zum Hauptinhalt

Medien: Sein Wille geschehe

In Putins Russland werden die Medien gegängelt

Journalisten sind in Russland nicht nur extrem gefährdet, wie der Mord an Ana Politkowskaja am Samstag zeigt. Sie haben es auch zunehmend schwerer, sich ein objektives Bild von den Ereignissen im Land zu machen. Auch das hatte die taffe Politkowskaja nicht nur mehrfach moniert. Sie hatte auch versucht, die eingefahrenen Gleise der Informationsbeschaffung zu verlassen, Zeugen direkt befragt, vor Ort recherchiert. Praktiken, die für westliche Journalisten selbstverständlich sind, sorgen bei russischen Kollegen nur für ein müdes Lächeln. Mit der Pressefreiheit, die zur Perestroika eine fast absolute war, ging und geht es im postkommunistischen Russland langsam aber stetig bergab. Putins „Befreiungsschlag“ gegen unabhängige Medien ist nur die Spitze des Eisbergs. Was westliche Medien gern und oft verdrängen: Es waren hoch gelobte und ebenso bezahlte PR-Berater des Kremls aus den USA, die 1996, als die Wiederwahl des damaligen Präsidenten, Boris Jelzin, sich zunächst wie ein schier aussichtsloses Unterfangen anließ, russische Medien mit ähnlich brutalen Methoden wie im tiefsten Kommunismus erneut an die Kandare nahmen: Mit dunklen Karriereknick-Drohungen bei mangelndem Wohlverhalten, üppigen Sonderhonoraren für bestellte, freundliche Artikel oder mit gezielten Indiskretionen gegenüber ausgewählten Medien.

Erstaunt registrierten die meist noch in der Sowjetzeit ausgebildeten Chefredakteure, dass in Sachen Medienfreiheit die Unterschiede zwischen Kommandowirtschaft und Demokratie zuweilen nur an Nuancen auszumachen sind, und entwickelten die Erkenntnis schöpferisch weiter. Die berühmt-berüchtigte Schere im Kopf gehört daher erneut zu den Standardinstrumenten russischer Medien. Vor allem dann, wenn Sender oder Zeitungen staatsnahen Konzernen wie Gasprom gehören. Die Media-Holding des Giganten, die inzwischen fast drei Dutzend Medien – darunter nahezu alle überregionalen – kontrolliert, nimmt zudem über Mittelsmänner direkt Einfluss auf die Inhalte. Die Folge: Reizthemen greifen die Macher meist erst dann auf, wenn der öffentliche Druck dank der noch vorhandenen wenigen unabhängigen Blätter unerträglich wird. Gleichzeitig versucht man dabei, sich auf Nebenaspekte zu konzentrieren.

Weiter erschwert wird die Informationsbeschaffung dadurch, dass Pressestellen – die staatlicher Behörden, aber auch die von privatwirtschaftlichen Konzernen – sich offenbar eher als Presseverhinderungsstellen verstehen. Beantwortet werden nur schriftliche Anfragen und selbst die nicht etwa tagesaktuell, sondern meist erst nach mehreren Tagen und heftigem Drängen.

Für den Westen völlig unverständlich ist auch, dass sich nicht etwa Journalisten Politiker oder Konzernchefs als Interviewpartner ausgucken. Vielmehr suchen diese sich in der Regel einen Pool aus Medien zusammen, bei denen sie auf tendenziell freundliche Berichterstattung hoffen können. Reporter des russischen Dienstes vom US-Auslandssender Radio Liberty bleiben bei den Kreml-Pools mit konstanter Bosheit außen vor.

Die Granden der zweien Reihe sind zwar auskunftsfreudiger, wollen aber bei kritischen Auslassungen nicht namentlich zitiert werden, weil sie Komplikationen in der Karriere befürchten.Dazu kommt, dass die Arbeit der Medien durch die Novellierung der Presse- und Extremismusgesetzgebung weiter eingeschränkt wurde. Jede Kritik an „Organen der Staatsmacht" und Beamten „bei Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten“ kann Anlass sein, um gegen Medien und deren Vertreter ein Verfahren wegen des Verdachts auf Extremismus zu eröffnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false