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Medien: Schadensbegrenzung

Magazin „Newsweek“ zieht Koran-Artikel zurück

Der Chor der Empörten nach der Falschmeldung des Nachrichtenmagazins „Newsweek“ war groß und hochrangig. „Menschen haben ihr Leben verloren“, sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, „Menschen sind tot. Die Leute müssen genauso vorsichtig damit sein, was sie sagen, wie damit, was sie tun.“ Außenministerin Condoleezza Rice klagte: „Die Geschichte hat eine Menge Schaden angerichtet. Jeder muss nun einen Schritt zurücktreten und gucken, wie er sich in der Sache verhalten hat.“

So viel Druck mochte die Leitung des Nachrichtenmagazins nicht widerstehen und zog, nachdem sie sich bereits entschuldigt hatte, die Meldung auch offiziell zurück. In einem kleinen Artikel hatte „Newsweek“ behauptet, dass Ermittler auf der US-Militärbasis in Guantanamo einen Koran die Toilette hinuntergespült hätten, um Häftlinge zum Reden zu bringen. Solche Vorwürfe sind nicht neu, erstmals habe aber das US-Militär sie bestätigt, schrieb das Magazin. Den Report von Anfang des Monats nutzen radikale Moslems in Afghanistan, um Massenproteste gegen die von den USA gestützte Regierung zu initiieren. Dabei starben mehr als ein Dutzend Menschen. Das Terrornetzwerk El Kaida hat den USA Vergeltung angedroht. „Für die Schmähung des heiligen Buches Gottes werdet ihr der El Kaida nicht entkommen“, hieß es in einer im Internet veröffentlichten Mitteilung im Namen der El Kaida.

„Ich wollte nicht länger Haare spalten“, sagte „Newsweek“-Chefredakteur Mark Whitaker, „offensichtlich hatten die Leute das Gefühl, dass wir uns nicht entschuldigen. Wir mussten das Wort ,zurückziehen’ benutzen, darauf hatten alle gewartet.“ Doch das Weiße Haus scheint trotzdem nicht zufrieden zu sein, McClellan sprach nur von einem „guten ersten Schritt“. Nun solle das Magazin detailliert darlegen, wie es zu der Falschmeldung kam. Eine trickreiche Forderung, bedeutet sie doch, dass „Newsweek“ seine anonym zitierte Quelle offen legen müsste. Was dem Weißen Haus eine willkommene Gelegenheit böte, ein ärgerliches Informationsloch in den eigenen Reihen zu stopfen. Die Reporter hatten sich auf eine altvertraute „hochrangige Persönlichkeit“ in der Bush-Administration verlassen, die ihnen in der Vergangenheit stets zuverlässige Informationen lieferte. Dann legten sie den Bericht vor der Veröffentlichung zwei Sprechern des Pentagon vor, die nichts an dem Koran-Vorfall auszusetzen hatten – was das Magazin schlicht als Bestätigung für seine Story wertete. Wie sich jetzt herausgestellte, kannte niemand von ihnen den Inhalt des erwähnten Militärberichts. Und mittlerweile ist sich auch die anonyme Quelle nicht mehr sicher, wo sie den Vorfall gelesen haben will. Das Pentagon bestreitet ihn jedenfalls vehement.

In den US-Medien entbrannte eine Diskussion über die korrekte Verwendung von anonymen Informanten. „Dass wir uns nur auf eine Quelle verlassen haben, ist ein sensibles Thema“, gab der Washingtoner Bürochef von „Newsweek“, Dan Klaidman, zu. Gelegentlich sei das unumgänglich. Mehrere US-Medien überarbeiten nach den jüngsten Skandalen bei der „New York Times“, „USA Today“ und „CBS“ ihre Ethik-Standards. Oft ist es nicht möglich, auf einem anderen Wege an Informationen zu kommen. Gerade Regierungsangestellte sprechen nicht offen, weil sie negative Konsequenzen für ihre Karriere befürchten. Gleichzeitig laden Regierung und politische Parteien regelmäßig zu Hintergrundgesprächen ein, an denen Reporter nur unter der Bedingung teilnehmen dürfen, dass sie niemanden namentlich zitieren.

Bob Woodward sagte dem „Wall Street Journal“: „Die anonymen Quellen sind in unserem Geschäft von immenser Bedeutung. Meiner Meinung nach werden sie nicht oft genug benutzt.“ Er sollte es wissen, schließlich brachte er zusammen mit Carl Bernstein im Watergate- Skandal Präsident Richard Nixon zu Fall.

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