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Im TV-Porträt von Arte erklärt Salman Rushdie, wie er mit der ständigen Bedrohung seines Lebens umgeht.

© Jörg Carstensen/dpa

Salman Rushdie im TV-Porträt: Angst, das war einmal

Die Fatwa gegen Salman Rushdie wurde aufgehoben, doch noch immer fordern einige islamische Medien seinen Tod. Im TV-Porträt erzählt er, wie er damit umgeht.

Es gibt manches Mal Daten in einer Biographie, die das Leben für immer verändern sollen. Es sind Weggabelungen, Schicksalsschläge, Entscheidungen. Ein solches Datum stellt in der Biographie des indisch-britischen Schriftstellers Salman Rushdie der 14. Februar 1989 dar. An diesem Tag ruft der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini eine Fatwa gegen Rushdie aus.

Er sei nach der Publikation seines Buches „Die satanischen Verse“ (1988) des Todes, da es blasphemisch sei, und „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“. Jeder Muslim sei aufgerufen, den Schriftsteller zu töten. Rushdie erfährt erstmals davon, als ihn eine Reporterin der BBC zuhause, seinerzeit in London, anruft und den völlig verdutzten Autor fragt, wie es sich denn anfühle, von Ajatollah Chomeini zum Tode verurteilt zu sein. „Not very good!“, habe er in den Hörer gesagt, und überstürzt aufgelegt.

Zu Besuch in seiner New Yorker Wohnung

Salman Rushdie erzählt für das TV-Porträt in seiner New Yorker Wohnung über sein Leben, über sein Schreiben und, natürlich, von der Bedrohung, die Jahrzehnte über alledem liegt – seit nunmehr 30 Jahren. Dabei strahlt der am 19. Juni 1947 im damaligen Bombay geborene Autor im Erzählen eine Ruhe aus, die einhergeht mit Humor und Witz. Anders, so scheint es, kann man ein solches Schicksal nicht (er-)tragen.

Es ist das Schicksal eines Mannes, der offenbar von Kindesbeinen an zu wissen schien, was er einmal im Leben werden wolle. „Ich wollte nie etwas anderes werden als Schriftsteller. Schon als Kind, wenn Freunde mich oder meine Eltern fragten, was ich später einmal werden wollte, sagte ich nicht etwa Pilot oder Astronaut, sondern: Ich möchte Schriftsteller werden. Da war ich vielleicht neun oder zehn. Das war immer der Plan. Einen Plan B hatte ich nicht.“ Der Plan A jedoch, das für ihn so existentielle Schreiben, bringt ihn ab dem Jahr 1989 ganz unmittelbar in Todesgefahr. Auch davon erzählt Rushdie vor William Karels Kamera, ausführlich und detailliert, offen und frei. Nach seinen ersten drei Büchern „Grimus“, „Mitternachtskinder“ und „Scham und Schande“ – und es war das zweite, 1981 erschienene „Mitternachtskinder“, das ihm den internationalen Durchbruch und sogleich den Booker Price einbrachte – erscheinen „Die satanischen Verse“, jenes Buch, mit dem er bis heute am häufigsten assoziiert wird.

Aufstieg des Fundamentalismus

Das Buch erzählt von zwei indischen Flugpassagieren, Gibril und Saladin, die auf dem Flug nach London Opfer eines Terroranschlags werden, vom Himmel fallen und wiederauferstehen – Gibril als Erzengel Gabriel und Saladin als Erzengel des Bösen. Der epische, 550 Seiten starke Roman prangert den Islam an, stellt seine Glaubensgrundsätze in Frage und erscheint zu einer Zeit, als die Vorgänge in der islamischen Welt hier nicht wirklich wahrgenommen werden. „Ich wusste vom Aufstieg des islamischen Fundamentalismus“, sagt Rushdie. Rückblickend mag Rushdies Welt-Bestseller aus westlicher Sicht wie eine Vorwegnahme des Terroranschlags vom 11. September 2001 wirken. Doch Rushdie verneint: „Nein, das war keine Vorahnung. Der Roman schilderte nur, was sich tatsächlich abspielte, zu einer Zeit, als der Westen noch keine Notiz davon nahm.“ Damals konnte sich der Autor fortan nur noch unter Personenschutz bewegen, er wechselte Dutzende Male seinen Wohnort, nahm einen anderen Namen an – Joseph Anton, eine Hommage an Joseph Conrad und Anton Tschechow – und überlebte rund zwanzig Mordanschläge.

Heute lebt Rushdie in New York City, Angst scheint er keine mehr zu haben. Die Fatwa gegen ihn wurde zwar aufgehoben, doch regelmäßig rufen iranische Medien zu seiner Hinrichtung auf, wurde das Kopfgeld zuletzt auf nunmehr vier Millionen US-Dollar erhöht. Es gilt, seine Angstfreiheit zu bewundern.

„Salman Rushdie – Den Tod im Nacken“, Mittwoch, Arte, 22 Uhr 10

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