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Serien: Sprich, Gregory, sprich …

„Dr. House“, "Desperate Housewives", "Mad Men" & Co – die meisten Fans der US-Serien sehen die deutsche Fassung im Fernsehen, andere holen sich die DVD-Box. Synchronisiert oder im Original? Zwei Köpfe, zwei Meinungen.

Mit dem Schriftsteller Max Goldt stimme ich nicht in allen Punkten überein. Aber in diesem: Ich verabscheue es, in Filme zu gehen, die nicht synchronisiert sind. Das gilt auch für meine geliebten US-amerikanischen Fernsehserien, die, von „Six Feet Under“, „Dr. House“ und „Dexter“ über „Lie to Me“ bis zu „Mad Men“, die Tage meiner TV-Woche zupflastern. Vertraute Gestalten, vertraute Töne. Ich habe mich zum Beispiel so an die Synchronstimme von „Dr. House“ gewöhnt, dass ich neulich beim Zappen in irgendeine dieser gnadenlosen Guido-Knopp-ZDF-History-Produktionen von der markant-nöligen Stimme des grantelnden Arztes überrascht wurde.

Ich erschrak: der coole Hugh Laurie als August der Starke? Nein, nur die Gelegenheit für einen gewissen Klaus-Dieter Klebsch, neben den Einsätzen für Dr. Gregory House im Synchronstudio mit einer schauspielerischen Darbietung ein paar Euro extra zu verdienen. Ich schätze Klaus-Dieter Klebsch, und seine Arbeit sollte an dieser Stelle gewürdigt werden, auch weil der Schauspieler 2007 aus der Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gehen musste. RTL wollte die Altersstruktur in der Daily Soap verjüngen. Ein hartes Los. Mit Synchronarbeiten halten sich zig deutsche Schauspieler über Wasser.

Meine Neigung, Serien lieber in deutscher Übersetzung zu sehen, hat aber nicht nur mit reiner Nächstenliebe und Faulheit zu tun. Wenn ich in fremde Sprachen eintauchen will, nehme ich einen langen Auslandsaufenthalt. Wenn ich daheim öfters eine Serie sehen will, so sollte es mir, um es wiederum mit Max Goldt zu sagen, vergönnt sein, den köstlichen Wendungen und Dialogen so mühelos wie möglich zu folgen und nicht mit dem Langenscheidt-Lexikon auf dem Sofa oder Fragen an meine Frau, die sonst gerne CNN schaut und besser versteht. Filme, Serien, das ist und bleibt ein visuelles Medium. Am allerschlimmsten sind die Untertitel, die den Blick kaum über die untere Bildkante hinauskommen lassen. Bei ambitionierten Versuchen während meiner Studentenzeit, diese Text-Bild-Schere aufzuheben, oft bei japanischen Filmklassikern im Programmkino nachts um halb elf, bin ich neben meiner Angebeteten eingeschlafen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass ich die Sinnhaftigkeit des Films auf Deutsch sicher gut hätte erklären können.

Puristen wird man mit diesen Argumenten nicht satisfaktionsfähig erscheinen in Sachen Filmgeschmack und kritischer Geist. Und, zugegeben, die Vorspannmusik in der Originalversion von „Dr. House“, ein Stück der britischen Gruppe Massive Attack, ist besser als das ähnlich klingende Stück, das im deutschen Fernsehen läuft. Trotzdem, die Stimme von Hugh Laurie im Original gehört zu haben, das war eine der größten Enttäuschungen meines Fernsehjahres. Markus Ehrenberg

Eine der intelligentesten und witzigsten Sitcoms überhaupt, „Frasier“, habe ich zuerst im Fernsehen entdeckt – also in der synchronisierten Fassung. In den USA mit Emmys überhäuft, verramschte Sat1 die Serie im werktäglichen Nachtprogramm. Da konnte ich nicht regelmäßig zuschauen. Weil es in Deutschland noch kaum eine „Frasier“-Staffel auf DVD gab, ließ ich mir die Originalversion aus Übersee kommen. Die einzigen Untertitel: „English for the hearing impaired“, Englisch für Hörgeschädigte. Das sah zunächst ziemlich anstrengend aus. Doch dann musste ich feststellen: Im Original ist „Frasier“ ja sogar noch besser!

Und so verhält es sich mit den meisten ausländischen Fernsehproduktionen, jedenfalls mit den guten. Egal, ob es nun „Mad Men“, „Dexter“ oder „King of Queens“ ist. Denn selbst bei der besten Synchronisation geht (zum Teil) kaputt, woran die ursprünglichen Macher hart gearbeitet haben: Atmosphäre, Dialoge, Witz. Wer sich ein Gemälde an die Wand hängt, möchte doch auch das Original und kein Bild, das Dritte an etlichen Stellen übermalt haben.

Im Mittelpunkt von „Frasier“ steht ein intellektuell-vergrübelter und reichlich eitler Radiopsychologe gleichen Namens. Zwangsweise nimmt er seinen bodenständigen Vater, einen ehemaligen Polizisten, bei sich auf. Bordeaux meets Budweiser: Auf dieser Konstellation beruhen die Pointen, und die meisten zünden auch auf Deutsch. Aber eben nicht alle. Wortspiele oder Gags, die US-amerikanische Populärkultur zur Grundlage haben, gehen in der Übersetzung oft verloren. Und wer nur die Synchronfassung kennt, ahnt nicht einmal, wie amüsant es klingt, wenn Frasier und sein nicht weniger versnobter Bruder Niles im Gespräch über Sigmund Freud oder eine Wagner-Oper angeberisch ein paar Worte auf Deutsch fallen lassen.

Ein anderes Beispiel: Neulich sah ich „Lost“ auf DVD und schaltete spaßeshalber zwischen dem englischen und dem deutschen Tonkanal hin und her. Die US-Serie dreht sich um die Überlebenden eines mysteriösen Flugzeugabsturzes; es sind ganz unterschiedliche Typen. Im Original hört man: das Raubein mit dem markanten Südstaatenakzent, den Schwarzen, der das typische Idiom der Afroamerikaner spricht, oder den gutmütigen Dicken, der immer das kumpelige Wort „Dude“ verwendet. In der Synchronfassung hört man dagegen bloß: Deutsch. Einheitlich, künstlich, öde. Aus „Dude“ wird „Alter“, aber das ist eben nicht dasselbe. Die Figuren verlieren einen Teil ihrer Individualität und die Serie insgesamt an Vielfalt und Tiefe.

Natürlich: Um die beschriebenen Nuancen würdigen zu können, muss man das Englische halbwegs beherrschen. Ich würde aber auch bei einer, sagen wir, spanischen Serie zum Original greifen – und dann die deutschen Untertitel einschalten. So fühlt man sich, selbst wenn man nichts versteht, ein wenig nach Spanien versetzt. Und so bleiben einem die immergleichen Synchronsprecher erspart, die heute dieser Figur in einer Sitcom und morgen jener Figur in einem Drama ihre Stimme leihen.

Sollte man die Originalsprache doch sprechen, kann man beim Genuss seiner Lieblingsserie sogar noch etwas dazulernen – es gibt kaum eine angenehmere Methode, eine Fremdsprache zu trainieren. Vielleicht muss man mal ein Wort nachschlagen. Aber wirklich gutes Fernsehen ist es wert, nicht bloß nebenbei konsumiert zu werden.Björn Rosen

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