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Caren Miosga und Ingo Zamperoni moderieren im wöchentlichen Wechsel die "Tagesthemen".

© Daniel Bockwoldt/dpa

ARD gegen ZDF: Machen 30 Minuten „Tagesthemen“ das „heute-journal“ kaputt?

Die ARD will die Freitagsausgabe der „Tagesthemen“ verlängern. Das ZDF ist empört. Das wahre Problem sind aber die „Tagesthemen“ selbst. Ein Kommentar.

Die ARD will die "Tagesthemen" verlängern. Von März sollen die Ausgaben Montag bis Donnerstag um fünf Minuten auf 35 Minuten zulegen. Zugleich ist eine Verdoppelung der "Tagesthemen" am Freitag geplant: eine halbe Stunde statt bisher 15 Minuten. Damit würden die "Tagesthemen", die um 21 Uhr 45 starten, ins "heute-journal" ab 22 Uhr hineinsenden.

Das hat sogleich das ZDF auf die Barrikaden getrieben, Intendant Thomas Bellut hat sich beim ARD-Vorsitzenden, bei WDR-Intendant Tom Buhrow, über den aus seiner Sicht unfreundlichen Akt beschwert. Die künftigen "Tagesthemen" seien ein Verstoß gegen das Comment, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihre Nachrichten und Nachrichtenjournale nicht parallel ausstrahlen. Diese gegenseitige Rücksichtnahme ist ja nicht verkehrt, aber muss sie den Charakter eines TV-Grundgesetzes haben?

Das ZDF selbst ist nicht der allseits freundliche Guuuuudnabnd-Mainzelmann. Seit März 2019 sendet das "heute-journal" am Sonntag statt im 15-Minuten- im 30-Minuten-Format. Für den Sender sei es ein logischer Schritt, das „heute-journal“ am sehintensivsten Abend der Woche deutlich auszubauen, hieß es in einer Mitteilung. „Das Interesse an verlässlichen Informationen und Orientierung hat spürbar zugenommen“, hatte Intendant Bellut verlautbart. Die ARD war not amused. Die zuschauerträchtigste Talkshow im deutschen Fernsehen, "Anne Will", startet am Sonntag in der Regel um 21 Uhr 45, zur selben Zeit beginnt das "heute-journal". Die Annahme ist nicht abwegig, dass nach einer halben Stunde "journal" kaum ein zu Zuschauer zum ARD-Talk wechselt..

ARD und ZDF sind tatsächlich Konkurrenten im Fernsehmarkt, das Zweite ist seit sieben Jahren Marktführer im deutschen Fernsehen - was das Erste seit sieben Jahren ärgert. Und beide Systeme sind herausgefordert, ihre zweifelsfreie Nachrichten- und Informationskompetenz durch attraktive Sendezeiten und eindrucksvolle Sendungen wieder und wieder zu beweisen.

Das "heute-journal" kann mit dem Regelstarttermin 21 Uhr 45 mit mehr Publikum rechnen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer des linear ausgestrahlten Fernsehens sind sehr zeitsensibel. Das Seniorenpublikum, das das Gros des Klientels von ARD und ZDF (von den Dritten ganz zu schweigen) stellt, ist für die "Tagesthemen" um 22 Uhr 15 in kleinerer Zahl zu gewinnen als für das "heute-journal" um 21 Uhr 45. Wer vor die Entscheidung steht, wann er sich ein Nachrichtenmagazin gönnen will, der wählt eher das frühere "heute-journal".

Aber, und das ist die wirkliche Herausforderung für den "Tagesthemen"-Produzenten ARD-aktuell: Die Wahlentscheidung für das ZDF-Angebot wird erleichtert, weil das "heute-journal" das "heute-journal" ist und die "Tagesthemen" die "Tagesthemen" sind. Das Magazin im Zweiten liegt vorne, meiner Ansicht nach ist es das bessere Angebot.

Es liegt beileibe nicht nur am früheren Starttermin und an der um wenigstens eine Million Zuschauer höheren Einschaltquote: Der Politiker/die Politikerin des Tages findet sich in der Regel im ZDF-Studio ein. Und wird dort von Claus Kleber und mehr noch von Marietta Slomka getriezt. Gerade die Journalistin kann mit ihrer Mischung aus betonter Freundlichkeit und forcierter Hartnäckigkeit mehr als Stanzen aus den Interviewten "herausholen". Während ihr Gesicht lächelt, fixieren ihre strahlend blauen Huskie-Augen das Gegenüber. Entkommen ist nicht.

Marietta Slomka und Claus Kleber in der "grünen Hölle" des "heute-journals". Bilder, Signets und Grafiken werden für die Zuschauer sichtbar in den dreidimensionalen Raum projiziert.
Marietta Slomka und Claus Kleber in der "grünen Hölle" des "heute-journals". Bilder, Signets und Grafiken werden für die Zuschauer sichtbar in den dreidimensionalen Raum projiziert.

© ZDF

„Tagesthemen“-Kommentare sind langweiliger Mainstream

Caren Miosga und Ingo Zamperoni, die Stammbesetzung in der "TT"-Moderation, sind zweifellos Fernsehjournalisten, die ihr Metier beherrschen, solide beherrschen. Und doch kommen sie wie die gesamte Sendung eher als Protokollanten des Nachrichtentages daher. Aber nein, es liegt nicht nur an Miosga/Zamperoni und nicht an der späteren Anfangszeit, dass die "Tagesthemen" zweiter Sieger sind.

Nehmen wir einen weiteren Fixpunkt der ARD-Sendung - den Kommentar. Er wird wechselweise von Journalistinnen und Journalisten aus den neun Landesrundfunkanstalten gesprochen. Gepflegt wird eine Schwäche: Es ist die Vorhersehbarkeit der Meinungen, die mangelnde Originalität, die Meinung strömt wie langweiliger Mainstream über den Bildschirm.

Es muss nicht immer "Monitor"-Chef Georg Restle sein, der das Publikum herausfordert, das nicht, aber eine Herausforderung sollte der Kommentar schon sein. Ginge das nicht auch anders, vielleicht mal ein Pro und ein Contra? Wenn die Routinen der "Tagesthemen" Schwäche sind, müssen diese Routinen aufgebrochen werden. Der kommende Freitag mit den 30 Minuten würde sich als Testfeld anbieten - und das "heute-journal" herausfordern. Das Bessere ist stets der Feind des Guten.

Es ist für ARD nichts gewonnen, wenn sie das ZDF mit bloßer Sendezeitverfüllung schlagen will. So sehr das Zweite von jedem Racheakt Abstand nehmen sollte, indem der Sender die bisher gültige Reihenfolge am Freitag - erst die "Tagesthemen" und dann das "heute-journal" - attackiert. ARD und ZDF bilden bei allem Wettbewerb ein öffentlich-rechtliches System. Weder das "heute-journal" noch die "Tagesthemen" taugen zum Systemversagen.

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