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Medien: Schneller billiger dümmer

Die Schriftstellerin Sibylle Berg über das Ende der Frauenzeitschrift „Allegra“, für die sie lange schrieb

„Allegra“ ist an Dummheit gestorben. Ganz einfach. Viele Magazine werden ihr folgen, haben es schon vorgemacht, Zeitungen sterben, Fernsehsender werden folgen (hoffe ich). Ich glaube, das Magazin begann einmal mit großen Ideen, schönen Berichten, einem Anliegen, einer Idee, wenngleich ich auch nicht klar sagen kann, was das für eine war. Leser, nennen wir sie kapitalistisch: Konsumenten, spüren, wenn jemand eine Idee hat und etwas will. Sie honorieren es, kaufen das Produkt, alle sind glücklich.

Dann passierte, was überall passiert: Raffgier kommt ins Spiel. Ein Vorstandsvoritzender sagt zum anderen: Schau mal, das kleine Magazin (zu ersetzen durch Firma, Fabrik, Produkt, scheißegal), es ist ja nett, aber es ist nicht effektiv genug. Effektiv meint: Wir wollen Geld verdienen, immer mehr, dass es uns zum Hals herauskommt, dass wir daran ersticken, dass wir mehr haben, als wir je ausgeben können, dass wir es horten im Keller, Millionenabfindungen bekommen, wenn wir das Zeug in den Sand gesetzt haben…

Im Fall „Allegra“ hieß das: Die Reportagen müssen billiger werden, die Texte kürzer, die Leser sind eh’ dumm, wir müssen mehr davon haben, wir greifen sie ab, auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Schneller billiger dümmer. Ich glaube, irgendein Dummkopf wurde in die Redaktion gesetzt, um den Untergang zu forcieren, und es gelang atemberaubend schnell. Da kann man nur gratulieren. Die Angestellten sind arbeitslos, ein weiteres nichtssagendes Heft ist eingegangen, egal ob es das eine oder andere im Meer der dünnen Ideen ist. Leser wollen keinen Mist lesen, Verbraucher keine idiotischen Produkte. Der Konsument ist SATT. Aber das ist in Führungsetagen noch nicht angekommen. Da wird weiter versucht, sich nach unten zu orientieren. Am geistigen Dreck, an der Verblödung, am Schrott, an Schmutz und Geisteskrankheit.

Und da sitzen sie, in hässlichen Anzügen, mit hässlichen Halbschuhen, mit Windeln, weil sie ihre Blasenfunktionen nicht mehr unter Kontrolle haben, und machen die Welt zu einem dummen, hässlichen Ort. Dass die Verbraucher keine Verbraucher mehr sein wollen, das ist eine gute Idee. Die beste, sich zu wehren. Es bleiben so nur noch Menschen übrig, die einsehen, dass sie den meisten Müll nicht benötigen, und Windel tragende Herren, die sich selber mit Machtspielen in den Herzanfall treiben. Vielleicht wird ja noch alles gut.

Die Schriftstellerin Sibylle Berg war jahrelang Mitarbeiterin von „Allegra“. Im Frühjahr ist von ihr bei Kiepenheuer & Witsch der Roman „Ende gut“ erschienen. Sie lebt in Zürich.

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