zum Hauptinhalt

Satire in Nahost: Lacht um euer Leben

Der arabische Frühling hat viel verändert, doch die Revolutionen sind noch nicht vorbei. Die Bevölkerung reagiert mit schwarzem Humor. Doch geht das? Über Satire im Angesicht blutiger Auseinandersetzungen.

Baschar al Assad ist ein bisschen nervös. Er sitzt in einer Gameshow und die Konkurrenz ist stark: Muammar al Gaddafi und Husni Mubarak wollen auch gewinnen bei: „Wer wird Massenmörder?“ Natürlich moderiert bei dieser makabren Sendung nicht Günther Jauch sein RTL-Quiz „Wer wird Millionär?“, sondern sein syrisches Pendant. Die drei Diktatoren werden dargestellt von Handpuppen. In der arabischsprachigen Youtube-Serie „Top Guun: Tagebücher eines kleinen Doktors“ wird Augenarzt und Autokrat Assad regelmäßig der Lächerlichkeit preisgegeben. Zehntausende Syrer haben über die satirischen Clips gelacht. Aber geht das überhaupt: Lachen beim Thema „Massenmörder“, im Angesicht des Schreckens eines langen, blutigen Bürgerkrieges?

In einem Vorort unweit der ägyptischen Hauptstadt Kairo bereitet sich Bassem Youssef auf seine Show vor. Youssef moderiert die einzige satirische Sendung im ägyptischen Fernsehen. „Wenn wir nicht mehr lachen können, werden wir verrückt“, sagt er. Noch zu Mubaraks Zeiten hat er, wie die Macher von „Top Guun“, auf eigene Faust im Internet angefangen. Als auf dem Tahrirplatz die Demonstranten von Kamelreitern und von Polizisten zusammengeschlagen wurden, zeigte er Videomaterial davon. Als Audiospur legte er einen Kommentar über die Bilder, die zu der Zeit im ägyptischen Staatsfernsehen liefen: Der Tahrir sei wie ein großer Karneval, wo nur getanzt würde und die Demonstranten unter Drogen stünden. Er stellte den Clip online und die satirische Entlarvung der Lügen im Staatsfernsehen machte ihn über Nacht zum Star. Sechs Monate später nahm ihn der Fernsehsender „On Tv“ unter Vertrag, seitdem begleitet Youssef die Entwicklung der arabischen Revolutionen im Stil der ZDF „heute show“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Wir erleben sehr viel Leid, Lachen kann da auch ein Ventil sein. Für mich ist es das“, sagt Youssef. „Satire ist ein anderer Zugang.“ Damit könne man auch schwierige Themen anpacken, ohne sie stundenlang zu diskutieren. Vor allem jetzt. Die sogenannte „Arabellion“: Seitdem die diktatorischen Regimes in Ägypten, Libyen und Tunesien gestürzt wurden, drängen jene Meinungen an die Öffentlichkeit, die sonst hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, auch werden die Witze gemacht, über die man früher im Privaten lachte.

"Religion und Sex sind tabu"

Seit die staatlichen Repressionen wegfallen, haben sich auch die Grenzen der Pressefreiheit verschoben. „Ich kann und werde über alles sprechen“, sagt Satiriker Bassem Youssef. „Aber Religion und Sex sind tabu.“ Niemand verbiete es ihm, aber die Zuschauer würden es nicht akzeptieren. „Ich persönlich möchte in diese Richtung gar nicht gehen. Es verletzt die Gefühle zu vieler Menschen“, sagt Youssef.

In seiner Show ist an diesem Tag auch Amru Salim, der für ägyptische Zeitungen politische Karikaturen zeichnet. Den mächtigen Militärrat Ägyptens hat er nicht geschont und auch die regierenden Muslimbrüder nicht.

Doch er muss aufpassen. Das haben auch die schweren Ausschreitungen in der arabischen Welt nach dem Bekanntwerden des vorgeblich satirischen Films „Die Unschuld der Muslime“ und der Mohammed-Karikaturen in der französischen Zeitschrift „Charlie Hebdo“ gezeigt. „Wenn ich Angst zugelassen hätte, hätte ich niemals angefangen zu zeichnen“, sagt Salim. Niemand verbiete ihm einen Cartoon, aber „ich muss auch an meine Familie denken“, legt er nach.

Von manchen heikleren Themen lässt er daher lieber die Finger. „Selbstzensur“ nennt die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ dieses Phänomen. Die Verbesserungen in Sachen Pressefreiheit in den Ländern des arabischen Frühlings seien „rein kosmetisch“, heißt es in einer Einschätzung der Organisation zur Region Nahost. Ein Klima der Angst behindere noch immer viele Journalisten bei ihrer Arbeit.

In Tunesien, wo der arabische Frühling seinen Anfang genommen hatte, sitzt der Ex-Chef des Senders Ettounissya TV in Haft, nachdem er eine satirische Show ins Programm genommen hatte. In Syrien, wo die Revolution sehr viel blutiger verläuft als in allen anderen arabischen Ländern, verlagert sich die Satire ins Internet. Anonym, aus Angst vor Verfolgung. „Viele haben durch all die Schrecken den Glauben an die Revolution verloren“, sagt Bassem Youssef. Er will Mut machen. So lange gelacht werde, gebe es Hoffnung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false