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Alles andere als Harry Potter.  Mit seinem okkulten Ritual erstaunt und verwirrt Emil Luxinger (André M. Hennicke, Mitte) die Kommissare Sebastian Bootz (Felix Klare, links) und Thorsten Lannert (Richy Müller).

© SWR/Benoît Lindner

Stuttgarter "Tatort": Hexenverfolgung reloaded

Da prallen zwei Welten aufeinander: Die „Tatort“-Kommissare Lannert und Bootz werden mit okkulter Magie konfrontiert.

In Esslingen am Neckar wurden zwischen 1662 und 1665 zahlreiche Menschen der Hexerei bezichtigt. 20 Männer und 13 Frauen wurden hingerichtet, zumeist verbrannt. So berichtet es Günter Jerouscheck im „Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgungen“. Die schaurige Historie regt immer mal wieder Drehbuchautoren an, jetzt hat es auch den „Tatort“ erwischt („Tatort: Hüter der Schwelle“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15).

Die ARD-Krimireihe war ja Übersinnlichem zuletzt nicht abgeneigt: In Frankfurt stand ein Spukhaus, in Bremen trieb eine Werwölfin ihr Unwesen, nun wird in Württemberg der okkulten Magie gehuldigt.

Ein junger Mann liegt nackt und tot auf dem Gipfel eines Hügels, um die Leiche ist ein Kreis aus weißem Pulver gezogen, in seine Brust wurde ein rätselhaftes Symbol geritzt. Tödlich war freilich ein Schnitt in die Halsschlagader, die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) vermuten einen Ritualmord. Das Opfer Marcel Richter (Max Bretschneider) war seit drei Tagen vermisst worden.

Seine Mutter (Victoria Trautmansdorff) berichtet, er habe sich eine Kirche anschauen wollen und sei dann verschwunden. In der Kirche war Marcel mit einer Unbekannten aufgetaucht, deren Gesicht der künstlerisch begabte Priester (Michael Sideris) treffend zu zeichnen weiß. „Sie schickt der Himmel“, sagt Bootz leichtfertig, doch das lässt ihm der Gottesmann nicht durchgehen. Er könne schließlich sehen, ob einer gläubig ist oder nicht: „Atheisten haben immer diese innere Unruhe, die sie selber nicht bemerken.“

Der Reiz von Okkult-Krimis ist, dass darin Platz ist für die unerklärlichen Dinge zwischen Himmel und Erde, die dann im starken Kontrast stehen zu der auf beweisbare Tatsachen ausgerichteten Polizeiermittlung. Da prallen zwei Welten aufeinander – Begegnungen, aus denen Funken schlagen sollten, wie es hier vor allem zwischen Lannert und dem okkulten Magier geschieht, was dank Richy Müller und André Hennicke auch schauspielerisch ein Vergnügen ist.

Atmosphäre des Ungewissen

Bootz wiederum wird in seiner rationalen Selbstgewissheit nicht nur vom Priester verunsichert. Ein Blick genügt, und er wird von der schönen Diana (Saskia Rosendahl) derart verhext, dass er sich bei der ersten Begegnung gleich verdattert mit seinem Vornamen Sebastian vorstellt. Und im Hinterzimmer einer Bar macht Bootz eine andere existenzielle Erfahrung.

Der intensiv inszenierte Zweikampf wird von der wunderbaren Stimme Maria Callas' begleitet, während Regisseur und „Tatort“-Debütant Pjotr J. Lewandowski („Jonathan“) die Ritual-Szene im modernen, schnellen TechnoRhythmus auf den Bildschirm bringt.

Mit vielen Details versuchen Lewandowski und Drehbuchautor Michael Glasauer eine Atmosphäre des Ungewissen und der verborgenen Mächte zu erzeugen. Das beginnt schon beim Mitarbeiter der Spurensicherung, der beim Aufstieg zum Tatort plötzlich ins Rutschen gerät.

Ungewöhnlich übrigens: In der klassischen Eingangsszene am Tatort wird kein Wort gesprochen. Eher konventionelle Ideen sind dagegen die Tiere, die ab und zu durchs Bild huschen oder ausgestopft an der Wand hängen.

Natürlich flackert gerne mal das Licht, und ohne Anspielungen bei der Namensgebung geht es auch nicht: Eine Spur führt die Kommissare zur Suche nach dem „weißen Licht“, da passt es gut, dass der Magier Emil Luxinger heißt. Die Unbekannte, die Marcel in die Kirche begleitet hatte und Kommissar Bootz ganz mühelos verzaubert, trägt den römisch-göttlichen Namen Diana Jäger. Und auch mit dem Nachnamen Richter hat es so seine Bewandtnis.

Des Weiteren spielen noch ein gestohlenes Buch, ein verlorener Schuh und eine moderne Verbrennungsanlage eine Rolle. „Hüter der Schwelle“, der 24. Film der Stuttgarter Kommissare, hat in sinnlich-ästhetischer Hinsicht durchaus einiges zu bieten. Mit logischen Argumenten kann man einem Film, in dem die Protagonisten glauben, sie seien wiedergeborene Täter oder Opfer der Esslinger Hexenverfolgung aus dem 17. Jahrhundert, ohnehin nur bedingt kommen.

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