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Medien: „Schröder kann sich nicht verstellen“

Heute startet Sat 1 die Comedy-Reihe „Hinterbänkler“. Jochen Busse über Ehrlichkeit in Politik und Fernsehen

Sie spielen einen CDU-Abgeordneten, der 20 Jahre lang nicht über die Rolle eines Hinterbänklers hinausgekommen ist. Hatten Sie da einen bestimmten Abgeordneten vor Augen?

Nein, aber es gibt solche. Die wissen genau, dass sie am längsten dort sitzen, wenn sie sich so wenig wie möglich engagieren. Denn sie könnten ja Fehler machen.

Hat das Volk nicht die Politiker, die es verdient?

Das Volk hat nicht sehr viele Wahlmöglichkeiten im Moment. Die Parteien unterscheiden sich kaum noch voneinander. Sie verzichten auf Ideologie, sind reine Verwaltungsparteien, mit Politikern als Krisenmanagern.

Mehr weltanschaulich geprägte Visionen täten der politischen Landschaft gut?

Ich würde das behaupten, ja.

Als Sie noch als politischer Kabarettist auftraten, gab es weniger Fernsehstationen, und das politische Machtzentrum lag im beschaulichen Bonn. War damals alles besser?

Es war vielleicht einfacher, weil Bonn schon in seiner Provinzialität witzig war, aber damit konnte man keinen ganzen Abend bestreiten. Nach der Adenauer- und der Strauß-Ära wurde es sehr schwer, die Politik zu karikieren. Weil sie anonymer wurde. Zum Beispiel bei der Flick-Affäre: Da spielten verschiedene Personen eine Rolle, die aber kein Mensch kannte.

Entsteht nicht der Eindruck, Politik sei nur noch eine einzige Talkshow?

Wir übernehmen Amerikanismen, obwohl Amerika eine ganz andere Staatsform hat, mit einem mächtigen Präsidenten an der Spitze. Es entsteht schon der Eindruck, dass Politik in den Medien gemacht wird. Nicht ohne Grund meint Stoiber, das Parlament sei nicht so wichtig. Man könnte ihm unterstellen, das Fernsehduell mit Schröder sei ihm wichtiger als ein Auftritt im Parlament. Aber die Neigung der Politiker, dem Volk über den Bildschirm nahe sein zu wollen, ist ja nicht ganz falsch. Das ist einfach eine Entwicklung, die sich noch fortsetzen wird.

Ist es nicht bedenklich, dass es wahlentscheidend sein kann, ob man sich vor TV-Kameras verkaufen kann oder nicht?

Ein Mann, der nicht in der Lage ist, seine Idee vor der Fernsehkamera zu verkörpern, ist auch nicht in der Lage, sie im Ausschuss oder in seinem Kabinett durchzusetzen. Es ist doch eins, ob ich 50 Millionen, 500 oder fünf überzeugen möchte. Das geht auch ohne Kamera nur mit der Körpersprache und den richtigen Argumenten. Und es ist ein Irrtum zu glauben, dass ein Mann wie Schröder sich vor der Kamera verstellen kann. Man kann das nicht üben. Das kann niemand, ich kann das beurteilen. Spätestens nach fünf Minuten sind Sie im Fernsehen Sie selbst. Dann vergessen Sie die Kamera, dann wird Ihr Argument wichtiger.

Also müssten Politiker schon professionelle Schauspieler sein?

Nein, ein Schauspieler überzeugt dadurch, dass er Ehrlichkeit herstellt. Sie müssen wahrhaftig überzeugen, sonst glaubt Ihnen kein Mensch. Sie können nicht Boxkampf spielen, Sie müssen boxen.

Ist Rudolf Scharping nicht ein Beispiel dafür, dass Politiker heute vor allem auf ihr Bild in der Öffentlichkeit achten müssen? Bei seinem Scheitern ging es doch kaum um politische Inhalte?

Das fing ja mit Reichspräsident Ebert in der Weimarer Republik an. Der wurde damals auch in der Badehose fotografiert. Immer wenn Politiker im Wasser sind, sind sie arm dran. Man hat, wenn man schon ein Volk vertritt, auch so auszusehen wie ein Vertreter. Aber wenn ein Sozialdemokrat wie Scharping für zehntausende Mark Klamotten kauft, muss er eben gehen, weil er das sozialdemokratische Konzept beschädigt. Diese Reden, Politiker seien auch Menschen und machten auch Fehler, überzeugen mich nicht. Das sind vermeidbare Fehler. Ich muss wissen, dass die Presse mir immer näher rückt, dass die Leyendeckers überall sind.

Bei der Bonusmeilen-Affäre gab es Stimmen, die sagten, da werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Natürlich gibt es Blätter, die davon leben, Skandale zu machen. Aber das war doch nur möglich, weil die Leute schon derart sensibilisiert sind durch die Affären in Köln, durch Wuppertal, durch Kohl, durch all diese Dinge. Und ich kann auch nicht verstehen, warum ein Politiker Bonusmeilen privat nutzt.

Das Kabarett früher wollte politische Verhältnisse kritisieren. Was hat TV-Comedy für eine Funktion?

„Die Hinterbänkler“ nehmen die Politik nur als Hintergrund. Die Reihe soll unterhalten und spielt eben im Milieu der Abgeordneten, in Berlin, wo nach wie vor Ost und West aufeinander prallen. Das gibt natürlich eine ganze Menge Zündmaterial für Pointen.

Sie nehmen den möglichen Wahlausgang vorweg, denn es gibt eine große Koalition der „Hinterbänkler“: Die SPD spült, die CDU trocknet ab. Was halten Sie von einem solchen Wahlergebnis?

Das hielte ich nicht für gut. Es ist schon ein großer Unterschied, Herrn Stoiber oder Herrn Schröder als Kanzler zu haben.

Würden Sie sich vor einen Wahlkampfkarren spannen lassen?

Ich habe für Schröder in Niedersachsen Wahlkampf gemacht, aber jetzt würde ich das nicht tun. Ich bin schon der Meinung, dass Herr Schröder ein guter Kanzler ist, aber ich bin nicht der Meinung, dass die rot-grüne Regierung das erfüllt hat, was ich erwartet hatte. Ich weiß es noch nicht, wen ich wählen werde. Ich bin ein bisschen ratlos, wie viele andere auch.

Das Gespräch führte Thomas Gehringer.

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