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Medien: Schwarz, Rot, Pink

Schleswig-Holstein und „Schwarzwaldklinik“: Starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen am Sonntagabend

Das verblüffendste Ergebnis vielleicht einmal vorweg. Einen Tag deutsches Fernsehen zu gucken, ist wie die Einnahme illegaler Drogen – bisschen lustig, bisschen anders und am Ende sieht man Farben, wo eigentlich keine sein dürften. Aber der Reihe nach.

Das deutsche Fernsehen, jedenfalls das, was man bis zum vergangenen Sonntag gekannt hat, war so schlecht wie lange nicht mehr. Das hat mehrere Gründe, liegt aber hauptsächlich an den Menschen, die das Fernsehen machen, an ihrer Abneigung gegen Mut, Fantasie, Charme, Witz und dem unbedingten Willen zu unterhalten, zu faszinieren, zu überraschen.

Am Sonntag war das anders, jedenfalls die meiste Zeit – wenn man sich denn für das öffentlich-rechtliche Fernsehen entschieden hatte, und diese Entscheidung fällt momentan ziemlich leicht, denn das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist zur Zeit schlichtweg besser als das private. Als einen Beweis muss man Harald Schmidt nennen, der vor allem in der vergangenen Woche so gut war, wie lange nicht mehr. Könnte es also sein, dass Schmidt die anderen Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens antreibt?

Die Entscheider der ARD bewiesen am Sonntag mindestens Mut, denn schon kurz nach neun Uhr zeigten sie Sport, und zwar achteinhalb Stunden lang, und wenn man einmal anfängt zu gucken, dann hört man nicht mehr auf, dann will man das alles sehen: Riesenslalom, Rennrodeln, Skilanglauf, Eisschnelllauf. Die dominante Farbe des Vor- und Nachmittags war weiß.

Mit dem Beginn der Wahlübertragung zeigten ARD und ZDF, was sie können, wenn sie denn wollen. Steffen Seibert (ZDF) und Jörg Schönenborn (ARD) haben beide sehr viel von der Übertragung der amerikanischen Präsidentschaftswahl gelernt. Es wirkte nicht peinlich, sondern kompetent, als Schönenborn am späten Abend sagte: „To close to call“, um zu erklären, dass nichts feststeht in Schleswig-Holstein.

Es war tatsächlich spannend, bis auf die „Berliner Runde“, in der deutlich wurde, dass der Job des Generalsekretärs auch nicht mehr das ist, was er einmal war, stellenweise vermisste man sogar Laurenz Meyer. Immerhin Markus Söder von der CSU gab den Meyer. Moderator Peter Frey hatte sich unlustige Sachen vorabnotiert, so merkte er an, dass Heide Simonis ja jetzt „ihre Hüte“ nehmen könne. Von den anderen wollte er wissen, ob die Wahl eine „gelbe (!) Karte“ für Schröder sei, lustig wäre es aber gewesen, wenn er Cornelia Pieper für ihr blaues (!) Outfit die rote (!) Karte gezeigt hätte.

Aber um die Kleidung kümmerte sich danach Nina Ruge, die von der Berlinale berichtete: Ihr Fazit: „Farbe ist voll im Trend.“ Damit hatte sie Recht – auch wenn das nichts mit der Berlinale zu tun, aber viel mit dem Fernsehen, denn nach Ruge kam „die nächste Generation“ der „Schwarz(!)waldklinik", die ARD zeigte den Polizeiruf „Der scharlachrote(!) Engel“ und dem Zuschauer scheint schwarz besser zu gefallen als rot, die Quoten (siehe Kasten) belegen das, obwohl der „Polizeiruf“ mit das Beste war, was seit langem an Krimis im Fernsehen lief: Kampagnen der „Bild am Sonntag“ sind dafür auch ein guter Indikator: Je mehr das Blatt vor einem ARD-Krimi warnt, um so besser ist er.

Es gilt auch: „Sabine Christiansen“ ist immer dann sehenswert, wenn man es am wenigsten erwartet – das war am 30. Januar bei der Sendung um den Schiedsrichter-Skandal so, und das war jetzt so, als es um die Landtagswahl und deren Auswirkungen auf die Bundespolitik ging. Hans-Ulrich Jörges, stellvertretender Chefredakteur des „Stern“, ging auf Claudia Roth (!) los und machte sie und ihre Partei, die „Grünen“ (!), allein verantwortlich für die Lage der SPD; Peer Steinbrück, noch sozialdemokratischer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bekam von Jörges eine Typberatung: „Rennen Sie nicht mit einem roten (!) Schlips rum!“, worauf Steinbrück feststellte: „Aber ein Schlips darf es ja wohl sein.“ Sabine Christiansen trug was Pinkes und war nicht ganz auf dem Platz, aber das machte nichts – vielleicht ahnte sie, dass gegen Kerner heute nicht zu gewinnen ist.

Und er gewann, wenn auch knapp, und nur was die Quote betrifft. Inhaltlich war seine Show, die erstmals am Sonntag gegen Christiansen lief, eine Katastrophe. Es ging, natürlich, um die „Schwarzwaldklinik“, es war eine Art Klassentreffen, Sascha Hehn machte dauernd mit seiner Digitalkamera Fotos, obwohl es eher nach einer goldenen (!) Konfirmation aussah. Die Schauspielerin Eva Habermann fühlte sich sichtlich unwohl, Kerner selbst stolperte auch eher durch die Sendung, vielleicht ärgerte er sich, dass er nicht zu Hause saß und im WDR „Dittsche“ schauen konnte. Denn die neuen Folgen der Sendung mit Olli Dittrich waren eine Sensation, er – also Dittsche – redete in seinem Stammimbiss über Charles und Camilla und Lampenschirme und Klausjürgen Wussow, und er wusste, dass im Imbiss rote (!) Glühbirnen hängen, damit das Fleisch frischer aussieht.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sah am Sonntag trotz der „Schwarzwaldklinik“ auch sehr frisch aus. Die Journalisten beider Sender machten kaum Fehler, die Programmmacher schalteten immer dann zurück in die Wahlstudios, wenn es spannend wurde oder blieb, und sie schalteten bis zum Schluss. Es war, man kann es nicht anders sagen, ein bunter Abend.

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