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Der Kampf in Städten sei in Zukunft kaum zu vermeiden, meinen Militärstrategen. Hier ein Bild aus Fallujah im Irak.

© AFP

Rüstungstechnik: Der Cyborg in Uniform

Militärs aus aller Welt haben in Berlin über den Krieg der Zukunft beraten. Der wird zunehmend in städtischen Räumen geführt. Vernetzungs- und Geodatentechnik soll den Soldaten dort bei der Orientierung helfen. Ein Messerundgang.

Sicher, sagt der Mann im grauen Maßanzug mit geölter Verkäuferstimme, „ihr Panzer hat auch in der Innenstadt ordentlich Feuerkraft. Aber was ist mit dem ganzen Rauch? Wird er nicht die Sicht nachrückender Infanteristen einschränken?“ Fragen wie diese beschäftigen den Otto-Normal-Pazifisten vermutlich eher selten. Bei der „Urban Operations Conference“, die in dieser Woche in einem Berliner Hotel abgehalten wurde, waren sie dagegen allgegenwärtig. Die Prämisse der Konferenz: Zusammen mit der Weltbevölkerung werden sich auch die militärischen Konflikte zunehmend in die Metropolen verlagern. Neue Militärtechnik und moderne Kommunikationsmittel müssen her, damit „Operationen in dicht besiedelten Gebieten gegen asymmetrisch operierende Feinde effizient durchgeführt werden können“, wie Thomas Weise von Rheinmetall ausführt. Und dabei spielen, wie in der Militärtechnik überhaupt, Computersysteme eine zunehmend wichtige Rolle.

„Ach, das sind Leute, die sind eh gegen alles und wissen nicht warum“

Gegen Weise und seine Firma hat sich im Vorfeld aus der linken Szene massive Kritik gerichtet, eine Demonstration in Neukölln endete mit Randale. „Ach, das sind Leute, die sind eh gegen alles und wissen nicht warum“, sagt einer, draußen bei einer Entspannungszigarette vor dem Hotel. Zustimmendes Gelächter von uniformierten Militärs und Rüstungslobbyisten, nur einer sagt: „Es war ungeschickt, das Wort ,Warfare’ im Arbeitstitel der Veranstaltung zu haben. Aber der Name wurde ja geändert.“ Dann gehen sie wieder rein, durch den Metalldetektor.

"Wolf" soll Soldaten auch in Gebäuden und in Häuserschluchten miteinander vernetzen

Es warten Programmpunkte wie „EDA Project WOLF - Wireless Robust Link for Urban Forces Operations“. Bei „Wolf“ handelt es sich um ein Projekt der Europäischen Verteidigungsagentur, das den Truppen der EU-Länder das Internet der übernächsten Generation bringen soll. „Superstabil, anpassungsfähig, intelligent“, führt Rainer Bott von der Münchener Rüstungsfirma Rhode & Schwarz aus, schließlich würden sich die Kompanien der Gegenwart immer noch zu häufig isoliert hinter feindlichen Linien wiederfinden. Die Kommunikation ist ein großes Thema bei der Konferenz. Mit Hilfe des Internets und selbstständiger Netzwerke wollen die Militärs sowohl für störungsfreie Kommunikation als auch für die Übermittlung „präziser Terrain-Koordinaten“ sorgen, doziert ein Vortragender einen Raum weiter. Das Publikum, angereist aus 39 Ländern, wirkt etwas gelangweilt, hatten das die zuletzt sprechenden Experten nicht auch behauptet? Plötzlich kommt aus dem Lautsprecher ein kurzes, knallendes Störgeräusch, verdutzte Blicke fliegen durch den Raum. „Gefechtslärm!“, scherzt ein Gast, „Terrorist Attack!“, ein anderer. Bei zwölf Stunden Programm ist jede Ablenkung willkommen.

