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Song Contest: Ohne Zauber

Bei „Unser Song für Deutschland“ gibt sich Lena artig – und kommt mit Stefan Raabs Lied nicht so recht weiter.

Als es entschieden ist und Stefan Raab sich aus seinem Jury-Sessel erhebt, um zu Lena auf die Bühne zu gehen, breitbeinig und die rechte Hand am Sakkoknopf nestelnd, sieht er nicht glücklich aus. Er hat verloren. Das Lächeln, eingerastet. Er wird sich bald wieder fangen, aber jetzt ist es nunmal so: Drei Lieder sind am Montagabend von den Zuschauern der ProSieben-Sendung „Unser Song für Deutschland“ in die Endausscheidung am 18. Februar gewählt worden, aber Raabs Lena-Lied „That Again“ ist nicht darunter.

Dabei ist es ein schönes. Funk-Beat und Bigband-Sound, Joe Jackson hat auf demselben Rezept eine Weltkarriere gegründet. Und die Melodie erinnert an ein Mädchen, das selbstzufrieden Treppenstufen herunterhopst. Eigentlich hätte alles gepasst. Doch was immer Lena-Produzent Raab, Lena selbst und wer sonst noch hinter den Kulissen an Lenas Karriere bastelt, vorher gehofft haben mögen, die Fernsehrepublik hat ihr Votum gefällt.

Es ist ein abenteuerliches Experiment. Und dabei geht es um mehr als Fernsehen. Lena hatte den Eurovision Song Contest in Oslo gewonnen, also sollte sie als Titelverteidigerin antreten. Die Idee dazu wurde noch in der Siegesnacht geboren. Vielleicht hätte man drüber schlafen sollen?

Sechs Lieder sang Lena in der zweistündigen Show am Montag. Weitere sechs Lieder wird die 19-Jährige kommenden Montag im zweiten Halbfinale zeigen. Jeweils die drei Lieder mit den meisten Zuschauerstimmen bringt Lena dann am im Finale 18. Februar noch einmal – erst danach steht fest, mit welchem Lied sie im ESC-Finale in Düsseldorf am 14. Mai für Deutschland antreten wird.

Obwohl Raab wieder ein Ereignis geschaffen hat, das nach seinen eigenen Regeln funktioniert, sind es diesmal ziemlich abstrakte Regeln. Nicht Menschen treten gegeneinander an, sondern Akkorde. Das schlägt sich in der Zuschauerquote nieder, nur 2,6 Millionen sahen Lena dabei zu, den richtigen Song zu finden. Raab deutet die Problematik an, zum Auftakt der zweistündigen ProSieben-Show rät er, auf die „Synthese von Lena und Song“ zu achten. Als wenn das so einfach wäre. Man fühlt sich wie im Supermarkt mit lauter Lena-Liedern, aber in jeder Verpackung ist eine andere Lena drin. Der Zauber ist verflogen.

Artig liefert Lena ihre Nummern ab. Sie wirkt dabei wie jemand, der sich innerlich nicht festlegen darf. Alle zwölf Songs hat sie im Studio bereits eingesungen für das Album „Good News“, das nächste Woche erscheint. In Einspielern fällt ihr nichts weiter zu sagen ein, als dass dieser Song „so vor sich hin flockt“ und jener „voll anders“ ist. Und die Jury aus Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß und Unheilig-Musiker Graf beugt sich diplomatisch der Mechanik von Raabs selbsterhaltendem Medienimperium. Bis dahin ist es nur die raffinierte Werbeveranstaltung für ein Album.

Dann läuft die Abstimmung und Raabs Körper versteinert. Das ist der Preis, wenn Künstler die Entscheidung darüber, was gut ist, anderen überlassen. Es geht gegen ihre Prinzipien. Aber Raab war beim Eurovision Song Contest dreimal gescheitert, bis er es mit Lena geschafft hat. Als diese jetzt für „Taken By A Stranger“ in einer düsteren Kulisse steht und ein dunkel pochender Elektro-Beat untergründige Unruhe heraufbeschwört, steht da ein Wesen, das man noch nicht kannte. Eine neue Lena. Der Jubel im Publikum zeigt ihr den Weg.

Ein Rezept für den Siegersong gebe es nicht, sagt Eurovision-Matador Raab oft. Er hat als Erster begriffen, dass man in dieser europäischen Popdemokratie nur eine Chance hat, wenn alle dasselbe wollen. Kai Müller

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