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Medien: Schnittchen sind nicht lustig

Lach- und Sachgeschichten: Die Dokumentation „Komisches Deutschland“

Kennen Sie den? „Bevor ich in den Urlaub fahre, ist meine Frau immer wie ein Krimi. Packend bis zum Schluss.“ Oder den: „Fragt der Arzt den Patienten: Wie oft haben Sie pro Woche Sex? Der Patient antwortet: Fünf Mal. Montags, dienstags, mittwochs, donnerstags und freitags. Der Arzt: Dann müssen Sie dringend entspannen. Lassen Sie doch einfach mal den Dienstag weg. Darauf der Patient: Geht nicht, das ist der einzige Tag, an dem ich zu Hause bin.“

Kurt Krömer sitzt auf einem Märchenonkelsessel und liest aus einer schwarzen Kladde Witze vor. Er verzieht dabei keine Miene. Krömer ist Profi, er weiß, dass ein Komiker, der über seine eigenen Witze lacht, sich genauso unmöglich macht wie ein Kellner, der selber isst. Dass er so ernst bleibt, könnte aber auch einen profaneren Grund haben: Die Witze, die er vorträgt, sind wirklich nicht besonders lustig. Sie haben, hahaha, einen ziemlich langen Bart. Über Ehefrauen, die ihren Männern die Koffer packen und sich viermal die Woche von ihnen betrügen lassen, mögen sich Herrenrunden der fünfziger Jahre noch schenkelklopfend amüsiert haben. Mit der heutigen Wirklichkeit haben sie nicht mehr viel zu tun.

Der Neuköllner Volkskomiker Krömer, etwas hochgestochen als „Rezitator“ angekündigt, führt mit den mal mehr, meistens weniger originellen Kalauern aus seiner Kladde durch die dreiteilige Dokumentation „Komisches Deutschland“, mit der die ARD „die deutschen Lachgewohnheiten der letzten sechzig Jahre“ zu erkunden versucht. Doch statt ihr Thema ernst zu nehmen und eine kleine Kulturgeschichte des deutschen Nachkriegshumors zu liefern, haben die NDR-Autoren Alexander Stille und Rüdiger Daniel lieber Sketche aus den Archiven und Interviews mit Komikern zu einer harmlosen Witzparade zusammengeschnitten. Keine Spur von der versprochenen „zeitübergreifenden Auseinandersetzung“.

Die ersten beiden Folgen handeln vom komischen Potenzial, das der Deutsche in Extremsituationen entfaltet: auf Reisen und beim Sex. Genauso gut könnte es ums Essen oder die Familie gehen. Immerhin kann so nun Jürgen von Manger noch einmal in einem Ausschnitt aus „Tegtmeiers Reisen“ die Finessen eines Pauschalurlaubs erläutern: „Um den Blick am Meer zu sehen, müssen Sie nur im Badezimmer den Spiegel abschrauben, ihn am ausgestreckten linken Arm halten, dann sehen Sie um die Ecke schon das Wasser.“ Nicht schlecht auch, wie Diether Krebs von Beatrice Richter abgefertigt wird: „Was würden Sie zu einem kleinen Bümmserchen sagen?“ – „Hallo, kleines Bümmserchen.“

Der Dresdner Kabarettist Uwe Steimle schwärmt von der sexuellen Freizügigkeit in der DDR: „Unser Kondom war die Mauer.“ Und der Frankfurter Dichter und Humorkritiker Robert Gernhardt erläutert in einem der letzten Interviews vor seinem Tod, wo der Witz endet: „Es gibt keinen ironischen Orgasmus. Da ist die Grenze des Uneigentlichen erreicht, da geht es zur Sache.“

Gern würde man dem (Ost-)Berliner Kabarettisten Peter Ensikat, der über seine Erfahrungen mit der DDR-Zensur berichtet, etwas länger zuhören. Gerne würde man auch Karl Valentin länger dabei zusehen, wie er Liesl Karstadt in einer furiosen Slapstickszene auf einem Sofa näherrückt. Aber gnadenlos springen Stille und Daniel spätestens nach 30, 40 Sekunden weiter zur nächsten Sequenz. Die Deutschen haben durchaus Humor, das ist ihre etwas schlichte These, die sie im dritten Teil unter dem angestrengt witzelnden Titel „Schiller, Schnittchen, Gartenzwerge“ ausführen. „Schnittchen sind nicht lustig, Schnittchen sind lecker“, sagt Hape Kerkeling da. Über Spießerklischees kann man lachen. Man kann sie aber auch einfach aufessen.

„Komisches Deutschland“, 23 Uhr 15, ARD

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