Nützlich: Der Limonaden-Scanner

Ein Rundgang durch den Messebereich erinnert an eine normale Industrie- oder Computerspielmesse, wären da nicht die Panzerfäuste, bei denen der Kunde zwischen Modellen wählen kann, die besonders „effektiv gegen Gebäude“ oder „besonders effektiv gegen Objekte“ sind. Insgesamt entsteht der Eindruck, nach dem „Bürger in Uniform“ komme der „Cyborg in Uniform“, effizient vor allem dank perfekter Vernetzung und „automatischer Areascans“. Doch es wird nicht nur Militärtechnik angeboten. Am Stand der Firma Ceia blinkt ein „Liquid Scanner“, der in wenigen Sekunden die potentielle Gefährlichkeit einer Flüssigkeit herausfinden kann – Flugreisende könnten ihre Limonade wieder mit an Bord nehmen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie Städte in Zukunft mobil überwacht werden können

Einen Stand weiter stellt die Firma Securiton ihr „SecuriEye M2“ aus, ein mobiles Überwachungsgerät von der Größe einer Kühltruhe, das es Sicherheitskräften ermöglichen soll, schnell und günstig Areale jeglicher Größe per Video zu erfassen. „Wir zeigen einfach die technischen Möglichkeiten auf. Ich glaube ohnehin: Lieber Überwachung als Gefahr“, sagt Verkaufsmanager Georg Schweizer. Hört man dem Mann mit der sonoren Stimme länger zu, scheinen die Vorteile des Geräts überwältigend. In Zukunft sollen Polizisten auf ihrem Smartphone die Bilder der Überwachungskameras sehen. Verschiebt sich ein Gefahrenschwerpunkt, könnten die Behörden „innerhalb von fünf Minuten reagieren – und das Gerät braucht 72 Stunden keinen externen Strom“, sagt Schweizer. Auf Nachfrage kommen dann doch auch nachdenkliche Töne: „Natürlich muss man genau aufpassen, wer wen überwacht. Aber die Tendenz geht nun mal klar in Richtung Sicherheit.“

Die "good old times, als wir Städte vermeiden konnten, sind vorbei"

Am wenigsten los ist am Stand des Veranstalters der Konferenz, der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). Hinter dem Infotisch sitzt Oberst Claus Dördrechter. „Die Soldaten in Afghanistan müssen doch gut ausgerüstet sein, eigentlich müsste das hier Peacefare heißen“, sagt er und ergänzt, dass die Veranstaltung doch gar nicht so kriegerisch sei. Die moderne Militärtechnik schone ja Zivilisten mehr als die alte, daher hat Dördrechter auch kein Verständnis für die Berliner Protestler, die ohnehin „überwiegend kommunistische Vergangenheiten“ haben. In Bonn, wo die DWT sonst ausstellt, sei es gewöhnlich ruhig.

Von den Demonstranten vor der Tür bekommen die Konferenzteilnehmer nichts mit. Als sich draußen auf der Friedrichstraße schon gut 70 Friedensaktivisten versammelt haben, vermutet ein Mann auf dem Podium noch, wegen der Kälte würden die angekündigten Demonstranten wohl fernbleiben.

Bei der abschließenden Vorstellung der Ergebnisse im großen Plenarsaal mit Hunderten Experten tragen die einzigen anwesenden Frauen Mikrofone zu Uniformträgern, die von „modularen Armeefahrzeugen“ und dem „ökologischen Fußabdruck eines Militäreinsatzes“ reden, dem langfristigen Umweltschaden eines Krieges also. Es bleibt abstrakt und technisch, aus „sterben“ wird „Effekt eintreten“, aus „zielen“ „markieren“. In jedem Falle jedoch müssten „Urbane Operationen dem Soldaten von morgen in Fleisch und Blut übergehen“, wie ein Teilnehmer in einer beherzten Rede mitteilt. Die „good old times, als wir Städte meiden konnten“, die seien vorbei. Wer die Feinde sind, die der supervernetzte Soldat bekämpfen wird, bleibt nebulös. Doch in auffallend vielen Präsentationen haben sie einen Turban auf dem Kopf.

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