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Vorstellung.  Der nach einem Unfall in der Unterhaltungssendung „Wetten, dass..?“ querschnittsgelähmte Samuel Koch neben dem Moderator Thomas Gottschalk.

© dapd

Samuel Koch: Der öffentliche Mutmacher

Mit seiner Autobiografie gibt sich Samuel Koch weiter dem Publikum preis. Auch Thomas Gottschalk war bei der Vorstellung am Montag dabei. Kochs nächstes Ziel: Privatleben.

Von Katrin Schulze

Wenn das kein Stress ist. Um vier Uhr morgens kommt er nach seinem Auftritt bei „Günther Jauch“ am Sonntagabend ins Bett, am nächsten Morgen stellt er schon wieder sein Buch „Zwei Leben“ vor. Immer dabei sind die vielen Kameras und die vielen Fotografen, die wie wild durcheinanderklicken, als wäre es unverantwortlich, die nächste Regung von ihm zu verpassen. Samuel Koch lebt im Moment das Leben eines Stars. Nur entspricht sein Körper nicht dem landläufigen Typus des Stars. Der 24-Jährige ist Tetraplegiker, vom Hals abwärts gelähmt. Ein „Dilemma“ ist es, eine öffentliche Figur zu sein, die im Rollstuhl sitzt, sagt der andere blonde Star des Tages dazu.

Thomas Gottschalk ist gekommen. Und Koch freut es, „dass er sich Zeit genommen hat, in einer für ihn doch nicht so leichten Situation“. Aber hier geht es nicht um die Befindlichkeiten des Moderators, es geht auch nicht um Einstellung seiner ARD-Vorabendshow „Gottschalk Live“. „Ich bin nicht mit den leisesten Interessen hergekommen“, sagt Gottschalk. „Ich bin der Botschafter von Samuel“, der darüber schmunzeln muss.

Wie Brüder hocken Thomas Gottschalk und Samuel Koch am Montag nebeneinander. Und tatsächlich waren sich die beiden ja mal auch ähnlich. Im Vorwort des Buches vergleicht der 61-jährige Moderator seine Anfänge mit denen des 24-Jährigen: „Man spürte, dass da einer in dem Medium angekommen war, das für ihn die Zukunft bedeutete.“ Koch wollte Schauspieler werden. Doch kam der große Knall. In Gottschalks Sendung „Wetten, dass..?“ knallte er beim Versuch, mit Sprungstelzen per Salto über Autos zu springen, erst aufs Autodach und dann auf den Boden der Düsseldorfer Messehalle. Wenige Wochen später erklärte Gottschalk seinen Rückzug aus der ZDF-Show, und diese Entscheidung hält er bis heute für „zu hundertprozentig richtig“.

Für Samuel Koch gibt es seither ein Leben vor und ein Leben nach dem 4. Dezember 2010. Dass sein Unfall in aller Öffentlichkeit passierte, kann man auf eine üble Laune des Schicksals zurückführen. Dass er danach zu einem Menschen der Öffentlichkeit wurde, ist eine andere Sache. Journalisten versuchten auf merkwürdigen Wegen, zu ihm ins Krankenhaus einzudringen, Filmteams drehten, Sender zeigten Szenen, von denen Koch nicht wollte, dass sie öffentlich wurden. Das Interesse war riesig. Und jetzt befeuert es Koch noch einmal selbst, indem er sich entschieden hat, seine Geschichte für alle zugänglich zu machen. 205 Seiten und ein paar Bilder umfasst seine am Montag erschienene Autobiografie.

Warum veröffentlicht er ein Buch?

Dabei hatte Samuel Koch eigentlich nie vor, sein Leben auf diese Weise breitzutreten. Bloß nicht noch ein Werk von jemandem, der plötzlich in der Öffentlichkeit steht. Und überhaupt: „Was sollte ein 23-jähriger Typ, der noch nichts erreicht hat außer den Tiefpunkt seines Lebens, in einem Buch schreiben?“, steht in seinem Buch. Dann aber wurde der junge Mann mit Zuschriften, „mit ehrlicher aufrichtiger Anteilnahme“ überhäuft. „Das Buch soll die meisten Fragen klären“, sagt Samuel Koch. „Ich konnte ja nie einen Kugelschreiber in die Hand nehmen, um zu antworten.“

Das Schreiben hat Journalist Christoph Fasel für ihn übernommen, er tauschte sich in zahllosen Gesprächen per Telefon oder Skype mit Koch aus. Doch auch andere waren beteiligt. Während Gottschalk das Vorwort textete, schreibt seine frühere Ko-Moderatorin Michelle Hunziker im Nachwort unter anderem, dass „Samuel ein Mensch ist, dessen positive Energie einfach ansteckend ist“. Wie Gottschalk hat auch Hunziker den Kontakt seit dem Unfall in der Show gehalten und den gelähmten Koch in der Reha besucht. „Von ihm kann sogar ein hoffnungsloser Optimist noch viel lernen“, schreibt Hunziker. Und ähnlich versteht Koch seine Geschichte auch – als Mutmacher nämlich: „Es lohnt sich, an einem Leben festzuhalten, auch wenn Perspektiven und Wünsche zerstört wurden.“

Im Jeanshemd und mit zerzaustem Haar berichtet Koch vom Kampf mit sich selbst und der Suche nach dem neuen Ich. Er wirkt dabei gefasst, aber ist er auch gefestigt? Jedenfalls erträgt er die kaum enden wollenden Klicks der Fotografen und die vielen Fragen offensichtlich gut. „Er hat eine gewisse Lässigkeit, die aber nur ein Teil der Wahrheit ist. Es ist ein Bild, das nicht immer seinem Innersten entspricht“, sagt Gottschalk. Wenn andere zum Beispiel über ihn erzählen, wenn sie seinen Mut und seinen Willen bewundern, scheint es beinahe, als wäre Samuel Koch peinlich berührt. Dann schaut er nach unten, wo er vielleicht das Loch sucht, in dem er verschwinden kann.

Früher, als er noch durch die Gegend turnte, suchte Samuel Koch den großen Auftritt, das Rampenlicht. Heute, unter den jetzigen Umständen, sind ihm andere Dinge wie ein halbwegs geordnetes Leben wichtiger. Und so soll auch das Buch die Episode um die öffentliche Person Samuel Koch, der eine schlimme Geschichte erlebt, seinen (Lebens-)Mut und den Humor aber trotzdem nicht verloren hat, auf gewisse Weise beenden.

Samuel Koch hat sein Studium in Hannover wieder aufgenommen und möchte nun ganz privat leben, nachdem er alle Fragen zu seinem öffentlichen Auftritt und dessen Folgen beantwortet hat. Wenn er mit der Öffentlichkeit etwas Produktives unterstützen kann, soziale Einrichtungen zum Beispiel, werde er es auch weiterhin tun, sagt Samuel Koch. „Aber im Großen und Ganzen will ich mich zurückziehen.“ In Ruhe möchte er den nächsten Teil seines Lebens, das nach dem 4. Dezember 2010, bestreiten.

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