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Medien: Rettet die Rockmusik

Wie sich jeder sein eigenes Radioprogramm machen kann

Als wir begannen, unsere ersten E-Mails abzuschicken, machte Klaus Schnabel-Koeplin zwei Dinge. Der Computer-Spezialist fragte Firmen, ob er ihnen nicht eine Website einrichten solle, worauf ihn die Firmen fragten, was das denn sei, und dann sagten, solchen Humbug können sie nicht gebrauchen. Außerdem war Klaus Schnabel-Koeplin das schöne Wort „Rockradio“ eingefallen, und er ließ es sich umgehend schützen. Irgendwann, wusste er, würde das Computerwesen so weit sein, dass jeder sein eigenes Radioprogramm machen kann, und dann hätte er den besten aller möglichen Namen für den besten aller möglichen Musiksender. Die beste aller möglichen Musik ist natürlich die, die im Radio nicht vorkommt. Schnabel-Koeplin leidet schon seit Jahren unter Entzugserscheinungen. Er ist ungefähr vierzig, und die Grundharmonien seiner Kindheit fehlen ihm, diese räudigen Gitarrenriffs.

Im Maschinenhaus der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg, stehen Schnabel-Koeplin und der Mann, der die passende Stimme zu den Gitarrenriffs hat. Vielleicht war er die Stimme der DDR-Rockmusik überhaupt: Thomas Schoppe, genannt Monster, der Sänger von „Renft“. „Als ich wie ein Vogel war, der am Abend sang ..." Ja, aber wie. Wer Schoppe hört, versteht noch heute, warum die DDR „Renft“ verbieten musste. Der Sänger, der Computer-Mann und ein paar Freunde sind am 10. Januar unter www.rockradio.de auf Internet-Sendung gegangen. Aus diesem Anlass haben sich alle Musiker, die einmal „Renft“ waren, zusammen auf eine Bühne gestellt. Das machen sie ganz selten, und natürlich brachten Thomas Schoppe, Peter Gläser („Cäsar“) und Klaus Renft ihre eigenen Bands mit. Individualisten waren sie schon immer.

Seit dem 10. Januar gibt es immer montags den „MoMu“, den Montags-Musikantenklub, im Kesselhaus der Kulturbrauerei. Auch so eine wiederbelebte DDRTradition, genau wie die wiederbegründete Zeitschrift „Melodie und Rhythmus“. Lauter Parallelaktionen zum „Rockradio“. Denn das Besondere am „Rockradio“ ist, dass es auch eine Ostrock-Abteilung hat. Und das ist wichtig. Denn was von der DDR-Musik im Normalradio überlebt, ist ohnehin genau das, wovon wir früher schon Ausschlag bekamen.

Schoppe sieht die Gründung eines eigenen Radios außerdem als einzigartige Kombination aus Jugendförderung und Altersvorsorge. Zwar gehört er genau zu der Generation, die die Jugend erst erfunden hat, aber seit die Fans auf Konzerten T-Shirts mit so erschreckenden Aufschriften wie „40 Jahre Renft“ tragen, weiß er, dass das mit der Jugend irgendwann vorbei sein könnte.

Vor allem aber soll das „Rockradio“ ein Forum werden, wo Musiker sich treffen und junge Rockbands gespielt werden. Denn so etwas gibt es wieder, junge Rockbands, sagt Schoppe mit großer Genugtuung, jetzt brauchen sie nur noch eine Chance. Vor den geplanten Maulkörben für die Internetradios (siehe obigen Artikel) haben Schnabel-Koeplin und Schoppe keine Angst. Das wird sowieso nichts, glaubt der Computermann. Der „Renft"Sänger ist Repräsentant der Gruppe, in deren Interesse die Gema und andere den Internetradios Maulkörbe verordnen wollen.

Was soll daran in meinem Interesse sein?, fragt Schoppe. Das Interesse eines Musikers ist es, gespielt zu werden.

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