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Pia Castro, eine der Moderatorinnen des erweiterten Fernsehprogramms der Deutschen Welle.

© Deutsche Welle

Renoviert: Schönheit siegt

Von zwei auf 20 Stunden Spanisch: Die Neue Deutsche Welle für Lateinamerika. Wie sich der Auslandssender jetzt neu präsentiert.

5 Uhr 30, Caracas, der Blick aus dem 11. Stock zeigt das Häusermeer der venezolanischen Hauptstadt. Kühle Luft weht durch das vergitterte Fenster, aber natürlich kein Vergleich zu Europa. Im Fernsehen berichtet die Deutsche Welle (DW) von den Kältetoten. Auf Spanisch. Und das ist eine kleine Revolution, denn der Auslandssender, der Informationen aus Deutschland in die Welt schickt, orientiert sich neu. Bis zum 6. Februar bestand das Fernsehprogramm aus zwei Stunden auf Spanisch pro Tag. Der Rest der Sendungen: Deutsch und Englisch. Jetzt: 20 Stunden Spanisch, der Rest auf Deutsch.

Zwei Stunden spanischsprachiges Angebot am Tag – wohl kaum ein Lateinamerikaner stellte sich je den Wecker, um die nicht zu verpassen. Der Sender geht jetzt in die Offensive, will die Info-Elite mit Informationen aus deutscher und europäischer Perspektive versorgen. Er steht mit dem neuen Programm in Konkurrenz zu CNN en Español und auch zu vielen lateinamerikanischen Programmen. Deren Nachrichten sind oft so effekthascherisch oder auch tendenziös und wenig international, dass ein renoviertes DW-TV durchaus Chancen hat, sich positiv abzusetzen. Die News aus Deutschland sind angenehm klassisch, wirken seriös – bei uns wären sie Standardprogramm. Doch, damit mehr Latinos einschalten, muss der Sender zunächst Vorurteile bekämpfen.

„Deutsche Welle, ist das nicht der Propagandasender von der Merkel?“ Diese Frage beschreibt das bisherige Image der DW in Lateinamerika recht gut. Warum sollten sich die Latinos für einen Sender interessieren, dem es bisher in erster Linie wohl darum ging, Deutschland, seine Bewohner, seine Unternehmen in ein gutes Licht zu rücken?

Nehmen wir die Woche vor der Programmreform am 6. Februar. Es war selbst für wohlwollende Zuschauer unfassbar langweilig, sich eine Dokumentation über ein Fünfsternehotel in Garmisch-Partenkirchen anzusehen, in dem die größte Sorge des Managements zu sein scheint, dass von den Servicedamen ein Staubkörnchen übersehen werden könnte.

Dem Publikum in Lateinamerika entgegenzukommen ist der richtige Weg

Seit Beginn dieser Woche ist fast alles anders. In den vergangenen Monaten hat die Deutsche Welle fast 100 Mitarbeiter für die spanischsprachige Redaktion angeworben, viele aus Lateinamerika. Vielleicht müssen sich einige Moderatoren noch ein bisschen eingrooven und lockerer werden. Doch wer am Montag in Lateinamerika vor dem Fernseher saß, sah viel Interessantes im DW-Programm: das Beste aus der Bundesliga, wie Hightech Blinde wieder sehen lässt, Musikvideos und moderne Architektur aus Deutschland. Oder auch einen Beitrag über die Geschichte der Berlinale. Und natürlich die Nachrichten, stündlich, in unterschiedlicher Länge – drei, 15, 28 Minuten.

Aber, allem voran sahen die Zuschauer viele schöne Frauen aus Lateinamerika. Die neuen Moderatorinnen und Anchor-Damen sind ungewöhnlich hübsch. Und auch deshalb in ihren Heimatländern beliebt oder sogar berühmt. Linda Guerrero etwa: In Kolumbien verabschiedete sich die Moderatorin, die bei der DW nun die Nachrichtensektion der Sendung „Euromaxx“ präsentiert, mit sanft-kitschigen Nacktfotos von ihren Fans. Bei der Deutschen Welle zu arbeiten, sei für sie, wie für einen kolumbianischen Fußballer, bei Real Madrid zu spielen, sagte die schöne Kolumbianerin. Guerrero und ihre Kolleginnen sind zum Teil erst vor kurzer Zeit in Berlin angekommen. Und Deutsch ist eben nicht so einfach. Selbst Carlos de Vega, spanischer Superprofi vor der Kamera, erlaubte sich vor kurzem einen Ausrutscher. Die Ankündigung eines Beitrags über Spielzeug aus Ravensburg wurde zum Stolperstein: „Ich hoffe, ich habe das nun richtig ausgesprochen.“ Diesen ehrlichen Kommentar hätte er sich lieber verkniffen. Wenn Lateinamerikaner schon Nachrichten aus Deutschland bei einem deutschen Sender sehen, hätten sie wohl zumindest gerne das Gefühl, dass die Anchor-Leute Sprache und Land kennen. So zumindest der Kommentar einer argentinischen Bekannten, die früher in Deutschland gewohnt hat und heute treue DW-Kundin ist. Sie freut sich, im Fernsehen Orte wiederzuerkennen, Deutsch zu hören. Womit sie eine Ausnahme ist, für Lateinamerikaner ist Deutschland vor allem eins: weit, weit weg.

Besonders gelungen waren deshalb im neuen Programm „Todo Gol“, die Fußballsendung, und „Cultura.21“ – optisch ansprechend umgesetzt, darin Beiträge mit Lateinamerika-Bezug. Die Transgender-Sängerin und Stimmakrobatin Aerea Negrot war ein Porträt wert. Eine Venezolanerin, die sich erst in Deutschland wirklich als Venezolanerin fühlen kann, weil sie in der Heimat nicht anerkannt wird.

Natürlich kann man mit solchen Stücken keine 20 Stunden Programm am Tag füllen. Aber dem Publikum in Lateinamerika thematisch entgegenzukommen – das ist der richtige Weg.

Karen Na, orf

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