werden, um zukünftige Verstöße zu verhindern, heißt es in der Urteilsbegründung. Es sei nicht davon auszugehen, dass Lettmayer noch einmal ohne Genehmigung im Reichstag drehen wolle.

Der Anwalt des Bundestagspräsidenten hatte die Befürchtung geäußert, dass die verdeckte Recherche im Reichstag Schule machen könnte, wenn es für Lettmayer und Meyer keine Konsequenzen gäbe. Die Wiederholungsgefahr würde durch den Konkurrenzdruck unter den Medien verstärkt. Parlamentarier wären dann nirgends mehr sicher vor versteckten Kameras, noch nicht einmal mehr auf der Toilette.

Reporter Lettmayer hält das für übertrieben. "Menschen heimlich filmen, das würde ich nie tun, das macht man einfach nicht." Er habe sein Vorgehen mit der Kamera dokumentieren müssen, weil ihm sonst niemand die Herkunft der Wischtücher geglaubt hätte. Er habe dabei niemandes Intimsphäre verletzt. Und eine Drehgenehmigung habe er für diese Art der Recherche nicht einholen können, weil es um die Aufdeckung eines Straftatbestandes gegangen sei.

Annika Ulrich

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