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Spiel und Spaß: Moorhuhn 2.0

Die neue Internetwerbung setzt auf Unterhaltung. Im Browserspiel von Coca Cola kann man zum Beispiel gegen Manuel Neuer antreten.

Manuel Neuer ist ganz in Weiß gekleidet. Im Karate-Anzug steht er auf der Torlinie und winkt den Schützen heran. Der nimmt Anlauf, schießt und – Neuer kickt den Ball in Karatemanier weg. Es ist eine Szene aus dem Internetspiel „The Zero must stand“, in dem jedermann gegen den Nationalkeeper im „wichtigsten Spiel des Jahres“ antreten kann, wie es im Vorspann des Werbespiels heißt.

Diese Advertising-Games sind der neueste Trend der Werbebranche. Über vier Millionen Internetnutzer traten bereits gegen Manuel Neuer an. „Diese interaktiv-spaßige Verbindung hat das Potenzial, werbemüde Zuschauer zu motivieren und die Werbebotschaft in deren Gedächtnis zu verankern“, sagt Christoph Klimmt. Die Spiele sind extrem gut gemacht, sagt der Professor für Kommunikationswissenschaft. Dabei gibt es Werbespiele seit den 90er Jahren. Das wohl bekannteste ist das „Moorhuhn“-Spiel, in dem der Nutzer im schottischen Hochland auf die Pirsch ging. Mit dem Spiel warb der schottische Whisky-Hersteller Johnny Walker.

Schnellere Internetverbindungen und leistungsfähigere Computer haben das Niveau der Werbespiele seither angehoben. „The Zero must stand“ (hier geht es zum Spiel) hat mit einem klassischen Computerspiel wenig gemein. Der Nutzer muss auf einen Bereich des Tores klicken. Anschließend erscheint eine zufällig ausgewählte Videosequenz. In der Manuel Neuer, mal im Cowboy-Kostüm und mal im Karate-Anzug, den Ball pariert. Nur selten gelingt ein Tor.

Das derzeit wohl interessanteste Werbespiel heißt allerdings „Jagd nach dem Genuss“ (hier geht es zu dem Spiel). Der Nutzer steuert eine attraktive weibliche Spielfigur. Aus einem Youtube-Video springt er so in den Pool auf einer Hotelwebseite. Dabei muss er möglichst viele Eis-Bonbons sammeln. Dahinter steht die Langnese-Tochter Magnum. Wer es auf die Bestenliste schafft, kann das Ergebnis teilen. „Ein gut gemachtes Spiel zeigt man gerne seinen Freunden“, sagt Tina Jarlerud. Sie arbeitet für die schwedische Agentur Lowe Brindfors und entwickelte die „Genuss-Jagd“. Mit Advertising-Games versucht die Werbeindustrie, die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen. Dafür dringt sie immer tiefer in die Lebenswelten der potenziellen Käufer ein. „Wir beobachten die enge Verquickung von Werbung und Computerspiel mit Skepsis“, erklärt Christoph Klimmt. Nicht immer seien die Motive hinter den Spielen klar zu erkennen. Das war schon so beim „Moorhuhn“-Spiel, das auch von Kindern und Jugendlichen gern gespielt wurde, obwohl es Werbung für Alkohol machte .

Normalerweise richtet der Nutzer seine Aufmerksamkeit auf die Inhalte einer Webseite, die Werbung wird nur am Rande wahrgenommen. Ad-Games wollen dieses Prinzip umkehren. Manuel Neuer spricht den Schützen darum direkt an. Etwas weiter treibt es das Spiel „Speed Date“ (hier geht es zu direkt zu dem Spiel). Ein überhitzter Wagen ist in der Wüste liegen geblieben. Zum Glück fährt eine Frau im Luxuswagen vorbei. In diesem Moment beginnt das Abenteuer. „Speed Date“ ist nun völlig personalisiert, denn der Spieler kann Namen und Foto eingeben. Die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verwischen. Etwa wenn die Frau fragt, ob man sich anfreunden will. Antwortet man mit Ja, gelangt man zur Facebook-Seite der Mercedes-Benz-Kampagne.

Christian Daul glaubt, dass sich die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden nachhaltig wandeln wird. Der Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz & Volkmer entwickelte „The Zero Must Stand“ und „Speed Date“. Das knappste Gut ist für ihn die Aufmerksamkeit der Nutzer. „Unternehmen haben verstanden, dass sie dafür deutlich mehr investieren müssen“, sagt er. Sie versuchen den Nutzer über seine Emotionen anzusprechen. Denn letztendlich wollen Unternehmen eins: ihre Produkte verkaufen. In Zeiten der Fußball-Europameisterschaft findet allerdings „das wichtigste Spiel der Saison“ trotz aller Werbeverheißungen am 1. Juli in Kiew statt.

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