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Mit Cowboyhut und Baseball in die englische Provinz: Kein Wunder, dass die Kollegen mit dem neuen Chief Constable Bill Hixon (Rob Lowe) zunächst nicht viel anfangen können.

© ZDF und Matt Frost

Rob Lowe als „Wild Bill“: Der Fremde

Von Miami nach Lincolnshire: US-Schauspieler Rob Lowe als Chief Constable in der TV-Serie „Wild Bill“.

1985 waren sie alle Teil der Schauspielergruppe, die das „New York Magazine“ in einem Artikel „Brat Pack“ taufte. Die Meute bestand aus Jungschauspielern, alle Mitte der 1960er geboren und etwa um die zwanzig, die privat zusammen auf Partys gingen und in Filmen wie „The Breakfast Club“ und „St. Elmo’s Fire“ mitspielten. Filme über Jugendliche, über das Erwachsenwerden, frühe Coming-of-Age-Filme. Zu ihnen gehörte neben Emilio Estevez, Demi Moore oder Judd Nelson auch Rob Lowe. 1964 in Charlottesville, Virginia, geboren, zählt er zum harten Kern des „Brat Pack“. Einer von Lowes ersten Filmen ist Francis Ford Coppolas „Die Outsider“ von 1983, in dessen Cast auch einige andere „Brat Pack“-Mitglieder mit dabei sind, darunter etwa Tom Cruise und Matt Dillon.

Das ist alles verdammt lang her, die Karrieren dieser Guys und Girls haben seither einen ziemlich unterschiedlichen Verlauf genommen. Die von Rob Lowe, inzwischen 56 Jahre alt, besteht seit etlichen Jahren vor allem aus US-amerikanischen Fernsehserien. Eine der bekanntesten und auch erfolgreichsten ist die zwischen 1999 und 2006 produzierte Polit-Serie „The West Wing“, die von einem fiktiven US-Präsidenten handelt. Für seine Rolle des Sam Seaborn wurde Lowe gleich zwei Mal für den Golden Globe nominiert. Andere Serien wie „Brothers & Sisters“ folgten, auch der ein oder andere Kinofilm, etwa 2013 an der Seite von Michael Douglas in Steven Soderberghs „Liberace“. Nun also „Wild Bill“.

Lowe ist zugleich Co-Produzent

„Wild Bill“ ist nicht US-amerikanisch, sondern britisch, wurde 2018 in London sowie im ostenglischen Lincolnshire gedreht – und es muss Rob Lowe ernst um die Serie gewesen sein, denn er fungierte auch als einer der Co-Produzenten. Regie führten Charles Martin, Annie Griffin und John Hardwick nach Drehbüchern von Dudi Appleton und Jim Keeble.

Ausgestrahlt wurden die sechs Folgen der ersten Staffel im Juni des vergangenen Jahres auf ITV. Doch da der Erfolg der Serie mäßig und die Quoten nicht allzu hoch waren, bestellte der Sender keine zweite Staffel. Das war’s schon für Rob Lowe im United Kingdom. „Wild Bill“, wie dieser lonesome outsider Chief Constable Bill Hixon (Rob Lowe) genannt wird, ermittelt also nur in dieser einzigen Staffel.

[ „Wild Bill“, ZDFneo, Freitag, 20 Uhr 15]

Dieser Bill Hixon verlässt seine Heimat Miami, um zusammen mit seiner 14-jährigen Tochter Kelsey (Aloreia Spencer) nach England zu gehen, in die östliche Grafschaft Boston in Lincolnshire. Hier – es mag sich für sie beide ein wenig nach Ende der Welt anfühlen – will der ehemalige US-Cop nach dem Tod seiner Frau einen Neubeginn wagen. Es ist, beruflich wie privat, ein Wagnis. Kelsey muss auf eine neue Schule, Bill fängt bei der ortsansässigen Polizei als Chief Constable an. Dass den Neuen, der hier zugleich als Fremder behandelt wird, niemand mag, wird sehr schnell deutlich. Sein Vorgesetzter, der kaltschnäuzige Keith (Tony Pitts), lässt „Wild Bill“ aus den USA schnell spüren, dass er hier nicht willkommen ist. Auch die Sympathie von Bills Kollegin Lydia (Anjli Mohindra) hält sich in sehr überschaubaren Maßen. Es ist kalte Ablehnung. Ein Willkommensein sieht anders aus.

Der ungelenke Gang hat etwas Befremdliches

Bill ist fremd, und US-Schauspieler Rob Lowe durch verregnete englische Landschaften und triste Backstein-Wohnsiedlungen stapfen zu sehen, mit einem eigenartig ungelenk wirkenden Gang und seltsam klobigem Habitus, fast so, als fühle er sich unbehaust im eigenen Körper, das hat passenderweise auch etwas Befremdendes. „Was mache ich hier bloß?“ oder „Wo bin ich hier nur gelandet?“, fragt Bill Hixon immer wieder. Es wirkt wie eine rhetorische Selbstbefragung des nun heimatlosen Witwers. So wie Lowe nicht recht hierherpasst, so passt dieser Amerikaner nicht in die englische Grafschaft. Der Fernseh-Sechsteiler „Wild Bill“ erzählt so immer auch etwas über Fremdheit.

Die einzelnen Folgen von „Wild Bill“ – konsequent linear und eher konventionell gehalten – sind in sich abgeschlossene Fälle, zugleich wird eine Grundhandlung von Folge zu Folge vorangetrieben, die vor allem das persönliche Umfeld Bill Hixons betrifft, seine Tochter Kelsey etwa oder seine sehr junge und ebenso sehr engagierte Kollegin DC Muriel (Bronwyn James). Auch wird die Figur dieses Ex-US-Cops von Folge zu Folge mit weiteren biografischen Nuancen versehen und weitererzählt: So hadert Bill mit dem Tod seiner Frau, und als schönes Bild hierfür steht ein Pappkarton im Wohnzimmer, auf die Tochter Kelsey demonstrativ „Mom’s box“ geschrieben und einen lächelnden Frauenkopf gemalt hat. Darin sind deren persönliche Sachen enthalten, und Dad Bill soll sich dem endlich stellen. Und seiner Trauer, die ihn beherrscht.

Die Folgen und ihre einzelnen Fälle tragen so prosaische Titel wie „Piano Man“ oder „Alte und Einsame“ oder „Ausverkauf“. Es geht um einen abgetrennten Frauenkopf in einem Kühlschrank, um einen namenlosen virtuos spielenden Pianospieler ohne jede Identität, um einen Serientäter, der bei alten Leuten einbricht und diese etwa in Orientteppiche einrollt. Es sind Verbrechen und andere Kleinigkeiten, die in Boston in Lincolnshire geschehen. So wie überall.

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