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Hart, nicht herzlich. Kommissarin Saga Norén (Sofia Helin) ist die bemerkenswerteste Ermittlerfigur in der Serie. Sie ist direkt, schroff, zuweilen unkollegial, aber sie hat Erfolg.

© ZDF und Jens Juncker-Jensen

Serie "Die Brücke": Lektionen der Grausamkeit

Die großartige Serie „Die Brücke“ geht ins Finale – und Kommissarin Saga Norén sucht endlich Erlösung

Der Staffeltitel ist unmissverständlich: „Das Finale“. „Die Brücke“, die große, großartige Serie geht zu Ende. Ihr Finale braucht vier Episoden, jede fast zwei Stunden lang. Die dänisch-schwedische Produktion mit ZDF-Einschuss hat den Spannungsbegriff „Scandi Noir“ nicht erfunden, sie hat ihn bekräftigt. Und doch ist es Zeit für das Ende. Die Produktion folgt einer Konstruktion, noch mehr davon – und „Die Brücke“ ist nur noch Konstruktion. Jetzt gilt es, dem Introsong – „And everything goes back to the beginning“ – gerecht zu werden. Zeit der Aufklärung, Zeit der Klärung, Zeit für Verklärung.

Getreu ihrem Titel startet die Serie am Fuß der Öresundbrücke, die Dänemark und Schweden verbindet. Wieder ein Mord, wieder sehr grausam. Margarethe Thormod, Generalsekretärin der dänischen Ausländerbehörde in Kopenhagen, wurde bis zu den Schultern eingegraben und dann gesteinigt. Die dänischen Ermittler Henrik Sabroe (Thure Lindhardt) und Jonas Mandrup (Mikael Birkjaer) vefolgen mehrere Spuren, eine führt zu Red October, einer linksradikalen Gruppierung, die der Ausländerbehörde gedroht hatte. Um die Aktualität von Fall und Thema weiter zu betonen, gerät Taarig Shirazi (Alexander Behrang Keshtar), ein iranischer Flüchtling, der nach Ablehnung seines Asylantrags untergetaucht ist, ins Visier der Fahnder.

Wo bleibt nur Saga Norén (Sofia Helin), die auffälligste Figur der „Brücke“? Zu Beginn der letzten Staffel sitzt die eigenwillige schwedische Kriminalkommissarin noch in Untersuchungshaft. Aus veritablem Grund: Sie soll ihre Mutter umgebracht haben. Aber eine Saga Norén im Gefängnis nutzt keinem etwas: nicht der Story, für die Hans Rosenfeldt und Camilla Ahlgren erneut veranwortlich zeichnen, nicht der Ermittlung und schon gar nicht dem Zuschauer. Saga Norén ist zentral, sie ist Magnet.

Sex ist nur Triebabfuhr

Die Polizistin überlebt den Anschlag einer Mitgefangenen, die sie hinter Gitter gebracht hatte, nur knapp. Während ihres Klinikaufenthaltes erfährt sie, dass das Urteil gegen sie aufgehoben hat. Saga Norén is back. Mit dem Chef des Ermittlerteams im Steinigungs-Fall, Henrik Sabroe (Thure Lindhardt), hat sie eine Beziehung, besser: sie haben Sex. Während der Däne an mehr glauben will, beschränkt sich die emotionsbefreite Schwedin auf die Triebabfuhr. Sie wird schwanger, treibt ab, Henrik, der unverändert unter dem Trauma seiner beiden verschwundenen Töchter leidet, ist geschockt. Warum, fragt Henrik. Das Kind hätte zwischen uns gestanden, antwortet Saga. Henrik wendet sich ab, Saga beginnt eine Therapie.

Zu den Spezifika der „Brücke“ gehörte von Beginn an, dass das Private der Ermittler „mitspielte“, in seiner Schwärze die Schwere der Fälle noch übertrumpfen konnte. „Die Brücke“ ist eine große Erzählung darüber, wie Menschen nach Glück suchen, wenigstens nach einem Fitzelchen. Auch der eigentliche Fall orientiert sich daran. Nach dem dritten Mord wird der Polizeitruppe klar, dass hier ein Rachefeldzug stattfindet. Der/die Täter legen es darauf an, mit den Morden besonders bei den Angehörigen der Opfer Leid auszulösen.

„Die Brücke“ in ihrem Finale zeigt Ensemble und Produktion in all der über die Staffeln gewonnenen Professionalität. Das Drehbuch streut in so viele Richtungen, dass der Zuschauer mindestens so große Orientierungsprobleme hat wie die Polizei. Das hat zuweilen etwas von überstrapazierter Krimilogistik. Verständnis für jeden, der sich in dem Personen- und Motivlabyrinth verirrt. Nicht schön, nicht schlimm: „Das Finale“ löst wie die Vorgängerstaffeln einen ungeheuren Sog aus.

Gepriesen sei das Zwielicht

Das alles geschieht unter der überlegten Regie von Henrik Georgsson, der weiß, wann er die Spannung anzuziehen hat, um dann wieder Momente der Entspannung zu inszenieren. „Die Brücke“ bietet ein geschlossenes Bild: von der Düsternis der Atmosphäre über die Düsternis der Figuren zur Düsternis des Falls. „Scandi Noir“ will alles andere als gute Laune erzeugen, es geht durch die Hölle, die Menschen in sich tragen und andere wiederum ertragen müssen. Gepriesen wird das Zwielicht, das den Dingen und Menschen ihre Substanz nimmt, ihre Überzeugungskraft und sie in eine geheimnisüberzogene Zwischenwelt taucht.

Thure Lindhardt spielt mit Kommissar Henrik Sabroe einen von ihnen. Dieser hat einen riesigen Verlust erlitten, er sucht einen Ausgleich. Lindhardt spielt keinen reinen Düster-Hannes, der Zuschauer hält zu ihm, geht mit ihm auf seine Reise.

Sofia Helin: Saga Norén. Saga Norén: Sofia Helin. Große Konsequenz im Spiel, großes Schauspiel in der Konsequenz, Treue zur Figur, Nuancen im Schroffen inbegriffen. Die Unbegreifbare wird begreifbar, die Kapsel öffnet sich. Finale.

„Die Brücke: Das Finale“, ZDF, Sonntag, 22 Uhr

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