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Medien: „Schuld sind unsere Esel“

In Hirschfelde züchtet Dieter Moor Lämmer, in der ARD übernimmt er die Moderation des Kulturmagazins „ttt“

Herr Moor, Sie kennen sich mit Fernsehzuschauern ebenso gut aus wie mit Lämmern. Haben Sie Unterschiede festgestellt?

Ich muss Sie enttäuschen. Mit Lämmern kenne ich mich aus. Mit Zuschauern dagegen nicht. Außerdem können Sie doch nicht wirklich wollen, dass ich etwas gegen Zuschauer sage. Ich muss schließlich ab dem 4. November alles dafür tun, möglichst viele für mich zu gewinnen. Eines kann ich Ihnen aber doch sagen: Der Zuschauer ist unberechenbar.

Haben Sie den großen Unberechenbaren auch als Ansprechpartner vor Augen, wenn Sie vor der Kamera stehen?

Nein. Ich stelle mir immer vor, dass ich für meine besten Freunde moderiere. Das ist mein Gradmesser. Wenn ich das Gefühl habe, das, was ich mache, könnte von meinen Freunden als peinlich empfunden werden, dann lasse ich es lieber gleich.

Unter guten Freunden: Da passt es doch gut, dass „ttt“ ein Nischenprodukt ist. Warum sind Sie überhaupt zu „ttt“ gegangen?

Ganz einfach: Weil man mich gefragt hat. Die Frage war ja nicht, ob ich lieber „Wetten, dass..?“ moderieren, der Nachfolger von Günther Jauch werden oder doch lieber „ttt“ präsentieren wolle. Sabine Scharnagl vom Bayerischen Rundfunk hat angerufen und mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Moderator von „ttt“ zu werden. Ich sagte, es wäre mir eine Ehre. Und Frau Doktor Scharnagl hat so das eherne Gesetz außer Kraft gesetzt, eine Sendung wie „ttt“ nur von attraktiven, jungen und klugen Frauen moderieren zu lassen.

Man hat also viel mit Ihnen vor. Aber was?

Die schlechte Variante wäre, dass die ARD nur einen letzten Versuch zur Rettung von „ttt“ unternehmen will und sich dafür einen Moderator ausgesucht hat, der schon einiges erlebt hat und auf den man deshalb alles schieben kann, wenn es nicht klappt. Die gute wäre, dass man in mir eine Person sieht, mit der es aufwärtsgehen wird. Das würde bedeuten, die ARD wäre bereit, das eine oder andere Neue zu probieren. Was ich natürlich sehr schön fände.

Sie wissen nichts Genaueres?

Nein, nichts Genaues weiß ich nicht. Ich habe anfangs auch angenommen, dass die ARD an eine Totalrenovierung von „ttt“ dachte. Aber das ist wohl nicht geplant. Bedenken Sie, dass „ttt“ keine eigene Redaktion hat, sondern die ARD-Anstalten Beiträge zuliefern. Es kochen also viele Köche mit.

Aber Sie werden doch Ambitionen haben?

Natürlich. Sie dürfen auf den echten Moor hoffen. Auch wenn ich im Prinzip nur der Verkäufer von Produkten bin, die andere hergestellt haben. Aber ein guter Verkäufer zu sein, ist ja auch nicht unbedingt das Schlechteste.

Sie lassen sich auf ein Abenteuer ein, bei dem Ihnen enge Grenzen gesetzt sind. Wo bleibt da der wahre Moor?

Der Reiz besteht für mich darin, mehr als nur ein Ansager zu sein. Ich finde, ein Moderator muss zu dem, was er ansagt, eine Haltung haben. Diese Haltung soll der Zuschauer durchaus auch erkennen können. Mal sehen, ob sich und was sich bewegen lässt. Das ist der große Reiz.

Ist „ttt“ nicht unrettbar verschnarcht?

Ich würde eher sagen: viel zu brav. Es fehlt Esprit. Etwas mehr Munterkeit könnte sicher auch nicht schaden. Und warum es nicht mal richtig krachen lassen?

Der Herr Moor soll es also richten.

Das ist die Hoffnung der ARD. Aber das kann natürlich nur gelingen, wenn der Moor auch moorig sein darf. Mal sehen, ob er dürfen wird.

Aber der Moor muss auch moorig sein wollen.

Keine Angst. Das will der Moor. Und die ARD auch. Sonst hätte sie ja nicht einen Außenseiter wie mich genommen.

Sie haben es gut: Dann können Sie ja im Falle des Scheiterns alle Schuld auf die ARD schieben.

Sollte „ttt“ also nicht wider Erwarten auf Anhieb zwölf Millionen Zuschauer haben, nehme ich dafür schon jetzt alle Schuld auf mich.

Sie legen viel Wert auf Kultur. Ist nicht alles, was der Mensch macht, Kultur?

Sie fragen mir aus der Seele. Meiner Ansicht nach kommt gleich nach der erotischen und der Liebeskultur die Esskultur. Und das wiederum hat viel mit Agrikultur zu tun. Kultur ist überall und hat mit allem zu tun. Kultur ist grenzenlos. Alles Menschliche ist Ausdruck von Kultur, auch das Unmenschliche.

Und diesen allumfassenden, man könnte auch sagen hochpolitischen Moor haben die Kulturschaffenden der ARD einfach so geschluckt?

Mir ist jedenfalls nichts Gegenteiliges bekannt. Aber ich bin nicht der „ttt“-Messias. Ich höre schon Ihre Kommentare, was, schon die fünfte Sendung, und der Moor hat sich immer noch nicht ausgezogen? Aber ich muss Ihnen sagen, dass es nicht mein Ehrgeiz ist, schlingensiefsche Auftritte abzuliefern. Also: Wartet doch einfach mal ab und lasst mich machen.

Warum machen Sie nicht einfach Ihren eigenen Sender auf? Dann können Sie machen, was Sie wollen.

Das wäre wunderbar. Ich arbeite daran. Wenn wir uns in ein paar Jahren wiedertreffen, dann werde ich meinen eigenen Sender haben. Es wird etwas völlig Neues sein, etwas, das es noch nie gab.

Sie haben Ideen? Sie haben Geld? Wann kommt Hirschfelde-TV?

Mehr als Ideen. Es gibt konkrete Vorstellungen und Pläne. Aber leider noch nicht Geld genug.

Aus welchem Biodorf werden Sie senden?

Sie machen Witze. Natürlich aus der Hauptstadt, was denn sonst. Ich bin doch kein Spinner.

Warum haben Sie die schöne Schweiz verlassen und sind ausgerechnet in die brandenburgische Streusandbüchse gezogen?

Ausnahmsweise bin nicht ich schuld, sondern unsere Esel. Meine Frau und ich wollten sie nicht in der Schweiz zurücklassen. Und mit Eseln nach Berlin? Blieb also nur Brandenburg. Ob Sie es glauben oder nicht: Wir hätten keine bessere Entscheidung treffen können. Nicht nur für die Esel. Auch für uns.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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