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Medien: Sterben für ein Bild?

ARD-Porträt des israelischen Fotografen Ziv Koren

Es beginnt wie ein Spielfilm, in dem ein Actionheld seine Waffen anlegt und mit Adrenalin vollgepumpt das Haus verlässt. Untermalt von peitschenden Rhythmen rauscht er mit seinem Motorrad davon ins Inferno. Dazu sagt er aus dem Off: „Niemals schlafen zu müssen, wäre das Beste für mich. Wenn ich ins Bett gehe, platze ich noch vor Energie. Ich muss ständig daran denken, was ich am nächsten Tag alles erleben könnte. Ich will die Action einfach nicht verpassen.“ Zurück bleiben – als wunderbarer Kontrast – seine engelsgleich schöne Ehefrau und zwei bezaubernde Kinder. Nur dass der Mann mit der Mission kein Hollywoodheld ist, sondern ein renommierter israelischer Fotograf, Ziv Koren, der sich von Tel Aviv aus in den Libanon oder in die Palästinensergebiete aufmacht, um dort Krieg, Selbstmordattentate, Leichen, Kinder, weinende Frauen und vermummte Kämpfer zu fotografieren. Seit 1994 werden seine Bilder in Zeitschriften wie „Stern“ oder „Time Magazine“ veröffentlicht, zweimal erhielt er den World Press Photo Award.

Der israelische Filmemacher Solo Avital, der bisher vor allem Musikvideos gedreht hat und fünf Jahre in den Babelsberger Studios für Spezialeffekte zuständig war, hat den heute 36-jährigen Koren zwei Jahre mit einer Handkamera begleitet. Ein großes Abenteuer mit schnellen Schnitten, aufwühlenden Bildern und einer elektrisierenden Tonspur. Der Tod ist allgegenwärtig, ebenso die private Idylle. Korens Frau ist Galit Gutmann, bekannt als Model und Schauspielerin. Auch sie sieht man bei der Arbeit und beim Nachrichtenschauen. Sie beschreibt ihren Mann und die Angst um ihn und bleibt mit der Frage „Warum macht er das?“ genauso hilflos zurück wie der Zuschauer. Koren selbst spricht anfangs von einer Obsession und davon, dass er „die Wirklichkeit zeigen“ wolle. Was für eine Wirklichkeit?, möchte man fragen.

Die Schwäche des Films ist, dass er den Höllentrip seines Protagonisten zwar auf kunstvolle Weise, letztlich aber nur eins zu eins abbildet und ihm Sätze durchgehen lässt wie „Ich kann mir kein Motiv vorstellen, für das es sich zu sterben lohnt.“ Und das bei einem Mann, der täglich sein Leben riskiert für ein gutes Foto. Der Dokumentation fehlt nicht so sehr eine medienethische Reflexion, sondern Bilder, die auf kritische oder ironische Weise den Tunnelblick des Protagonisten brechen. Auch was den Nahostkonflikt angeht, wartet man vergebens auf Erkenntnisgewinn. Die Bilder lassen einen zwar emotional durchgerüttelt zurück. Ein Effekt, den die täglichen Nachrichtenbilder nicht mehr haben. Dennoch versteht man durch den Film „Der Hölle so nahe“ genauso wenig von den dortigen Auseinandersetzungen wie zuvor.

In einer WDR-Reportage von 2005 mit dem Titel „SchussWechsel – Fotografen in einem zerrissenen Land“, sagt Reinhard Krause, Fotochef der Agentur Reuters in Jerusalem: „Es ist extrem einfach, hier gute Bilder zu finden. Viel schwieriger ist es zu verstehen, was wirklich hier passiert.“

Produzent Oliver Berben sagt, man habe einen Film über ein Ehepaar in Tel Aviv machen wollen. Das stimmt vielleicht für die Kinoversion („More than 1000 words“), die 30 Minuten länger ist und auf Festivals etliche Preise bekommen hat. Doch die ARD hat das Ganze sehr auf den Nahostkonflikt eingedampft und außerdem zur Chefsache gemacht: NDR-Intendant Jobst Plog war durch ein Gespräch mit der Schauspielerin Iris Berben auf den Film aufmerksam geworden, wonach die Programmdirektion entschied, das Stück außerplanmäßig ins Programm zu nehmen und Ziv Koren und Galit Gutmann zusammen mit Oliver und Iris Berben (im Film die deutsche Stimme von Gutmann) anschließend bei Reinhold Beckmann in die Talkshow zu setzen.

„Der Hölle so nahe“, 22 Uhr 45, ARD

„Beckmann“, 23 Uhr 30, ARD

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