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Medien: Reporter im Fadenkreuz

Das Journalisten-Hotel Palestine in Bagdad ist zum Kriegsziel geworden

Antonia Rados wollte die Nacht zum Mittwoch wieder in ihrem Zimmer im 16. Stock des Hotel Palestine verbringen, „möglichst weit vom Fenster schlafen und dort eine Matratze befestigen. Wir werden bleiben, wir sind zum Berichten da.“ Ein Stockwerk darunter war am Dienstagmorgen eine Granate, abgefeuert von einem US- Panzer, auf dem Balkon des Zimmers von Reuters TV eingeschlagen. Zwei Kameramänner wurden getötet, andere Journalisten verletzt. Rados, die für RTL, n-tv und NBC berichtet, war geschockt: „Es herrschte völlige Panik, Angst. Die Hilflosigkeit will man überwinden, indem man funktioniert und hilft, wo man helfen kann.“ Ihr ZDF-Kollege Ulrich Tilgner war empört, dass die Amerikaner ein „Journalistenhotel“ angreifen: „Das Hotel ist kein militärischer Komplex, hier arbeiten auch Briten und Amerikaner.“

Der Krieg in Bagdad hat die ausländischen Korrespondenten erreicht, das „Belagerungsgefühl“ ist da, die Lage verschlechtert sich von Tag zu Tag, kein Strom mehr, kein Wasser mehr oder nur noch zwei Stunden lang, Fahrer und Übersetzer werden zum Essen holen geschickt.

Das Hotel Palestine liegt im „Niemandsland, zwischen den Fronten“, sagt Rados. Das Gebäude ist auch deswegen für die Berichterstattung ideal, es ist hoch, das Kampfgeschehen kann nach beiden Seiten beobachtet und gefilmt werden, auf dem Dach und in den Zimmern sind provisorische Studios eingerichtet worden. „Die Kollegen von Reuters TV standen mit ihrer Kamera auf dem Balkon“, berichtet Rados, „da kann es zu einem gezielten Schuss auf eine vermeintliche Bedrohung gekommen sein“. Rados nennt das eine „Spekulation“, wie sie auf die vielen Mythen verweist, die von irakischer Seite gestreut werden. „Saddam Hussein soll an vorderster Front mit seinem Sohn Udai kämpfen und mit dem Schwert einen Amerikaner enthauptet haben.“

Urheber solcher Meldungen ist die Entourage des irakischen Informationsministers Sajiid al Sahaaf oder Sahaaf selbst, „der irakische Donald Rumsfeld“, wie Rados einen Kollegen der „New York Times“ zitiert. Sahaaf hält seine Pressekonferenzen wie stets vor dem Palestine ab. Rados sagt, die Teams müssten immer noch Genehmigungen für Drehs bei den Irakern einholen. „Es ist eine bizarre Situation: Wir sehen vom Hotel aus die amerikanischen Panzer, Sahaaf behauptet, da seien keine Panzer, das sei nur Hollywood.“ Aber auch der irakische „Informationsblock“ bekommt Risse – der „Aufpasser“ von Tilgner hat sich davon gemacht. Die Bevölkerung von Bagdad sei in ständiger Bewegung, sagt Rados, immer auf der Flucht vor der Front, von einem Stadtteil in den anderen.

Zweifel an der Aufgabe lässt Antonia Rados nicht zu: „Wir wissen alle, dass wir in gefährlichen Tagen leben, dass wir nicht jedes Risiko ausschalten können.“ Der Blutzoll unter den Journalisten sei sehr hoch – „Focus“, Al Dschasira und jetzt Reuters TV. Sie gesteht zu, dass sie sich schon gewünscht hat, „die Amerikaner sollten diese paar Meter zum Hotel auch noch vorrücken“. Ja, sagt Antonia Rados, „die Versuchung ist groß, zu den Amerikanern rüber zu fahren“.

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